Gefahr von Marktmanipulation Mehr Börsenbetrug durch Social Media und KI?
Dubiose Finanztipps oder manipulierte Bilder, die Kurse einbrechen lassen: Soziale Medien und KI eröffnen neue Möglichkeiten, Märkte zu beeinflussen. Macht es das für Börsenbetrüger einfacher?
Ein auf Twitter geteiltes Bild sorgte im Mai 2023 kurzzeitig für Panik an der Börse. Darauf zu sehen: eine Explosion vor dem Pentagon. Minuten nach der Veröffentlichung sackt der gewichtige Aktienindex S&P500 um 30 Punkte ab - was einer Marktkapitalisierung von ungefähr 500 Milliarden Dollar entspricht.
Doch genau so schnell wie der Kurs fiel, erholte er sich wieder. Denn die Explosion vor dem Pentagon hat es nie gegeben. Das Bild wurde von Unbekannten mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) erstellt und auf den Sozialen Medien weit verbreitet. Laut dem Finanznachrichtendienst Bloomberg konnte damit erstmals ein KI-generiertes Bild einen großen Aktienindex beeinflussen.
Das Beispiel lässt darauf schließen, dass Soziale Medien und KI auch von Finanzbetrügern genutzt werden können. Sie bieten neue Möglichkeiten, um mit irreführenden oder falschen Nachrichten auf Aktienkurse einzuwirken. So schoss unlängst der Bitcoin-Kurs kurzfristig in die Höhe, weil eine Falschmeldung auf dem offiziellen X-Account der US-Börsenaufsicht gepostet wurde. Hacker hatten den Account zuvor gekapert.
Mehr Möglichkeiten des Betrugs?
Börsenmanipulationen durch Soziale Medien und KI seien eine wachsende Gefahr für die Finanzmärkte, sagt auch der E-Finanz-Experte Benjamin Clapham von der Goethe Universität Frankfurt: "Dass Fake News Märkte bewegen, ist nichts Neues, aber Betrüger haben jetzt neue Möglichkeiten, um Kurse illegal zu ihren Gunsten zu beeinflussen."
Von Marktmanipulationen im Sinne des EU-Rechts spricht man, wenn Betrüger mit falschen oder irreführenden Informationen bewusst auf Wertpapierkurse einwirken. Der Einfluss auf die Kurse kann aber auch illegal sein, wenn die Informationen nicht falsch sind.
Beim sogenannten "Scalping" machen Betrüger Werbung für Finanzprodukte, ohne Interessenkonflikte offenzulegen. Sie geben beispielsweise nicht an, dass sie selbst in ein Finanzprodukt investiert haben. Um eine Marktmanipulation festzustellen, müssen Finanzbehörden aber in jedem Fall nachweisen, dass es tatsächlich einen Einfluss auf die Kurse gegeben hat.
Teurer Instagram-Post von Kim Kardashian
Wie problematisch Werbung für Finanzprodukte auf Social Media sein kann, zeigte 2022 der Fall von Kim Kardashian. Der TV-Star mit über 350 Millionen Followern bewarb auf Instagram eine dubiose Kryptowährung - ohne darauf hinzuweisen, dass sie von dem Krypto-Anbieter bezahlt wurde. Die amerikanische Börsenaufsicht (SEC) verpflichtet sie daraufhin zu einer Strafe von 1,3 Millionen Dollar.
Tesla-Chef Elon Musk wurde 2018 Marktmanipulation über den Kurznachrichtendienst Twitter vorgeworfen, nachdem er behauptet hatte, die Finanzierung für den Rückkauf aller Tesla Aktien sei gesichert. Später wurde bekannt, dass es dafür nie endgültige Zusagen gab. Auch in diesem Fall verhängte die SEC eine Millionenstrafe.
Markt lässt sich einfacher beeinflussen
Die Manipulation von Wertpapierkursen sei so alt wie die Börse selbst, sagt Experte Clapham. "Aber neu ist, dass sie eben durch Social Media viel einfacher, viel günstiger geworden ist und auch einer viel breiteren Gruppe zur Verfügung steht." Früher sei die Verbreitung von Falschmeldungen teuer und aufwendig gewesen - zum Beispiel über das Telefon oder durch Börsenbriefe.
Mit Social Media sind die Kosten, Informationen in den Markt zu tragen, stark gesunken. Auch die Entwicklungen bei KI-Systemen habe Auswirkungen, sagt Clapham: "KI und Deep Fakes machen die Manipulation eben noch einfacher, weil ich realistische Texte und Bilder automatisiert erstellen kann."
Gesunde Skepsis als Empfehlung
"Die Handelsplätze haben die Risiken von KI und Sozialen Medien längst erkannt", erklärt Stefan Nann, Chef der Datenanalysefirma stockpulse. Das Bonner Softwareunternehmen wird unter anderem von der Deutschen Börse und der Nasdaq aus den USA beauftragt, die Sozialen Medien zu durchforsten und Auffälligkeiten an die Handelsüberwachung zu melden. Mit Hilfe von KI sucht stockpulse systematisch nach Diskussionen zu Finanzthemen und Wertpapieren und kann so beispielsweise auffällig hohe Nachrichtenaufkommen erkennen.
Andreas Mitschke, Leiter der Handelsüberwachungsstelle der Frankfurter Wertpapierbörse, sagt, das Phänomen Marktmanipulation wirke durch die hohe mediale Aufmerksamkeit oft größer als es eigentlich sei: "Wenn wir die Anzahl Verdachtsmomente zu Marktmanipulation am gesamten Wertpapier-Handelsvolumen an unseren Märkten messen, ist das Phänomen Marktmanipulation vergleichsweise sehr gering."
Das hat sich auch durch die Sozialen Medien nicht geändert, denn die Gesamtzahl der Marktmanipulationen blieb trotz der neuen Betrugsmöglichkeiten relativ konstant. "Klar ist aber auch: Informationsgestützte manipulative Aktivitäten haben sich schwerpunktmäßig von den vormals eher als telefonische Ansprachen oder Börsenbriefe ausgestaltete Kommunikationskanäle auf Social Media verlagert", so Mitschke. Eine gesunde Skepsis gegenüber Handelsempfehlung auf Social Media sei deswegen stark zum empfehlen.