Heizungsanlage

Praxis des Wärme-Contracting Heizungsdienstleister treiben Kosten in die Höhe

Stand: 21.05.2024 07:52 Uhr

Wenn Mieter Tausende Euro für die Heizung nachzahlen sollen, kann das auch an einem dazwischengeschalteten Dienstleister liegen - dem sogenannten Wärme-Contracting. Immer mehr Betroffene verweigern die Zahlung.

Von Christiane Cichy, mdr

Die Mieter von Plattenbauwohnungen in der Bernhard-Kellermann-Straße in Magdeburg sollen Tausende Euro allein für ihre Heizkosten nachzahlen. Obwohl sie ihren Verbrauch um 33 Prozent gesenkt haben, stiegen die Kosten um 250 Prozent. Isabell Michel ist eine der Betroffenen. Die Altenpflegerin bewohnt eine 48 Quadratmeter große Wohnung.

Obwohl sie nur das Wohnzimmer beheizt hat, hat sie laut Abrechnung 3.227 Euro für das Jahr 2022 an Heizkosten mehr verursacht, als sie vorausgezahlt hat. Ihre Warmmiete soll deswegen von 495 auf 690 Euro steigen. "Das ist Wahnsinn. Ich habe echt schon überlegt, hier auszuziehen und mir eine Einraumwohnung zu suchen." Eine junge Familie im benachbarten Haus soll sogar 5.100 Euro für eine 57 Quadratmeter große Wohnung nachzahlen.

Finanziell attraktiv - für den Vermieter

Ein Umstand, der die Heizkosten in die Höhe treibt, so Rechtsberater Zakaria Said vom Mieterverein Magdeburg, sei der Wärmeliefervertrag, den der Vermieter mit einem Unternehmen mit dem Namen G & E Getec Holding GmbH abgeschlossen hat. Eigentlich werden die Wohnungen mit einer eigenen Gasheizung im Keller versorgt. Der Vermieter hat aber eine externe Firma beauftragt, die Bewirtschaftung der Heizungsanlage zu übernehmen. Dies nennt man Wärme-Contracting.

Der Beauftragte, der Contractor, kümmert sich um alles rund um die Heizung, er wartet die Anlage, nimmt Reparaturen vor oder erneuert diese. Für den Vermieter ist das finanziell attraktiv: Die Kosten für diese Dienstleistung muss er nun nicht mehr selbst finanzieren, sondern diese werden über den Wärmepreis auf den Mieter umgelegt.

"Mit Sicherheit wäre es günstiger, wenn kein Dritter nochmal zusätzlich dazwischengeschaltet wird, der mit der Heizungsanlage Gewinne machen muss, damit es sich für ihn rechnet. Das zahlen dann in diesem Fall zu 100 Prozent die Mieter. Der Mieter ist hier ganz eindeutig der Dumme", sagt Rechtsberater Said. Zumindest müssen die Mieter über einen Contracting-Vertrag gemäß Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) informiert werden. "Der Vermieter hat die Umstellung spätestens drei Monate zuvor in Textform anzukündigen", heißt es im BGB dazu.

Aus einem Gaskessel wird teure Fernwärme

Ein weiterer Grund für die Preisexplosion: Wärme-Contracting unterliegt der Fernwärmeverordnung, auch wenn es sich, wie im Magdeburger Fall, technisch um eine Gasanlage handelt. Das heißt: Die Mieter zahlen hier keinen Gas-, sondern einen sogenannten Wärmepreis. Dieser setzt sich aus einem Grund- und einem Arbeitspreis zusammen. Im Fall der Magdeburger war der Arbeitspreis besonders hoch: Im 4. Quartal 2022 betrug dieser fast 62 Cent pro Kilowattstunde. Das war ein Spitzenwert.

Dieser Preis spiegelt offenbar nicht die tatsächlichen Beschaffungskosten wider, sondern berechnet sich nach komplizierten Formeln, die für Laien intransparent sind. Max Hengstenberg von der Energieberatungsfirma Senercon hat die Magdeburger Preisformel analysiert. Laut dem Experten fließt in diese ein Börsenwert vom Gasmarkt ein. "Das sorgt dann dafür, dass die Preise regelrecht explodieren. Der Versorger hat zu diesen Konditionen mit Sicherheit nicht sein Gas einkauft, wenn dann zu einem ganz kleinen Teil", sagt der Energieexperte.

Wegen solcher Preisformeln und der daraus resultierenden überhöhten Preise laufen derzeit mehrere Verfahren gegen Wärmeversorger in ganz Deutschland. Das Magdeburger Unternehmen, die G & E Getec Holding GmbH, schreibt zu ihrer Preisformel: "Nach unserer Auffassung erfüllt die hier in Rede stehende Preisgleitklausel sämtlichen gesetzgeberischen Anforderungen."

Mieter verweigern die Zahlung

Auch in anderen Städten, etwa in einem Bottroper Wohnviertel, ist die Preisformel offenbar ursächlich für die explodierenden Heizkosten. Die Mieter sollten auch hier kräftig nachzahlen. Bei Mieterin Marina Scharnowski waren es 1.400 Euro für 45 Quadratmeter. Auch in ihrem Viertel liegt das Wärme-Contracting vor. Ihr Vermieter, der Wohnungskonzern Vonovia, hat die Heizungsanlage ebenso auf eine externe Firma übertragen.

Die Mieter setzten sich gegen die hohen Nachzahlungen öffentlich zur Wehr, verlangten die vollständigen Belege und verweigerten die Zahlungen. Vonovia knickte schließlich ein und verzichtete insgesamt auf 267.000 Euro, angeblich aus Kulanz. Für Marina Scharnowski reduzierte sich damit die Forderung von knapp 1.400 auf 49 Euro inklusive Mahngebühren.

Doch auch diese reduzierte Summe wolle sie nicht zahlen. "Wie die anderen Mieter auch berufe ich mich auf das Rückbehaltungsrecht, und das steht uns zu, weil Vonovia es bis jetzt nicht geschafft hat, uns die originalen Verträge und Belege und alles, was dazu gehört, vorzulegen", sagt Scharnowski.

Joint-Venture mit dem Wohnungskonzern Vonovia

Mit öffentlichen Protesten wehren sich auch die Mieter etwa in Berlin Mariendorf-Ost - teilweise mit Erfolg. Auch hier wurden die Forderungen bereits reduziert. Allerdings nicht aus Kulanz, wie der Vermieter, die Deutsche Wohnen - heute Vonovia - den Mietern schreibt, sondern aufgrund "eines Fehlers bei der Rechnungsstellung" durch den Energielieferanten. Aus 6.500 Euro wurden im konkreten Fall einer Mieterin dann plötzlich knapp 1.300 Euro.

Der Vermieter hat auch hier die Heizungsanlage an einen Contractor übertragen. Bei dieser Firma mit dem Namen G+D Gesellschaft für Energiemanagement handelt es sich um ein Joint Venture des Wärmedienstleisters Getec mit der Deutschen Wohnen, bei der Vonovia wiederum Mehrheitseignerin ist. Konkrete Fragen des mdr zu den explodierenden Kosten werden nicht beantwortet, allgemein heißt es nur, alle Abrechnungen seien geprüft und korrekt. Die Vonovia, die über die Deutsche Wohnen an dieser Firma mit 49 Prozent beteiligt ist, verweist wiederum auf den Contractor.

Muss der Gesetzgeber eingreifen?

Solche Beispiele zeigten, dass der Gesetzgeber gefordert sei, regulierend einzugreifen, sagen Verbraucherschützer. "Er muss ein Konstrukt erschaffen, dass die Mieter vor so einer Situation bewahrt", fordert Energieexperte Hengstenberg.

Das Bundeswirtschaftsministerium sieht derzeit allerdings keine Gesetzeslücke. Ob die erhöhten Preise rechtens seien, "kann von den Betroffenen zivilrechtlich beziehungsweise über die Missbrauchsaufsicht durch das Bundeskartellamt geprüft werden", heißt es auf ARD-Anfrage.