Geplante Intel-Fabrik Magdeburg Ungeduldiges Warten auf den Baustart
Am geplanten Standort der neuen Chipfabrik von Intel in Sachsen-Anhalt finden bislang nur archäologische Grabungen statt. 2024 soll es mit dem Bau losgehen. Bei Politik und Wirtschaft im Osten wächst die Ungeduld.
Die Spekulationen über den Baustart der Ansiedlung des US-Chipkonzerns Intel in Magdeburg sorgten zum Ende des vergangenen Jahres für einige Aufregung: Manche Medien vermeldeten sogar, dass das gesamte Projekt wackele. Auf dem Weltwirtschaftsforum diesen Monat in Davos teilte dann Intel-Vorstand Keyvan Esfarjani mit, Intel werde mit seinen Bauarbeiten voraussichtlich 2024 starten.
Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze zeigte sich erfreut, dass Intel-Chef Pat Gelsinger an Magdeburg festhalte. Der Zeitplan verschaffe allen Beteiligten vor Ort Zeit für die noch anstehenden Aufgaben. Trotzdem wächst die Ungeduld bei den Kommunen, der Landesregierung und den Wirtschaftsverbänden in Sachsen-Anhalt. Selbst der Oppositionspolitiker Wulf Gallert von der Linken im Magdeburger Landtag sagt: "Es brauche jetzt eine schnelle Entscheidung aus Brüssel für den Standort Magdeburg, denn wer zu spät kommt, den bestraft das Leben."
EU "hungrig nach starker Halbleiterindustrie"
Bis Intel loslegen kann, sind noch einige Hürden zu überwinden: So müssen die Fördergelder in Höhe von 6,8 Milliarden Euro fließen, die nur aus Brüssel freigegeben werden können. Das passiert erst nach Abschluss des sogenannten Notifizierungsverfahrens, in dem Vertreter der EU-Kommission, der Bundesrepublik und Intel beraten. Das gesamte Förderprogramm für den Aufbau einer europäischen Halbleiterindustrie regelt der sogenannte "EU Chips Act". Für dieses Gesetz stimmte in dieser Woche der Industrieausschuss des EU-Parlaments mit großer Mehrheit. Nun folgen weitere Abstimmungen im Parlament, im Europäischen Rat und in der EU-Kommission.
Bis zum Sommer soll der "Chips Act" beschlossen sein, so hofft es der Europaabgeordnete Bart Groothuis, der im Industrieausschuss für das Gesetz gestimmt hat. Man setze alles daran, um Intel und andere Investoren nach Europa zu holen. "Wenn man hungrig ist, dann ist man auch bereit mehr Geld auf den Tisch zu legen. Und Europa ist hungrig nach einer starken Halbleiterindustrie", so Groothuis.
Während in Brüssel über Milliardenpakete abgestimmt wird, graben auf dem geplanten Bauplatz für die Intel-Fabrik bei Magdeburg die Archäologen. Erst wenn der Acker von den Fachleuten geprüft wurde, darf der offizielle Spatenstich folgen.
Stadt will Beschäftigte unterstützen
In Magdeburg arbeiten die Verantwortlichen indes auf Hochtouren, um Fachkräfte anzulocken. Wirtschaftsdezernentin Sandra Yvonne Stieger (CDU) plant mit ihrem Team englischsprachige Kitas. Außerdem soll es Schulen geben, die ihren Schülern internationale Abschlüsse ermöglichen sollen. Die ersten Intel-Mitarbeitenden sind bereits in der Stadt und werden bei Wohnungs- und Schulsuche von der Stadt unterstützt.
Deutschland spielt in der Halbleiterstrategie der EU die wichtigste Rolle. Wo vor 30 Jahren in vielen Betrieben die Lichter ausgingen, sollen heute industrielle Leuchttürme entstehen - in Ostdeutschland. Robert Hermann, Geschäftsführer der Außenwirtschafts-Agentur Germany Trade & Invest (GTAI), die Investoren für Deutschland gewinnen will, registriert einen ungebrochenen Trend zu Großinvestitionen. Die zunehmenden globalen Risiken haben zu verstärkten Anstrengungen geführt, Schlüsselindustrien nach Deutschland zurückzuholen beziehungsweise hier anzusiedeln.
Intel als "Ankerinvestor"
Die ostdeutschen Bundesländer locken dabei mit großen Industrieflächen, regenerativen Energien und Fördermitteln, die in strukturschwachen Regionen deutlich höher ausfallen. Jürgen Ude, Staatssekretär in Sachsen-Anhalts Staatskanzlei, sieht in Intel einen "Ankerinvestor", der viele weitere Unternehmen in die ostdeutschen Regionen bringen könnte. Davon soll nicht nur der Großraum Magdeburg profitieren. In Berlin, Brandenburg, Thüringen und Sachsen gibt es bereits viele kleine und mittelständische Unternehmen im Halbleiterbereich, die regional präsent und global aktiv sind. Sie könnten von Investoren wie Intel und dem "EU Chips Act" profitieren, der bewusst auch kleine Firmen fördert.
Hans Richter, Vorsitzender der Gesellschaft zur Förderung von Wissenschaft und Wirtschaft aus Frankfurt an der Oder (GFWW), sieht gerade in diesen Unternehmen Zukunftspotentiale für ein ostdeutsches Netzwerk in der Halbleiterindustrie, das es bisher nur mit dem "Silicon Saxony" in Dresden gibt. Neben den Großen wie Intel, Infineon und GlobalFoundries hätten auch kleinere Unternehmen eine Chance zu wachsen, weil ihre Dienstleistungen auf einmal vor Ort gefragt sind.
Chancen für Mittelständler
Bereits in den vergangenen Jahren haben sich in Ostdeutschland Firmen angesiedelt, die auf die sogenannte Verbindungstechnik spezialisiert sind. Sie sorgen unter anderem dafür, dass die Chips, die auf den Waferscheiben sitzen, in elektronische Systeme eingebunden werden. Dieses Verfahren nennt man "Packaging". In Berlin, Nauen, Mühlhausen oder Mitweida werden Mikroprozessoren schon jetzt von mittelständischen Unternehmen verpackt, verbaut und veredelt.
Dazu kommt die Autoindustrie, die im Umbruch ist. In Niedersachsen, Brandenburg oder Sachsen sollen immer mehr E-Autos gebaut werden. Auch hierfür werden Halbleiter gebraucht, egal ob bei Tesla, Volkswagen oder BMW.
Geht es nach Staatssekretär Ude aus Magdeburg, sollen neben der Produktion auch Forschung und Entwicklung im Osten ausgebaut werden. Kooperationen der Universitäten Magdeburg, Berlin, Dresden, Ilmenau könnten dazu beitragen, dass Deutschland ein weltweit anerkannter Halbleiter-Forschungsstandort wird. An der Otto-von-Guericke Universität in Magdeburg etwa soll es bald neue Studiengänge und eine duale Berufsausbildung geben - zur Mikrotechnologin im Reinraum der Universität.