Deutschland über EU-Schnitt Ältere Menschen arbeiten immer länger
Um den Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen, steigt der Bedarf an älteren Menschen am Arbeitsmarkt. Seit zehn Jahren nimmt die Zahl derjenigen zu, die länger arbeiten. Deutschland liegt über dem EU-Schnitt.
Ältere Menschen in Europa arbeiten immer häufiger. In Deutschland erhöhte sich die Erwerbsquote der 55- bis 64-Jährigen innerhalb von zehn Jahren um zehn Prozentpunkte auf 72 Prozent im Jahr 2021, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden heute mitteilte. In der gesamten EU stieg die Erwerbsquote im gleichen Zeitraum noch stärker, um 13 Prozentpunkte, sie lag aber unter dem Niveau von Deutschland: Im EU-Schnitt lag die Erwerbsquote der 55- bis 64-Jährigen im Jahr 2021 bei 60 Prozent. Höhere Quoten als Deutschland haben demnach nur Schweden (77 Prozent) und Dänemark (72 Prozent).
Auch jenseits der 64 Jahre sind die Menschen in Deutschland häufiger noch im Job, unter anderem, weil das Renteneintrittsalter stufenweise auf 67 Jahre steigt. In der Gruppe der 65- bis 69-jährigen hatten hierzulande noch 17 Prozent eine Arbeitsstelle im Vergleich zum EU-Schnitt von 13 Prozent. In einigen Staaten Nordeuropas liegt die Quote allerdings deutlich höher, etwa bei bis zu 32 Prozent in Estland, 29 Prozent in Lettland und 28 Prozent in Schweden.
Höhere Qualifikation führt zu längerer Erwerbstätigkeit
Grundsätzlich sind Menschen mit hoher Qualifikation länger erwerbstätig als solche mit geringer beruflicher Qualifikation. Neben Erhöhungen der Renteneintrittsalter nennen die Statistiker daher auch das zunehmende Bildungsniveau in vielen EU-Staaten als Grund für die Entwicklung. Denn: "Höhere Bildungsabschlüsse gehen oft mit einer längeren Erwerbstätigkeit einher", erklärte das Statistikamt. Bei den über 64-Jährigen waren demnach in Deutschland noch 13 Prozent der Hochqualifizierten erwerbstätig, bei den Geringqualifizierten nur 4,5 Prozent. Auf EU-Ebene ist das Bild ähnlich.
Die demografische Entwicklung spiegelt sich auch in künftigen Mangelberufen wider. So stiegen innerhalb der zehn beobachteten Jahre die Anteile der Beschäftigten aus der Altersgruppe 55-plus beispielsweise in der Pflege von 15 auf 23 Prozent und bei den naturwissenschaftlichen MINT-Berufen von 17 auf 24 Prozent.
Stärkere Beteiligung Älterer eine Lösung?
Im Zuge des Fachkräftemangels war zuletzt auch politisch über eine stärkere Beteiligung älterer Menschen am Arbeitsmarkt diskutiert worden. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte etwa im Dezember Unternehmen aufgefordert, ältere Menschen nicht aufs Abstellgleis zu schieben. Der Fachkräftemangel drohe zu einer Wachstumsbremse zu werden. Dass viele Unternehmen Menschen über 60 nicht mehr einstellen, sei eine Haltung, die "wir uns deshalb nicht mehr leisten können", sagte er der "Bild am Sonntag".
Die Wiesbadener Statistiker sehen darin allerdings nicht die Lösung des Problems: "Eine höhere Erwerbsbeteiligung älterer Menschen wird künftig kaum kompensieren können, dass die jüngere Bevölkerung abnimmt und es dadurch deutlich weniger Erwerbspersonen in diesen Altersgruppen gibt", erklärte Frank Schüller, Arbeitsmarkt-Experte im Statistischen Bundesamt. Die bestehende Mangelsituation werde sich verschärfen, erwartet die Statistikbehörde. In den nächsten 15 Jahren dürften in Deutschland rund 13 Millionen Erwerbspersonen das gesetzliche Rentenalter erreichen, das ist knapp 30 Prozent der Erwerbspersonen von 2021.