Merkel sagt Regierungserklärung ab EU-Gipfel kann keinen Kredithebel beschließen
Kanzlerin Merkel hat ihre Regierungserklärung vor dem EU-Gipfel abgesagt. Denn im Streit über einen Kredithebel für den Rettungsschirm ist keine Einigung in Sicht. Der EU-Gipfel muss das Thema wohl ausklammern - auch weil Merkel sich kaum noch rechtzeitig parlamentarische Rückendeckung holen kann.
Schon im Vorfeld des für Sonntag geplanten EU-Gipfels zur Schuldenkrise zeichnet sich ein Scheitern der Verhandlungen um eine Stärkung des Euro-Rettungsschirms EFSF ab. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich beim gestrigen Treffen mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy offenbar in dieser Frage nicht einigen konnte, sagte ihre für morgen geplante Regierungserklärung zum EU-Gipfel ab.
Voraussichtlich wird sie angesichts der bislang ungelösten Fragen ohne die notwendige parlamentarische Zustimmung zu den Reformplänen nach Brüssel reisen müssen. Das hätte zur Folge, dass Merkel diesbezüglich keine endgültigen Entscheidungen in den Verhandlungen treffen könnte. Über die Frage, wie die Mittel des Rettungsschirms am wirkungsvollsten genutzt werden können, müsste dann ein späterer Gipfel entscheiden. Dieser könnte schon kommende Woche folgen, wie aus Koalitionskreisen verlautete. Die Europäische Arbeitsgruppe der Staatssekretäre soll angesichts der ungelösten Probleme am Abend in Brüssel zusammenkommen, um den EU-Gipfel vorzubereiten. Von morgen an ist ein zweitägiges Treffen der Finanzminister geplant.
Ungelöster Streit über Kredithebel
Im Mittelpunkt des Streits steht die Frage eines sogenannten Kredithebels. Dieser soll dazu dienen, die vorhandenen Mittel des EFSF zur Unterstützung hoch verschuldeter Euro-Staaten zu vervielfachen. In welcher Form das geschehen soll, ist allerdings vor allem zwischen Deutschland und Frankreich umstritten.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble räumte ein, dass es innerhalb der Eurozone noch keine gemeinsame Haltung in der Frage gebe, wie die Mittel des EFSF gehebelt werden sollen. Er lehnte den französischen Vorschlag kategorisch ab, wonach der EFSF eine Banklizenz erhalten soll. Damit könnte der Rettungsschirm Staatsanleihen von Schuldenstaaten aufkaufen, diese bei der Europäischen Zentralbank als Sicherheit hinterlegen und im Gegenzug weitere Kredite von der Notenbank erhalten. "Das steht nicht zur Diskussion", sagte Schäuble. Eine Hebelung der EFSF-Mittel über eine Form von Versicherung beim Kauf von Staatsanleihen durch Investoren sei dagegen ein gangbarer Weg.
Opposition drängt auf Mitsprache des Bundestages
Aufgrund dieses ungelösten Problems enthält der Entwurf für die neuen EFSF-Leitlinien auch noch keine Festlegung auf einen Kredithebel. Die vom Bundesfinanzministerium an Bundestagsabgeordnete verschickte Fassung der Leitlinien stieß vor diesem Hintergrund auf scharfe Kritik. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin forderte, die Bundesregierung müsse die Regelung zur geplanten Hebelwirkung umgehend dem Bundestag vorlegen. Dieser müsse im Plenum - und nicht nur im Haushaltsausschuss - über die Regelungen entscheiden. Falls dies bis zum Wochenende nicht geschehe, dürfe Merkel auf dem EU-Gipfel keinerlei Zusagen zum Kredithebel machen.
Die Koalitionsfraktionen gehen davon aus, dass die Kanzlerin nur die Zustimmung des Haushaltsausschusses für einen Kredithebel benötige. Denn die Höhe der deutschen Garantien ändere sich dadurch nicht und damit sei auch keine Entscheidung des Bundestagsplenums notwendig. Die Opposition sieht das anders. Diese Frage berühre die "Gesamtverantwortung des Bundestags", erklärte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Schäuble erklärte lediglich, die Bundesregierung respektiere das Zustimmungsrecht des Bundestages.