Stromausfall im Berliner Stadtteil Köpenick
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Gefahr von Blackouts Was alles am Strom hängt

Stand: 13.10.2022 08:23 Uhr

Sollte es im Winter zu großflächigen Stromausfällen kommen, wäre der Schaden enorm. Ohne Strom fließt kein Wasser, Supermärkte und Tankstellen müssten schließen. Ist Deutschland dafür gewappnet?  

Es dauert nur ein paar Augenblicke, dann liegen überall auf dem grauen Asphalt verteilt weiße und gelbe Schläuche - und die provisorische Notstromversorgung steht. Die Freiwillige Feuerwehr probt in Balingen in Baden-Württemberg den Katastropheneinsatz. Die Handgriffe sind geübt. Wenn es im Winter aber zu größeren und langen Stromausfällen kommen sollte, die Tage oder gar Wochen andauern, kämen die freiwilligen Helfer an ihre Grenzen.

"Oftmals haben die Leute die Erwartung, dass der Katastrophenschutz im Falle eines Stromausfalls jedem sofort helfen kann. Das ist sicher nicht der Fall", sagt der Vizepräsident des Landesfeuerwehrverbandes, Stefan Hermann. Sollte der Strom im Winter ausfallen, könnte die Feuerwehr gerade mal sich selbst versorgen - nicht aber die Gemeinde um sie herum.  

Blackout New York am 14. August 2003

New York am 14. August 2003: Im Nordosten der USA fällt stundenlang der Strom aus. Auslöser war wohl ein Bug in der Software eines Stromversorgers.

Experte hält Gefahr für unterschätzt

Der ehemalige Major des österreichischen Bundesheers und Blackout-Experte Herbert Saurugg sieht eine konkrete Gefahr für flächendeckende Stromausfälle in Deutschland und Europa in diesem Winter. "Wir haben in den letzten Monaten sehr unterschiedliche kumulierende Probleme gesehen, und die werden sich wahrscheinlich in den nächsten Wochen noch verstärken", so Saurugg. Der Gasmangel, die mögliche Sabotage an den Nord-Stream-Pipelines, die Probleme mit den Atomkraftwerken in Frankreich, aber auch die Trockenheit in verschiedenen Ländern belasten demnach das Stromnetz. Die Gefahr eines großflächigen Stromausfalls werde unterschätzt, mahnt Saurugg im Gespräch mit tagesschau.de.  

Das zuständige Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) betont dagegen, dass Deutschland grundsätzliche eine sehr sichere Stromversorgung habe. Doch "auch wenn die Versorgungssicherheit sehr hoch ist, ist ein großflächiger und lang andauernder Stromausfall nicht gänzlich ausgeschlossen". 

Kassen und Kühlsysteme würden ausfallen

Ein längerer Ausfall der Stromversorgung könnte Deutschland empfindlich treffen: Ohne Strom kommt oftmals kein Wasser mehr aus dem Hahn, Supermärkte müssten vorübergehend schließen, weil Kühltruhen und Kassensysteme ausfallen. Zwar sind laut Handelsverband viele Läden im Lebensmitteleinzelhandel mit Notstromaggregaten ausgestattet, aber diese "dienen in Notfällen dem Notstrombetrieb und sind nicht für den Dauerbetrieb geeignet".

Außerdem würden Teile des öffentlichen Verkehrs zum Erliegen kommen, denn auch das mehr als 7900 Kilometer lange elektrische Stromnetz der Deutschen Bahn hängt am öffentlichen Versorger. Zudem verfügen nur wenige Tankstellen über Notstromaggregate. In der Universitätsstadt Freiburg etwa haben bei einer Abfrage des örtlichen Katastrophenschutzes von 41 Tankstellen nur sechs angegeben, eine Notstromversorgung zu haben, die im Notfall dafür sorgt, dass Einsatzfahrzeuge an Benzin und Diesel kommen.

"Viele Prozesse doppelt und dreifach abgesichert"

Gut vorbereitet auf den nahenden Winter und mögliche Stromausfälle fühlt sich dagegen Klinik-Chef Jan Steffen Jürgensen in Stuttgart. "Viele Prozesse sind doppelt und dreifach abgesichert und erst bei zeitgleichem Ausfall mehrerer Systeme gravierend", sagt der Vorstandsvorsitzende des Klinikums Stuttgart. Strom produziert das Klinikum schon heute zu einem großen Teil selbst - mit zwei gasbetriebenen Blockheizkraftwerken. Sogenannte "bivalente Brenner" erzeugen Wärme und können mit Gas oder Öl betrieben werden. Reicht das nicht aus, springen die circa 20 leistungsstarken Notstromaggregate an. Um Strom zu sparen, wird im Falle eines anhaltenden Ausfalls zum Beispiel auf Beleuchtung in der Verwaltung verzichtet. Lebenswichtige Geräte, etwa Inkubatoren für Neugeborene, würden aber mit höchster Priorität weiter versorgt.  

Gerald Gaß von der Deutschen Krankenhausgesellschaft betont, dass es so gut wie möglich vermieden werden soll, planbare OPs - wie zuletzt in der Pandemie - zu verschieben oder ganze Bereiche abzumelden. "Die Krankenhäuser erwarten vor allem extrem steigende Energiekosten, die zu zahlreichen Insolvenzen führen können. Zusammen mit den stark gestiegenen Preisen für Medizinprodukte, Dienstleistungen und vieles mehr führen vor allem die Energiepreise zu einer Finanzierungslücke von rund fünf Milliarden Euro in diesem Jahr und zehn Milliarden Euro im kommenden Jahr bei den Krankenhäusern", sagt Gaß. Er fordert einen kurzfristigen Inflationsausgleich für Kliniken.  

Zu wenig in den Katastrophenschutz investiert?

Um Geld geht es auch bei der Ausstattung des Bevölkerungs- und Katastrophenschutzes. Marion Meinert von der Hochschule Furtwangen forscht zum Thema Sicherheit. Sie wundert sich im Gespräch mit dem SWR-Politmagazin "Zur Sache Baden-Württemberg" vor allem, wie wenig Geld der Bevölkerungsschutz im Vergleich zur Bundeswehr bekommt: "Im letzten Jahr hat der Etat des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe nur 0,3 Prozent des Bundeswehr-Etats ausgemacht. Nach der 100-Milliarden-Aufrüstung der Bundeswehr ist dieser prozentuale Anteil noch sehr viel geringer", so die Professorin.  

Die Bundesländer haben sich deshalb am vergangenen Freitag im Bundesrat für einen zehn Milliarden Euro schweren Fördertopf vom Bund für den Bevölkerungsschutz ausgesprochen. "Die Kürzungen der Ampel sind eine Katastrophe für den Katastrophenschutz", kritisiert Baden-Württembergs CDU-Innenminister Thomas Strobl. Und wie viel investiert das Land selbst in Katastrophenschutz? In diesem Jahr sollen es rund 8,8 Millionen Euro sein. Das macht, gemessen am Gesamthaushalt des Landesinnenministeriums, gerade mal 0,23 Prozent aus.   

Dass Bund und Länder in den vergangenen Jahren zu wenig Geld in den Katastrophenschutz investiert haben, kritisiert auch Blackout-Experte Saurugg. Zudem müsse man dringend am Stromnetz selbst arbeiten, dem es an Redundanzen und Reserven fehle: "Dass die Infrastruktur heute überhaupt noch funktioniert, liegt daran, dass unsere Vorgängergenerationen vor Jahrzehnten hundert Prozent Reserven reingegeben haben." Auf diesen Reserven habe man sich zu lange ausgeruht.  

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Magazin „Brisant“ am 04. Oktober 2022 um 17:15 Uhr.