EU-Kompromiss zur Bankenabwicklung Einigung nach 16 langen Stunden
Nach 16 Stunden stand endlich der Kompromiss: Vertreter von EU-Parlament und Mitgliedstaaten haben sich darauf geeinigt, wie marode Banken abgewickelt werden sollen. Damit kann die Bankenunion noch vor der Europawahl auf den Weg gebracht werden.
Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Selbst für hartgesottene EU-Krisenakteure ist das rekordverdächtig: Von gestern Nachmittag an saßen die Unterhändler des EU-Parlaments, der EU-Regierungen - unter ihnen Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem - und der EU-Kommission zusammen, um einen Kompromiss in Sachen Bankenunion zu finden.
Mit dabei war der Grünen-Politiker Sven Giegold: "16 Stunden Verhandlungen mit Herrn Dijsselbloem, das hat es auch noch nicht gegeben. Ich bin ganz schön müde."
Noch vor der Wahl unter Dach und Fach
Aber es war sozusagen die Nacht der letzten Gelegenheit. Ohne eine Einigung hätte es keine Chance mehr gegeben, den europäischen Bankenabwicklungsmechanismus noch in dieser Legislaturperiode unter Dach und Fach zu bringen. Die Vollendung der Bankenunion, des Kernelements zur Stabilisierung der Eurozone, wäre um viele Monate verzögert worden.
Schritt für Schritt kamen sich die Unterhändler in der Nacht näher, in den frühen Morgenstunden mussten dann noch wichtige Finanzminister ihr Okay geben. Kurz vor 8.00 Uhr hieß es dann über Twitter, der Deal sei perfekt.
"Das ist ein fairer Kompromiss"
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz verhandelte nicht mit, aber der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten für die Europawahlen ließ es sich nicht nehmen, den Durchbruch öffentlich zu verkünden: "Wir haben einen fairen Kompromiss erreicht zwischen dem Parlament und dem Rat. Das Parlament hat sich in vielen Positionen durchgesetzt."
Die Entscheidung, ob eine marode Großbank geschlossen oder saniert werden muss, soll künftig auf europäischer Ebene erfolgen. Allerdings hatten sich da die Finanzminister, maßgeblich vom deutschen Ressortchef Wolfgang Schäuble inspiriert, einen ziemlich umständlichen Mechanismus ausgedacht. Mit diesem wäre es nach Ansicht von Kritikern kaum möglich gewesen, eine Bank notfalls über Wochenende aus dem Verkehr zu ziehen.
Jetzt sei das möglich, glaubt Parlamentschef Schulz: "Wir hatten zu Anfang 124 Personen, die beteiligt werden sollten. Das ist jetzt auf einen engen Kreis von Entscheidern reduziert worden." Und in den meisten Fällen, so der Grüne Giegold, habe nun auch die EU-Kommission das letzte Wort, wenn es darum geht, eine Entscheidung der neu zu schaffenden Abwicklungsbehörde formal abzusegnen. Insbesondere Schäuble hatte lange darauf bestanden, das dieses Recht bei den Finanzministern verbleibt.
Bankenfonds soll schon nach acht Jahren stehen
Federn lassen musste Schäuble auch beim Abwicklungsfonds. Dieser Notfalltopf soll von den Banken selbst gefüllt werden und am Ende über 55 Milliarden Euro verfügen. Diese Summe soll nun schon nach acht Jahren erreicht werden und nicht erst nach zehn Jahren.
Und auch die Aufspaltung in getrennte nationale Kammern soll schneller überwunden werden: "Der Topf muss deutlich schneller vergemeinschaftet werden. Das ist ein großer Sieg für das Parlament und eine gute Neuigkeit für die Steuerzahler", sagt Giegold.
Denn die Steuerzahler müssen dann, so zumindest die Theorie, nicht mehr zur Kasse gebeten werden, um schlingernde Banken zu stützen. So lange der Abwicklungsfonds noch nicht sein volles Volumen erreicht hat, darf er bei Bedarf auch eigenständig Kredite auf dem Kapitalmarkt aufnehmen. Auch das war von den Finanzministern ursprünglich nicht so vorgesehen gewesen.
Ganz glücklich ist Giegold mit dem Kompromiss dennoch nicht. Denn der Notfalltopf gründet sich auf einem zwischenstaatlichen Vertrag zwischen den beteiligten Ländern. Das Parlament ist daher weitgehend außen vor. "Und das ist eine große Kröte", so Giegold.
Zustimmen will der Grünen-Politiker bei der Abstimmung im Parlamentsplenum dennoch. Und auch Parlamentspräsident Schulz ist sich sicher: "Ich kann Ihnen sagen, dass wir diesen Kompromiss mit breiter Mehrheit verabschieden werden." Aber auch im Rat der EU-Regierungen muss sich ein Mehrheit dazu bereit finden.