Modellprojekt gegen Netzschwankungen Alte Autobatterien als Energiespeicher
Batterien ausrangierter E-Autos sind oft noch lang nicht ausgepowert. In einem Pilotprojekt werden sie eingesetzt, Strom aus Erneuerbaren Energien zu speichern und Netzschwankungen auszugleichen.
Es ist ein Pilotprojekt der EnBW und des Automobilherstellers Audi: Alte E-Auto-Batterien bekommen auf dem Kraftwerksgelände der EnBW in Heilbronn ihr second life, wie Fachleute sagen - ihr "zweites Leben": Viele Batterien sind mit ihrer Leistung noch lange nicht am Ende, wenn es für den Weiterbetrieb in Autos nicht mehr reicht.
Statt sie direkt zu recyclen, kann ihre Restkapazität oft sinnvoller genutzt werden. Manche Batterien überleben sogar die Autos, wenn diese als Totalschaden nach einem Unfall verschrottet werden müssen, oder erst recht, wenn sie - wie beim Pilotprojekt in Heilbronn - nur vergleichsweise kurze Zeit in Versuchsfahrzeugen eingesetzt wurden.
Eine Stunde Strom für 3000 Haushalte
In dem weißen Container auf dem Heilbronner Kraftwerksgelände sind die alten Batterien gestapelt und mit Steckern zusammengeschlossen - sechs der sperrigen Teile übereinander, insgesamt zwölf Stück. Dann ist der Container voll. "Das Besondere an diesem Aufbau ist, dass wir die Batterie, so wie sie aus dem Auto kommt, direkt hier reinschieben", erklärt Alexander Kupfer, Projektleiter "Second Life" bei der Audi AG.
Zusammengesteckt liefern die zwölf Batterien ein Megawatt Energie. "Wenn man das mal umrechnet auf den Haushaltsverbrauch, entspräche das ungefähr 3000 Haushalten, die eine Stunde mit Energie versorgt werden", sagt Daniel Bahro, Leiter "Second Use" bei der EnBW.
Das Ziel sei es, mit den Altbatterie-Containern Schwankungen im Stromnetz auszugleichen - etwa, indem man sie neben Photovoltaikanlagen aufstellt. Wenn die Sonne scheint und es einen Stromüberschuss gibt, könnten die Hochvolt-Batterien die überschüssige Energie speichern und an sonnenarmen Tagen das Netz damit versorgen. Gleiches gilt für Windkraftanlagen an windstarken beziehungsweise -schwachen Tagen.
Weitere Projekte geplant
Denn bislang gibt es im deutschen Stromnetz starke Schwankungen - durch die Wetterabhängigkeit Erneuerbarer Energien, durch erhöhten Verbrauch an manchen Tagen oder durch Engpässe im Stromnetz. So hat der Netzbetreiber TransnetBW die Verbraucher in Baden-Württemberg in den vergangenen Monaten immer wieder dazu aufgerufen, Strom zu sparen, wenn im Norden zwar viel Energie durch Windkraft produziert werden, der Strom durch das marode deutsche Netz aber nicht ausreichend in den Süden transportiert werden konnte.
Die Stromspeicher könnten Abhilfe schaffen. Die Projektbetreiber in Heilbronn denken deshalb auch schon in größeren Maßstäben. "Wenn wir 1000 von diesen Containern haben, reicht das aus, um in ganz Deutschland die Frequenz stabil zu halten", sagt Audi-Projektleiter Kupfer. Das Potenzial sei "gigantisch" - bei 120.000 Elektrofahrzeugen, die allein in diesem Jahr bei Audi produziert würden.
Kooperationspartner EnBW plant deshalb in absehbarer Zeit noch drei weitere Projekte. Auch andere Autobauer haben das Potential des second life von Batterien erkannt: Mercedes Benz betreibt etwa in Hannover eine Anlage mit ausrangierten Akkus aus der hauseigenen Carsharing-Flotte. Mit 17,4 Megawattstunden Speicherkapazität ist dieser Batteriespeicher sogar einer der größten in Europa.
Auch zu Hause könnten Batteriespeicher helfen
Experten begrüßen die Bestrebungen, ausgedienten E-Auto-Batterien ein möglichst langes zweites Leben zu ermöglichen. "Grundsätzlich kann man sagen, es ist ökologisch immer sinnvoller, Dinge so lange wie möglich zu nutzen. Das ist auch bei Batterien so", sagt Jürgen Sutter, der am Öko-Institut in Darmstadt im Bereich Ressourcen & Mobilität forscht.
Bislang sei das Verfahren aber vor allem in der Industrie zu beobachten. Privatverbraucher seien noch eher zurückhaltend - vor allem, weil im Privatbereich Haftungsfragen noch nicht geklärt seien; etwa, wenn ein alter Akku Feuer fängt. Prinzipiell sei aber vorstellbar, dass jeder zu Hause eine Hochvolt-Batterie als Energiespeicher nutzen könnte, etwa angeschlossen an die Photovoltaikanlage auf dem Dach.
Zweites Leben länger als das erste
Auch Sutter schätzt das Potenzial der Technik als groß ein. "Im vergangenen Jahr wurden alleine in Deutschland 470.000 Elektrofahrzeuge zugelassen", sagt er. Und die Nachfrage werde weiter steigen. Auch andere Anwendungsbereiche, etwa in der Notstromversorgung von Krankenhäusern, seien denkbar.
Das second life der ausgedienten Auto-Batterien könnte sogar länger dauern als das erste Leben: Da die Hochvolt-Batterien als Stromspeicher bei deutlich niedrigerer und gleichmäßigerer Belastung genutzt werden, nutzen sie sich deutlich langsamer ab als im Auto. Bis zu zehn Jahre könnten die Batterien in der Anlage danach noch weiterleben, schätzen die Experten. Erst danach sollen sie endgültig recycelt werden. Dann erst hätten sie ihr enormes Potenzial erschöpft.