Erneuerbare Energien Kampf ums Ackerland
Der Solarboom setzt Landwirte in Deutschland unter Druck. Denn oft kaufen Investoren riesige Flächen, um darauf Solarparks zu errichten. Für die Bauern wird Ackerland dadurch rar und teuer.
Acht Millionen Euro für 2600 Hektar Ackerland - Landwirt Tobias Lemm war sich sicher, dass das ein angemesser Preis für "Röderland GmbH" ist. Mit dem Angebot versuchte er, den großen Milchbetrieb in Brandenburg zu kaufen. Doch dann geschah, was viele Landwirte momentan erleben: Ein Investor stach ihn aus.
Denn immer häufiger kaufen große Investoren Ackerland zu einem Preis, den die Landwirte nicht bieten können. Das hat dramatische Konsequenzen: Zwischen 2010 und 2020 sind landwirtschaftliche Nutzflächen hierzulande im Schnitt um 126 Prozent teurer geworden. Denn freie Ackerflächen in Deutschland sind rar - und sie werden deshalb immer teurer. Darum legten auch die Pachtpreise deutlich zu - nach Angaben des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft im Schnitt um 62 Prozent.
Hinter dem Großinvestor, der Tobias Lemm überbot, steckt die Quarterback-AG, einer der größten Immobilienentwickler Deutschlands. Quarterback sucht in Zeiten steigender Zinsen nach sicheren Renditen.
Solarpark als Investment
Doch es gibt neben den Großínvestoren noch andere Bieter: Stromproduzenten. Da sich mit Solarparks derzeit viel Geld verdienen lässt, haben auch sie Interesse an Flächen für Solarparks. So bietet beispielsweise der Energieversorger EnBW für Flächen in Ostdeutschland, um dort Tausende Solarpanele zu errichten.
Thorsten Jörs ist Projektleiter bei EnBW und leitet dort die Photovoltaik-Sparte des Unternehmens. Er ist dafür zuständig, den Bedarf an weiteren Solarflächen zu decken: "Aus meiner Sicht stehen wir tatsächlich an einem Beginn eines neuen Solarbooms. In den nächsten Jahren wollen wir den Solarzubau verdreifachen." Das heißt konkret: Zehn bis 15 Solarparks will das Unternehmen pro Jahr realisieren.
Damit das gelingt, braucht es verfügbare Flächen - weshalb immer mehr Unternehmen Ackerland kaufen. Mit großer Sorge beobachtet Silvia Bender, Staatssekretärin beim Landwirtschaftsministerium in Berlin, den aktuellen Trend: "Agrarfremde Investoren drängen sich in den Bodenmarkt und machen den Bauern zunehmend das Leben schwer." Zunehmend könnten landwirtschaftliche Betriebe von Solarpanels verdrängt werden.
Investoren verdrängen Bauern
Für den Milchbetrieb in Brandenburg zahlte die Quarterback Immobilien-AG zehn Millionen Euro. Sie will den Landwirtschaftsbetrieb weiter betreiben und einen Solarpark bauen. Doch warum verkaufte die Röderland GmbH an eine Immobilienfirma und nicht an einen Landwirtschaftskollegen, der sich so lange um den Kauf bemüht hatte? "Die Gesellschafter haben sich entschieden, die Stabilität des Landwirtschaftsbetriebs weiter zu erhalten und sicherlich war ein weiterer ausschlaggebender Punkt der Kaufpreis", erklärt Steffen Höppner, Geschäftsführer der Röderland GmbH.
Für die Quarterback-AG ist der Landwirtschaftsbetrieb Röderland attraktiv, weil sie hier ohne aufwendige Genehmigungsverfahren einen Solarpark errichten kann. Denn das Wirtschaftsministerium hat kürzlich im Rahmen der Energiekrise Barrieren beseitigt und dereguliert. Nun dürfen an Bahnstrecken und Autobahnen auch ohne aufwendige Zulassungen in den Gemeinden große Solarparks gebaut werden.
Sterben der Landwirtschaft?
Brandenburgs Landwirtschaftsminister Axel Vogel sieht das kritisch, er wollte den Quarterback-Deal verhindern. Seit Jahren plant Minister Vogel ein neues Agrarstrukturgesetz - bisher erfolglos: "Das landwirtschaftliche Bodenrecht greift überhaupt nicht mehr. Wir haben kaum noch Fälle, wo es tatsächlich zur Anwendung kommt." Zudem verändere sich die Agrarstruktur gravierend: "Immer mehr Flächen werden von außer-landwirtschaftlichen Investoren übernommen."
Um dies zu verhindern, brauche es Instrumente wie etwa eine Preisregulierung, die die einzelnen Bauern schützt, erklärt Vogel. Wenn mit dem Anbau von Lebensmitteln am Ende weniger zu verdienen sei, als mit der Erzeugung von Solarstrom, werden traditionelle Landwirte es immer schwerer haben, zu überleben.