Interview zum Braunkohle-Strom "Energiewende ohne Klimaschutz"
Die Konzerne produzieren so viel Braunkohlestrom wie selten und verdienen kräftig daran. Schuld seien die niedrigen Preise für den CO2-Ausstoß, meint Umweltexperte Eckert. Der Verbraucher zahle für die Energiewende, der Klimaschutz bleibe trotzdem auf der Strecke.
tagesschau.de: Wir produzieren wieder fast soviel Strom aus Braunkohle wie zu Wendezeiten, als die alten DDR-Meiler noch in Betrieb waren. Wie kommt das?
Werner Eckert: Braunkohle ist ein sehr billiger Brennstoff. Dazu kommt, dass es sich bei den Kraftwerken für Braunkohle fast ausnahmslos um alte Anlagen handelt. Sie sind restlos abgeschrieben und arbeiten deshalb viel kostengünstiger als neue umweltverträgliche Anlagen. Aus diesem Grunde lassen die Energiekonzerne die Braunkohlemeiler brummen wie nie.
tagesschau.de: Die Energiekonzerne sagen, die Braunkohle sei "sauberer" geworden. Stimmt das?
Eckert: Das ist reine Kosmetik. Das ist so, als würde man einen riesigen Geländewagen als umweltfreundliches Auto bezeichnen, weil der Spritverbrauch um ein paar Prozentpunkte gesenkt wurde. Er verbraucht aber immer noch dreimal so viel wie ein Kleinwagen. So ist es mit den Braunkohlewerken auch. Sie bleiben CO2-Schleudern. Die Potentiale für eine weitere Reduzierung von Schadstoffausstößen bei diesen Werken sind übrigens weitgehend ausgeschöpft.
"Der CO2-Ausstoß steigt wieder"
tagesschau.de: Brauchen wir denn den Braunkohle-Strom?
Eckert: Wir produzieren derzeit viel mehr Strom, als wir brauchen. Über die Förderung erneuerbarer Energien kommt ja immer mehr Strom aus Wind und Sonne auf den Markt. Gleichzeitig produzieren wir unvermindert Strom aus der Braunkohle. Davon profitieren die Energieerzeuger. Sie exportieren so viel Strom wie nie zuvor und fahren satte Gewinne ein. Die Produktion von Strom aus Braunkohle kostet ca. 3,8 Cent pro Kilowattstunde. Verkauft wird der Strom im Ausland aber für 5,7 Cent.
tagesschau.de: Wir produzieren mehr Strom, gleichzeitig steigen hierzulande die Preise. Wie kommt das?
Eckert: Wir Verbraucher zahlen für den Ausbau der erneuerbaren Energien die Ökostrom-Umlage. Wir haben also die absurde Situation, dass für die deutschen Verbraucher wegen der Ökostrom-Umlage die Energie teurer wird, während die Energieversorger durch den gestiegenen Export mehr verdienen. Der durch die Ökostrom-Zulage erhoffte Effekt, mehr Klimaschutz, wird nicht erreicht. Im Gegenteil: Der CO2-Ausstoß steigt wieder. Wir haben also eine Energiewende ohne Klimaschutz.
tagesschau.de: Das heißt, die Ökostrom-Zulage verpufft?
Eckert: Nicht ganz. Denn tatsächlich wird ja mehr Ökostrom produziert. Es müsste aber auch dafür gesorgt werden, dass die Stromerzeugung aus Braunkohle nicht mehr so günstig ist. Denn der billige Strom aus Kohlekraftwerken verhindert ja, dass die Energieversorger in den Bau moderner umweltverträglicherer Gaskraftwerke investieren. Der Braunkohle-Strom ist für die Unternehmen ja nur deshalb so rentabel, weil sie für die Umweltverschmutzung wenig zahlen. Die Energiekonzerne müssen sich so genannte CO2-Zertifikate kaufen, sie zahlen also für den CO2-Ausstoß ihrer Anlagen. Die Preise für diese Zertifikate sind aber sehr niedrig. Der aktuelle Tagespreis liegt bei deutlich unter fünf Euro je Tonne. Die Experten gingen aber mal davon aus, dass diese Zertifikate mindestens fünfzehn Euro pro Tonne kosten sollen - also das Dreifache. Entgegen der Klimaschutz-Ziele ist die Produktion von Strom aus Braunkohle nicht wesentlich teurer geworden.
"Energiewende ohne Klimaschutz"
tagesschau.de: Müsste also die Politik gegensteuern und den Preis für die CO2-Zertifikate erhöhen?
Eckert: Wenn die Politik mit ihrer Energiewende auch mehr Klimaschutz umsetzen will, müsste sie dies tun. Denn die Energiewende in Deutschland läuft ja. Wir verabschieden uns von der Atomkraft und investieren in erneuerbare Energien. Wir erreichen aber keinen verbesserten Klimaschutz, weil wir die Stromgewinnung aus Braunkohle nicht drosseln. Die Zertifikate müssen also deutlich teurer werden. Und wenn dies auf den Klimakonferenzen nicht durchzusetzen ist, dann müsste es zumindest eine Lösung innerhalb der EU geben. Dafür muss die deutsche Politik sich einsetzen.
tagesschau.de: Heißt das nicht auch, die erneuerbaren Energien werden nie so wettbewerbsfähig sein wie Kohle?
Eckert: Viele Windanlagen arbeiten schon fast so effizient wie die Braunkohlewerke. Und viele Sonnenkollektoren erreichen nahezu die Kapazität wie Gaskraftwerke. Die alten Kohlekraftwerke sind abgeschrieben, die Investition in neue Anlagen ist sehr teuer. Wir haben das Problem in Europa, dass bei den Preisen, zu denen Strom gehandelt wird, sich die Investition in neue Anlagen nicht rentiert. Manche Unternehmen fordern deshalb Subventionen für den Bau neuer Anlagen. Die Frage ist aber doch, wie erreicht man den Neubau von Kraftwerken, ohne in eine neue Subventionsspirale einzusteigen. Diesem Problem muss die Politik sich stellen. Ein Weg dahin scheint mir die Erhöhung der Preise für CO2-Verschmutzungsrechte zu sein.
Das Interview führte Simone von Stosch, tagesschau.de.