Bundesbank für kräftiges Tarifplus Mit höheren Löhnen gegen die Deflation
Dass die Bundesbank sich zum Thema Lohnentwicklung äußert, ist nicht neu. Neu ist aber sehr wohl der Tenor: Sie wirbt für höhere Tarifabschlüsse. Ein Kurswechsel sei das aber keinesfalls, erklärten die Währungshüter. Ihnen gehe es nur um einen stabilen Euro.
Manch einer mag sich verwundert die Augen reiben: Die Bundesbank, jahrelang strenger Mahner für moderate Lohnabschlüsse, ermutigt die Gewerkschaften, bei den Tarifverhandlungen in die Vollen zu gehen. Jahrelang hätten die Tarifparteien "sehr verantwortungsbewusst Lohnzurückhaltung" geübt, sagte Bundesbank-Chefvolkswirt Jens Ulbrich dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Die Lohnentwicklung in Deutschland sei "vor dem Hintergrund der guten konjunkturellen Lage, der niedrigen Arbeitslosigkeit und der günstigen Perspektiven durchaus moderat".
Trotz aller bisher gegenteiligen Aussagen nennt er die Linie der Bundesbank aber "symmetrisch und konsistent" - und ausschließlich orientiert an der Aufgabe der Bundesbank, für Geldwertstabilität zu sorgen.
Deflations- statt Inflationsängste
Die vorsichtigen Aussagen Ulbrichs bedeuten übersetzt: Bei den Tarifabschlüssen ist noch Luft nach oben, und die sollte genutzt werden. Hintergrund des Sinneswandels ist offenbar die geänderte Situation: Bisher warnte die Bundesbank, zu hohe Abschlüsse würden die Inflationsrate nach oben treiben. Doch die Geldwertstabilität ist momentan genau aus der Gegenrichtung bedroht. Seit Monaten sind die Inflationsraten in Europa extrem niedrig, so dass Ökonomen die Gefahr einer Deflation sehen: Also einer Abwärtsspirale aus sinkenden Preisen, sinkendem Konsum, sinkenden Löhnen und sinkendem Sozialprodukt.
Dieser Gefahr sollen nun höhere Löhne entgegenwirken - insofern argumentiert die Bundesbank nun, sie komme auch mit dieser Empfehlung ihrer Aufgabe nach.
Gesamtmetall: Äußerungen "nicht hilfreich"
Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall nannte die Äußerungen "nicht hilfreich", weil viele Unternehmen mit Sorgen auf die steigenden Arbeitskosten blickten. Weitere hohe Steigerungen würden sich negativ auf die weltweite Wettbewerbsfähigkeit auswirken, sagte ein Sprecher des Verbandes.
Die Tarifgehälter in Deutschland steigen 2014 so stark wie noch nie in diesem Jahrtausend. Nach den Abschlüssen im ersten Halbjahr hatte das WSI-Tarifarchiv der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung vor kurzem eine durchschnittliche Tarifsteigerung von 3,1 Prozent errechnet. Dieser Wert liegt über den Vorjahren und auch deutlich oberhalb der erwarteten Inflationsrate, weshalb hohe Reallohnsteigerungen anstehen.