Beziehungen mit Russland Das Energie-Dilemma der Mongolei
Die Mongolei ist abhängig von zwei Autokratien: Fast alle Exporte gehen nach China und ein Teil der Energieversorgung kommt aus Russland. Dabei hat die Mongolei das Potenzial, viel unabhängiger zu sein.
Besuch des Sainshand Windparks in der Wüste Gobi: Wir fahren mit einem Geländewagen über eine staubige Piste und nähern uns den 25 Windturbinen, die in der kargen Landschaft verteilt stehen und sich alle drehen.
Myagmardorj Enkhmend ist CEO des Windparks. Er führt durch die Kontrollräume, die in einem schmucklosen einstöckigen Gebäude neben den Windturbinen untergebracht sind. Ingenieure kontrollieren auf Monitoren, dass alles läuft.
Auf Tafeln an der Wand wird die Geschichte erläutert: Finanziert wurde der Windpark hauptsächlich mit Krediten der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und der Europäischen Investitionsbank EIB.
20 Prozent aus regenerativen Energien
Insgesamt seien 120 Millionen US-Dollar in die Anlage investiert worden, erklärt Myagmardorj Enkhmend. Die Gesamtkapazität betrage 55 Megawatt. "Im Jahr 2018 war alles komplett installiert und im Januar 2019 haben wir den Betrieb aufgenommen."
Die 25 Windturbinen in der Wüste Gobi erzeugen circa drei Prozent des mongolischen Stroms, erklärt der CEO. Insgesamt stammen etwa 20 Prozent der Gesamtkapazität in der Mongolei aus regenerativen Energien - rund 300 Megawatt. Neben der Windfarm in Sainshand gibt es noch zwei weitere, die ähnlich groß sind. Dazu mehrere Solarparks.
Mongolei idealer Standort für regenerative Energien
Eigentlich wäre die Mongolei prädestiniert dafür, stärker auf regenerative Energien zu setzen. Das Land ist extrem dünn besiedelt. Es weht teils kräftiger Wind und an rund 250 Tagen im Jahr scheint die Sonne.
In der Mongolei sei man sich dessen durchaus bewusst, sagt Lakshmi Boojoo vom Economic Policy and Competitiveness Research Center, einem Thinktank in der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaatar. Doch das Problem sei, dass die Abgeordneten kein Interesse daran haben würden, die regenerativen Energien weiterzuentwickeln. "Das hängt zum einen auch mit der Korruption zusammen. Wenn sie etwas entscheiden, wollen sie, dass für sie auch etwas herausspringt", erklärt die Analystin.
Außerdem sei der Energiemarkt auf der politischen Ebene nicht nach marktgerechten Bedingungen innovativ entwickelt worden. "Es ist immer noch dieses marode, sozialistische System." Und es gebe kaum Anreize für Investitionen.
Das mongolische Energieministerium hat auf eine Anfrage der ARD nicht reagiert.
Strom speist sich zum Großteil aus Kohlekraftwerken
Strom ist extrem billig in der Mongolei, hochsubventioniert vom Staat. Darüber hinaus ist das Netz nicht für die Schwankungen ausgebaut, die bei großen Mengen Wind- und Solarstrom entstehen.
Der Großteil des Stroms in der Mongolei kommt aus alten Kohlekraftwerken. Zusätzlich ist das Land auf Energie aus Russland angewiesen. Rund 20 Prozent des Stroms werden aus dem nördlichen Nachbarland importiert.
Außerdem führt die Mongolei Treibstoffe aus Russland ein. Das Land hat bis heute keine eigene Erdöl-Raffinerie und ist bei Benzin und Diesel fast komplett auf Lieferungen aus Russland angewiesen. Mit Hilfe von Indien soll nun eine Raffinerie gebaut werden. Das dürfte die Abhängigkeit von Russland etwas verringern. Am Grund-Dilemma wird sich so schnell, aber wenig ändern.
Die Mongolei ist extrem rohstoffreich: In dieser Anlage in Erdenet werden unter anderem Kupferkonzentrate hergestellt.
Gewinne aus Exporten fließen in soziale Programme
Neben Energieimporten aus Russland ist die extrem rohstoffreiche Mongolei außerdem auf Exporte nach China angewiesen. Riesige Mengen an Kohle gehen in die Volksrepublik. Dazu Kupfer.
"Es ist so, dass wir fast 90 Prozent der Exporte aus dem Bergbaubereich tätigen", sagt die Analystin Lakshmi Boojoo. Dabei würden auch sehr große Gewinne erzielt - wenn die Weltrohstoffpreise hoch sind. "Aber leider wird dieses Geld nicht für die Diversifizierung der Wirtschaft verbraucht, sondern einfach nur für soziale Programme" - zum Beispiel für das Kindergeld.
Dabei wäre es auch dringend notwendig, die Wirtschaft breiter aufzustellen, so die Analystin, um unabhängiger zu werden von den beiden autokratischen Nachbarn China und Russland. Und um jungen Menschen eine Perspektive zu bieten, die in großen Scharen das Land verlassen, auf der Suche nach besseren Jobs.