Kohlekraftwerk Deuben 85 Jahre alter Meiler geht vom Netz
In Deuben, Sachsen-Anhalt, steht das wohl älteste aktive Braunkohlekraftwerk Deutschlands. 1936 erbaut, lieferte es 85 Jahre lang Strom, Briketts, Wärme und Kohlestaub. Jetzt ist es vom Netz gegangen.
Wie immer schiebt eine Elektrolok etwa zehn Waggons im Schritttempo in eine lange Halle hinein. Nach einem Zeichen des Rangiers kommt der Transport zum Stehen. Direkt unter den Schienen wartet schon der Kohlebunker auf das "Futter" für die Kraftwerksöfen. Die Seitenwände werden per Hand entriegelt, und der Brennstoff fällt, von einer gehörigen Staubwolke begleitet, in die Tiefe. All das passiert heute zum letzten Mal. Das Braunkohlekraftwerk geht vom Netz.
"Für mich ist es ein sehr emotionaler Moment, weil ich bin ja hier im Prinzip aufgewachsen", beschreibt Steiger Matthias Schubert diesen finalen Lieferakt, den er mit einer Handvoll Kumpel aufmerksam verfolgt. "Ich habe hier meine Kindheit verbracht, bin hier zur Schule gegangen, habe hier gelernt im Betrieb und habe mein gesamtes Arbeitsleben hier vollbracht."
Braunkohlekraftwerk nicht mehr zeitgemäß
Immerhin kommen bei Schubert 43 Berufsjahre zusammen. Als er in diesem Betrieb zur Lehre ging, stiegen noch sehr dunkle Wolken aus den Schornsteinen und legten verlässlich einen unheilvollen Schadstoffteppich auf die Umwelt - mit Schwefel, Stickoxiden und Quecksilber. Das sollte sich zwar nach der Wende erheblich ändern, doch Schubert sieht ein, dass die Technik inzwischen einfach überholt ist: "Es ist aber leider so, dass die Anlage den jetzigen Anforderungen einfach nicht mehr gewachsen war. Wir konnten da nicht mehr standhalten. Uns ging, wie man so sagt, förmlich die Luft aus."
Braunkohlekraftwerke gelten als Klimakiller, besonders solche älteren Anlagen wie die in Deuben. Bereits 2015 schlugen deshalb Greenpeace-Aktivisten Alarm und besetzten den Schornstein des Kraftwerks. Inzwischen ist der Ausstieg aus der Kohleverstromung beschlossene Sache. Das Kraftwerk von Deuben gehört zu den ersten, das seine Turbinen stoppt.
Zu Hochzeiten waren hier einmal 2000 Mitarbeiter beschäftigt. Doch nach und nach trocknete der Standort aus. Erst zog die Lehrlingswerkstatt um, dann machte die Brikettfabrik dicht, und im letzten Monat schloss die Kohlestaubproduktion. Und nun endet auch für die 135 Kraftwerksmitarbeiter die letzte Schicht.
Neue Jobs oder Vorruhestand für die Kumpel
"Gut die Hälfte geht ja in verdiente Altersruhe", weiß Fachtechniker Markus Böhme. "Das ABG und der Rest wird ordentlich umgesetzt. Und die freuen sich auch auf ihre neuen Aufgaben." Der 39-Jährige bleibt im Unternehmen: "Ich gehe nach Profen in die Arbeitsvorbereitung, Hilfsgeräte unter anderem. Ich bleibe aber meinem Beruf treu."
Der 59-jährige Steiger Schubert aber nutzt die Chance einer Vorruhestandsregelung. Für ihn - wie auch für weitere 450 Kumpel - endet mit dem Ausblasen des Ofenfeuers die Zeit bei der Mitteldeutschen Braunkohlegesellschaft MIBRAG. Möglich wurde dies durch ein Förderprogramm der Bundesnetzagentur. Und obwohl mit Blick auf die CO2-Bilanz sicher nicht nur Klimaaktivisten dem Kraftwerk kaum eine Träne nachweinen, sieht es bei den Kumpel vor Ort schon anders aus, räumt Schubert ein: "Mit Sicherheit, das will man immer nicht so zeigen, aber das wird wohl so sein."
Noch gibt es keine genauen Pläne für den Industriestandort Deuben, aber die MIBRAG entwickle neue Geschäftsfelder wie Recycling, Erneuerbare Energien und auch rund um die Wasserstoff, heißt es aus der Vorstandsetage. Gut möglich, dass in ein paar Jahren dann in Deuben wieder die Lichter angehen werden - dann aber wohl von grünem Strom gespeist.