
Treibstoff aus der Kläranlage Fäkalien für klimaneutrale Schifffahrt
Fast drei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen stammen aus der Schifffahrt. Fieberhaft suchen Forschende nach klimaneutralen Treibstoffen - und finden sie wohl in der Kläranlage.
Es ist einer seiner letzten feierlichen Termine als Vertreter der Bundesregierung. Noch dazu einer, der politisch genau ins Programm von Verkehrsminister Volker Wissing passt. Nach dem Ampel-Aus hat er zwar seine Mitgliedschaft in der FDP aufgegeben, fordert jedoch weiter, Klimaschutz technologieoffen anzugehen.
"Neben der Elektrifizierung und wasserstoffbasierten Antrieben brauchen wir klimafreundliche Kraftstoffe, insbesondere in der maritimen Schifffahrt", sagt Wissing bei der Eröffnung einer neuartigen Produktionsanlage für e-Methanol auf dem Gelände der Kläranlage in Mannheim.
Klärschlamm weiterverarbeitet
Der dort anfallende Klärschlamm wird in Zukunft in der Anlage "Mannheim 001" weiterverarbeitet zum "klimaneutralen Schiffstreibstoff" e-Methanol, wie David Strittmatter, Geschäftsführer von ICODOS, versichert. Sein Unternehmen hat das Verfahren gemeinsam mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickelt.
Aktuell wird Klärschlamm in Deutschland verbrannt, um Energie zu gewinnen. In der Mannheimer Kläranlage gärt er in riesigen Tanks, wobei Biogas und CO2 entstehen. Im nächsten Schritt wird das Treibhausgas abgeschieden. Das reine Biogas kann ins Gasnetz eingespeist werden. Das CO2 wird unter Zugabe von Wasserstoff bei hoher Temperatur und Hitze dann zu e-Methanol weiterverarbeitet.
Treibstoff der Zukunft aus Klärschlamm?
Für klimaneutrales e-Methanol als Endprodukt wird während des Prozesses grüner Wasserstoff benötigt. Der wird durch Elektrolyse mit Strom aus Erneuerbaren Energien gewonnen. Doch aktuell ist grüner Wasserstoff rar und viele Branchen melden Bedarf an. Das lässt Umweltorganisationen an der Produktion von großen Mengen des klimaneutralen Treibstoffes zweifeln: "Die Skalierbarkeit für die ganze Schifffahrt halte ich für schwierig, weil die Mengen noch nicht da sind", sagt beispielsweise Karsten Smid von Greenpeace.
Zentrale Frage bei neuen Verfahren: Wie viel Energie wird benötigt, um am Ende einen klimaneutralen Kraftstoff zu erhalten? Und lohnt sich das? 2.500 Kilogramm grüner Wasserstoff pro Jahr sind laut Strittmatter für die Produktion nötig.
Je nach Wirkungsgrad des Elektrolyseurs sind dafür etwa 150.000 Kilowattstunden Strom nötig, was dem Jahresverbrauch von 60 Zwei-Personen-Haushalten entspricht. Weil die Schifffahrt für etwa drei Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich ist, kann e-Methanol aus Smids Sicht jedoch durchaus eine Rolle beim Klimaschutz spielen.
Projekt mit Millionen gefördert
Die Anlage in Mannheim ist laut Strittmatter dazu fähig, pro Jahr gut 15.000 Liter e-Methanol zu liefern. Zum Vergleich: Der Tank des ersten Containerschiffs, der Laura Mærsk, das mit Methanol betrieben werden kann, umfasst 1,4 Millionen Liter. Damit kommt es fast 11.000 Kilometer weit. Es braucht also noch größere Anlagen und deutlich mehr davon. Eine davon plant ICODOS mittelfristig in Spanien, wo "35 Millionen Liter Jahreskapazität vorgesehen sind", so der Geschäftsführer.
Wissing sieht in der Produktion von klimaneutralen Treibstoffen einen Wachstumsmarkt der Zukunft und setzt persönlich große Hoffnungen in "Mannheim 001". "Dieses Projekt kann beispielgebend für viele weitere Standorte in Deutschland und Europa sein", sagt der scheidende Bundesminister.
Die Forschungsanlage war Teil mehrerer Energieprojekte, die von der EU, dem Bund und der Stadt Mannheim mit mehreren Millionen Euro gefördert wurden. Das KIT arbeitet seit 2019 in Laboren an den Verfahren. Drei Jahre später wurde ICODOS gegründet, um das Verfahren zur Marktreife zu bringen.
Kreislaufwirtschaft für Klimabilanz
Nach Angaben von Strittmatter können bei dem neuen Verfahren 99 Prozent des CO2, das bei der Vergärung des Klärschlamms anfällt, weiterverarbeitet werden. Ein extrem hoher Wirkungsgrad, der auch Energieexperte Smid von Greenpeace überrascht. Er hält es aber durchaus für möglich und verweist auf das renommierte KIT.
Am Ende fällt beim Verbrennen des e-Methanols im Schiffsmotor zwar wieder CO2 an, dabei handelt es sich aber um Treibhausgasemissionen, die zuvor eingespart wurden, weil der Klärschlamm nicht verbrannt wurde. "Es handelt sich um einen Umlauf, bei dem kein zusätzliches fossiles CO₂ in die Atmosphäre gelangt", sagt Strittmatter.
Ob sich das CO2-Recycling für den Klimaschutz am Markt durchsetzen kann, hängt maßgeblich von zwei Faktoren ab: Der Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff und dem letztendlichen Preis des e-Methanols. Kosten zwischen 700 und 800 Euro pro Tonne sind möglich, schätzt Strittmatter mit Blick auf die geplante industrielle Anlage in Spanien. Das Verkehrsministerium wird auch ohne Volker Wissing weiter auf Erfolge bauen. Immerhin haben die Vereinten Nationen das Ziel ausgegeben, dass die globale Schifffahrt bis 2050 klimaneutral sein soll.