Bundesregierung Einigung auf neue Strategie zum Wasserstoffausbau
Wasserstoff soll nach Plänen der Regierung künftig in allen wichtigen Sektoren eine Rolle spielen. Nun haben sich die Koalitionspartner auf neue Strategien zum Ausbau geeinigt. Ein Startnetz soll bis 2027/28 entstehen.
Die Bundesregierung hat sich einem internen Papier zufolge auf eine aktualisierte Wasserstoffstrategie verständigt. Das berichten mehrere Nachrichtenagenturen, denen das Dokument vorliegt. Darin werden Maßnahmen umrissen, die bis zum Jahr 2030 dafür sorgen sollen, den Markt aufzubauen. Das Kabinett soll sich offenbar noch im Juli mit den Plänen befassen. So ist die Nutzung von Wasserstoff neben der Industrie und dem Verkehr auch in der Energieversorgung und der Beheizung von Gebäuden geplant.
Allerdings ist in dem Entwurf festgehalten, dass Wasserstoff fürs Heizen eher eine nachgeordnete Rolle spielen soll. Heizen mit Wasserstoff war einer der Streitpunkte in der Koalition beim Ausarbeiten des Gebäudeenergiegesetzes.
Startnetz bis 2027/28
Wasserstoff spielt eine zentrale Rolle dabei, Industrieprozesse klimaneutral zu machen. Weil Deutschland aber bei weitem nicht genug eigenen Wasserstoff herstellen kann, sollen weitere Strategien zum Import und zur Speicherung folgen.
In dem 28-seitigen Papier aus dem federführenden Bundeswirtschaftsministerium heißt es nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters, dass bis 2027/28 ein Startnetz mit mehr als 1800 Kilometern umgestellten und neu gebauten Wasserstoffleitungen entstehen solle.
Europaweit sollen etwa 4500 Kilometer hinzukommen. Bis 2030 sollen dann alle großen Erzeugungs-, Import- und Speicherzentren mit relevanten Abnehmern verbunden werden. "Bis 2030 werden Wasserstoff und seine Derivate insbesondere bei Anwendungen in der Industrie, bei schweren Nutzfahrzeugen sowie zunehmend im Luft- und Schiffsverkehr eingesetzt."
Ampel will mehr Tempo beim Wasserstoff-Ausbau machen
Das Papier ist innerhalb der Regierung abgestimmt, aber noch nicht im Kabinett gewesen. Es soll dem Nationalen Wasserstoffrat zugeleitet werden, der dann dazu Stellung beziehen soll.
Die bisherige Wasserstoffstrategie stammt vom Juni 2020, also noch von der Großen Koalition. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine plant die jetzige Ampel-Koalition aber, die Abhängigkeit von fossilen Energien schneller zu beenden.
Förderung soll auf grünen Wasserstoff begrenzt werden
Im Ampel-Koalitionsvertrag war im Bereich Wasserstoff bereits vorgesehen, die heimische Elektrolyseleistung von fünf auf mindestens zehn Gigawatt bis zum Jahr 2030 zu verdoppeln. In dem Papier heißt es zudem, eine direkte finanzielle Förderung sei auf grünen Wasserstoff begrenzt, der aus Ökostrom und nicht mit Hilfe von Gas oder Atomkraft erzeugt wird.
Bis ausreichende Mengen davon zur Verfügung stehen, sollen allerdings auch andere Arten von Wasserstoff genutzt werden. Der Gesamtbedarf wird 2030 auf 95 bis 130 Terawattstunden beziffert. Das entspricht rund drei Prozent des jährlichen Primärenergieverbrauchs.
Genehmigungsverfahren soll vereinfacht werden
Noch in diesem Jahr soll das Energiewirtschaftsrecht geändert werden, um die Grundlage für ein Wasserstoff-Kernnetz zu schaffen. Außerdem sollen Genehmigungsverfahren verkürzt, vereinfacht und digitalisiert werden. Dafür plant die Regierung 2023 ein Wasserstoffbeschleunigungsgesetz.
Bei der Importstrategie sollen möglichst viele Kanäle angezapft werden. Neue Abhängigkeiten von bestimmten Ländern sollen vermieden werden. Das Wirtschaftsministerium teilte unterdessen mit, die Fernleitungsnetzbetreiber hätten gerade ihren aktuellen Planungsstand für das künftige Kernnetz übermittelt. Es sei auch an die Bundesnetzagentur gegangen. "Damit ist ein erster wichtiger Schritt für die Planung des Wasserstoffnetzes in Deutschland getan."
Länder und Verbände sollen bis Ende Juli Ideen liefern
Bis 2032 sollten wichtige Infrastruktur-Puzzlestücke in Betrieb gehen. Länder und Verbände sollen sich bis Ende Juli mit Ideen einbringen. "Die Bundesregierung verfolgt das Ziel eines privatwirtschaftlichen Aufbaus des Wasserstoff-Kernnetzes, das durch Netzentgelte finanziert werden soll."
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft teilte mit, in einem weiteren Schritt müsse später auch das regionale Verteilernetz in die künftige Wasserstoffwirtschaft eingebunden werden. "Während der Fokus im Kernnetz auf der Transportebene liegt, schaffen die Verteilnetze die Verbindung vom Transportnetz zum Kunden."
Branchenverband fordert mehr Tempo
Zuvor hatte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft davor gewarnt, dass Deutschland bei der Zukunftstechnologie Wasserstoff im internationalen Vergleich zurückfalle. BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae sagte: "Der Wasserstoffhochlauf in Deutschland ist zuletzt ins Stocken geraten."
Es seien in den vergangenen Jahren keine nennenswerten Kapazitäten für die Wasserstofferzeugung aufgebaut worden. Grund seien viele regulatorische Unsicherheiten. Es fehlten konkrete Aussichten auf Geschäftsmodelle und entsprechende Investitionsanreize.