Jogginghose statt Anzug Wie Corona die Modewelt verändert
Auch vor der Modebranche macht das Coronavirus nicht Halt: Die Schließung von Filialen, die Unterbrechung von Lieferketten und nicht zuletzt der Siegeszug des Home Office zwingen auch die Welt der Mode zum Umdenken.
Das Datenanalyse-Unternehmen Reply hat die Auswirkungen der Pandemie auf die Modebranche genauer unter die Lupe genommen. Der aktuelle Bericht zeigt, dass das Interesse an Mode schrumpft. Im Vergleich zum Vorjahresmonat März 2019 sei die Nachfrage um 23 Prozent zurückgegangen. Damit bildet die Modebranche in der Rangliste eines der Schlusslichter. Nur der Tourismus- und Automobilbranche erging es während der vergangenen sechs Monate schlechter.
Beim schwindenden Interesse an Mode spielt der Wandel der Arbeitswelt eine große Rolle. Seit Beginn der Pandemie hat sich das Home Office etabliert. Doch wer trägt dort noch Krawatten, Pumps und Handtaschen? Laut einer Umfrage aus den USA macht sich nur jeder Zehnte für die Arbeit von zu Hause zurecht.
Bequeme Kleidung siegt
Während vor allem Bürokleidung mit nachlassendem Interesse zu kämpfen hat, tritt Loungewear, also Jogginghose, Turnschuh und T-Shirt in den Vordergrund des Interesses. Während der Hochphase der Pandemie machten Modemarken und Social-Media-Kanäle mit Hashtags wie #StayInPajamaContest auf legere Heimbekleidung aufmerksam. In Großbritannien war der neue Trend besonders ausgeprägt. Die Nachfrage nach bequemer Kleidung stieg dort um 433 Prozent.
Lars Braun, Inhaber der Herrenmodegeschäfte Braun in Hamburg bestätigt dieses Phänomen. Laut Braun legen die Kunden nun vor allem Wert auf bequeme und schmeichelnde Mode aus angenehmen Stoffen. Die Funktionalität der Kleidung sei mittlerweile ein entscheidender Faktor.
Diesen Trend verdeutlichen auch die Quartalszahlen von Nike. Der amerikanische Sportartikelhersteller schloss das Quartal von Juni bis August mit einem deutlichen Gewinnplus von elf Prozent auf 1,5 Milliarden Dollar ab. Auch auf lange Sicht peilt Nike eine Umsatzsteigerung im hohen einstelligen bis niedrigen zweistelligen Bereich an. Es läuft also gut bei den Marken der bequemen und legeren Mode. Auch das spanische Label Balenciaga, das zum Mode-Giganten Kering gehört, gilt als Gewinner der Branche. Mit seinen Produkten wie Sneakers, Kapuzenpullover und Bomberjacken trifft Balenciaga den Zeitgeist.
Wertewandel in der Modebranche
Während der Anzugsschuh stetig an Beliebtheit und Bedarf verliere, sei der Sneaker auf dem Weg zum Markteroberer, erklärt Herrenausstatter Braun. Ebenso habe die altehrwürdige Krawatte längst ausgedient. Hugo Boss bestätigt diesen grundsätzlichen Trend und erklärt, dass auf den klassischen Anzug mittlerweile letztlich nur noch etwa ein Fünftel des Konzernumsatzes fielen.
Bürokleidung und Fast Fashion hatten es während der Corona-Hochphase besonders schwer. Auch am Aktienmarkt machte sich die Krise bemerkbar. Seit Aufkommen der Pandemie in Deutschland hat die Hugo-Boss-Aktie beispielsweise um etwa 50 Prozent eingebüßt. Das MDax-Unternehmen meldete aufgrund der Geschäftsschließungen während der Corona-Krise einen Umsatzrückgang von knapp 60 Prozent. Der Luxusmode-Hersteller Strenesse musste den Betrieb gar endgültig einstellen.
Trotz des großen Drucks, der auf den Herstellern formeller Kleidung lastet, ist sich Lars Braun sicher, dass Mode im Luxussegment eine sichere Zukunft hat. Schließlich nehme das bewusste Einkaufen dahingehend zu, dass Kunden ihr Geld zwar seltener, aber dafür sinnvoller investierten. Hugo Boss hat sein Warenangebot ebenfalls dahingehend verändert und positioniert sich mit innovativen Ideen, Stoffen mit besonderem Tragekomfort und neuen Kombiniermöglichkeiten.
Nachhaltigkeit von großer Bedeutung
Neben Kriterien wie Wertigkeit und Bequemlichkeit spiele das Thema Nachhaltigkeit auch in der Modewelt eine wachsende Rolle, so Hugo Boss. Seitens der Unternehmen seien hier Innovationen und neuen Ideen gefragt. Das Unternehmen ermögliche den Kunden bei einzelnen Kollektionen bereits die lückenlose Rückverfolgung der eingesetzten Wolle bis hin zur Farm. Auch habe Hugo Boss kürzlich einen veganen Anzug entwickelt, der von der Tierschutzorganisation PETA zertifiziert wurde.
Wie sieht die Zukunft der Mode aus?
Bleibt die Frage, ob der Wandel des Kleidungsstils von Dauer ist. Trendforscher sind sich sicher, dass die künftige Entwicklung der Mode vor allem von zwei Faktoren abhängen wird: Der Entwicklung der Pandemie und der künftigen Form des Arbeitens. Behält das Home Office auch langfristig seinen Stellenwert, so könnten Krawatte, Anzug und Kostüm bald gänzlich Mode der Vergangenheit sein.