Breite Zustimmung für erweiterten EFSF Koalition schafft Kanzlermehrheit
Union und FDP haben bei der Abstimmung über die Ausweitung des Euro-Rettungsschirmes EFSF im Bundestag die politisch wichtige Kanzlermehrheit erreicht. Die Koalition kam auf 315 Ja-Stimmen, es gab 15 Abweichler. Insgesamt hatten 523 Abgeordnete für eine Erhöhung der deutschen Garantien an dem Schirm auf 211 Milliarden Euro gestimmt.
Union und FDP haben der Aufstockung des Euro-Rettungsschirms mit der erhofften Kanzlermehrheit zugestimmt: 315 Abgeordnete der Regierungskoalition stimmten für den Rettungsfonds - vier mehr, als für die Kanzlermehrheit benötigt. Es gab 15 Abweichler: In der Union stimmten zehn Abgeordnete mit Nein, einer enthielt sich. Bei der FDP votierten drei Abgeordnete gegen das Gesetz, es gab ebenfalls eine Enthaltung. Ein Nicht-Erreichen der Kanzlermehrheit wäre als starker Vertrauensverlust für Kanzlerin Angela Merkel gedeutet worden.
Insgesamt stimmten 523 Abgeordnete für die Stärkung des Schirms. 85 Parlamentarier waren dagegen, drei enthielten sich.
Hitzige Debatte vor Abstimmung
Der Abstimmung war eine hitzige Debatte über eine Erhöhung der deutschen Garantien für den Euro-Rettungsschirm vorausgegangen. Unionsfraktionschef Volker Kauder bezeichnete die Entscheidung über den erweiterten EFSF als Paradigmenwechsel in der Europa-Politik. "Von einem Europa der nationalen Regierungen sind wir auf dem Weg zu einem Europa der Parlamente", sagte der CDU-Politiker zum Auftakt der Sitzung. Der Bundestag habe künftig bei Entscheidungen über Nothilfen eine so starke Stellung wie nie zuvor, lobte Kauder. "Heute fällen wir eine wichtige Entscheidung für die Zukunft unseres Landes und für die Zukunft Europas", sagte er.
Kauder rechtfertigte die geplante Ausweitung des Rettungsschirms. Es liege im nationalen Interesse Deutschlands, den betroffenen Staaten zu helfen, sagte der Fraktionschef. Es werde auch dafür gesorgt, dass Kontrolle und Überprüfungen schärfer werden.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble warb ebenfalls um Zustimmung für den Rettungsschirm. "Wir sind in einer außergewöhnlich schwierigen Lage, weil die Nervosität an den Finanzmärkten groß ist", sagte Schäuble im Bundestag. Sie drohe auf die Realwirtschaft überzugreifen. "Und deshalb ist es klug, dass wir unserer Verantwortung in großem Ernst wahrnehmen", sagte er. Schäuble begrüßte zudem den Vorschlag der EU-Kommission für die Einführung einer Fianztransaktionssteuer. Die Bundesregierung werde alles daran setzen, "dass die Initiative so schnell wie möglich zu einem Erfolg gebracht wird".
"Menschen mit finanztechnischen Begriffen überflutet"
Der frühere SPD-Finanzminister Peer Steinbrück sagte in der Debatte, seine Partei unterstütze den Rettungsschirm. Bei den jetzt verhandelten Hilfen handele es sich um "notwendige Schritte" für eine Stabilisierung des Euro, "hinreichend sind sie nicht", sagte er. Er räumte Fehler aller Parteien beim Erklären der Bedeutung Europas für alle Bürger ein. "Dieses Europa ist die Antwort auf 1945", sagte Steinbrück. "Wir haben die Menschen überflutet mit finanztechnischen Begriffen", kritisierte er. Auch Kanzlerin Angela Merkel habe der Bevölkerung nicht ausreichend die großen Zusammenhänge des Projekts Europa vermittelt. Merkels Strategie des "Zeit-Kaufens" in der Schuldenkrise mit immer neuen Hilfepaketen sei gescheitert. "Ihnen und Ihrer Regierung fehlt die wichtigste politische Qualität in Zeiten der Gefahr - Vertrauen", warf Steinbrück der Kanzlerin vor.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle warb um Zustimmung für die Erweiterung des Euro-Rettungsschirms. Man müsse die Wirtschaftskraft Europas schützen und stärken. "Wenn das Geld schlecht wird, wird alles schlecht", sagte Brüderle unter Verweis auf die deutsche Geschichte. Scharf attackierte er SPD und Grüne für deren frühere Europa-Politik. "Ihre Aufnahme von Griechenland" in die Währungsunion, "ihre Fehlentscheidungen" und "ihre Brechung des Stabilitätspakts" seien die Ursache der heutigen Probleme in Europa, rief Brüderle Grünen und Sozialdemokraten im Bundestag zu.
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt äußerte sich ähnlich. Rot-Grün habe in seiner Regierungszeit die Euro-Stabilitätskriterien aufgeweicht, was wiederum zu den derzeitigen Problemen einzelner Euro-Staaten geführt habe, sagte sie.
Der Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Jürgen Trittin, befürwortete das künftig stärkere Mitspracherecht des Parlaments bei der Vergabe von Euro-Hilfen. Dass die Aufgabe, diese Entscheidungen zu treffen, "nicht mehr einer getriebenen Regierung überlassen" werde, sei ein "Gewinn an demokratischer Souveränität" so Trittin in der Debatte. Er sagte, Deutschland sei internatonal noch nie so isoliert gewesen wie derzeit und warf der Regierung vor: "Ihr Zick-Zack-Kurs hat die Krise verschlimmert, verlängert und verteuert." Jetzt gehe es darum, Instrumente zu entwickeln, künftig schon im Vorfeld eine Krise verhindern zu können.
Gysi kritisierte "Geheimausschuss" bei Entscheidungen
Linksfraktionschef Gysi kritisierte hingegen die künftige Parlamentsbeteiligung am Rettungsschirm EFSF. Er halte es für einen Skandal, dass "schon wieder ein Geheimausschuss gebildet werden soll", der über die Auszahlung von Tranchen entscheide. Gysi spielte damit auf den Sonderausschuss an, der in eiligen Fällen Entscheidungen zum EFSF-Schirm treffen soll. Zudem forderte er, dass Merkel den Steuerzahlern versichern müsse, dass sie nicht für die Folgen der Krise zahlen müssten. Das Vermögen der Reichen in Deutschland liege mit drei Billionen Euro um eine Billion Euro über den Staatsschulden und würde nicht zur Beseitigung der Schuldenkrise herangezogen, kritisierte Gysi.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch, erklärter Gegner eines erweiterten Euro-Rettungsschirms, hat vor dauerhaften Schäden für Europa gewarnt. Denn immer mehr Bürger würden sich von der Europäischen Union abwenden, wenn wie geplant immer mehr Geld verbraucht werde, sagte Willsch im Bundestag. "Wir leihen das Geld von unseren Kindern und Enkeln - wir haben es nicht", sagte er. "Ich halte es für einen ökonomisch grundfalschen Weg, der gegen meine Überzeugungen geht." Statt der Staaten sollten die Gläubiger ihren Teil tragen - erst in einem weiteren Schritt müsse notfalls systemrelevanten Banken geholfen werden.
Maßstab für größtmögliche Unterstützung des Parlaments
Der EFSF soll künftig 440 Milliarden Euro effektiv zur Verfügung haben, um überschuldeten Euro-Ländern unter die Arme zu greifen. Bisher sind es etwa 240 Milliarden Euro. Die Bundes-Gewährleistungen steigen dementsprechend um 88 Milliarden Euro auf 211 Milliarden Euro.