Nachhaltige Klassifizierung Bund begrüßt EU-Pläne für Gasenergie
Die EU will Gasenergie als nachhaltig einstufen - anders als bei der Atomkraft hatte sich die Bundesregierung dafür eingesetzt. Während Finanzminister Lindner zufrieden ist, sind andere im Kabinett offenbar nicht ganz überzeugt.
Die Vorschläge der EU-Kommission, Atomkraft und Gasenergie unter bestimmten Umständen als nachhaltig einzustufen, werden weiter kontrovers diskutiert. Während die Bundesregierung sich zur Atomenergie klar und geschlossen positioniert hat, ist das Meinungsbild zu einer nachhaltigen Einstufung von Gaskraftwerken offenbar nicht ganz so eindeutig.
Ein Regierungssprecher begrüßte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass Brüssel Erdgas als Übergangstechnologie im Kampf gegen den Klimawandel klassifizieren will. Vor dem Hintergrund der Ausstiege aus der Kernenergie und aus der Kohleverstromung sei Erdgas "eine wichtige Brückentechnologie auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität", sagte er. Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Details müssten allerdings noch analysiert werden.
Anlagen später für Wasserstoff
Auch FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner lobte die Brüsseler Pläne beim Gas. "Deutschland benötigt realistischerweise moderne Gaskraftwerke als Übergangstechnologie, weil wir auf Kohle und Kernkraft verzichten", sagte Lindner der "Süddeutschen Zeitung". "In der Perspektive der Klimaneutralität sollen die Anlagen später mit Wasserstoff genutzt werden können."
Deshalb habe die Bundesregierung auch dafür geworben, dass die entsprechenden Investitionen effektiv möglich seien. "Ich bin dankbar dafür, dass von der Kommission offenbar Argumente aufgegriffen wurden", so Lindner. "Weitere Verbesserungen wären aus unserer Sicht denkbar." Wenn die Transformation gelingen solle, seien investitionsfreundliche Rahmenbedingungen nötig.
Klassifizierungen unter Auflagen
Etwas anders hatte die erste Reaktion von Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck geklungen. "Die Vorschläge der EU-Kommission verwässern das gute Label für Nachhaltigkeit", hatte Habeck vor allem mit Blick auf die Atomkraft erklärt. Der Grünen-Politiker betonte zudem: "Fraglich ist auch, fossiles Gas mit in die Taxonomie aufzunehmen." Immerhin wolle die EU-Kommission aber einen Übergang zu Wasserstoff-Nutzung der Gaskraftwerke ab 2035.
Brüssel hatte in der Silvesternacht einen Vorschlag verschickt, in dem sie zwischen grünen Technologien wie Solar- und Windenergie sowie denen für Atom und Gas unterscheidet. Für diese beide Bereiche soll es Auflagen für die Klassifizierung geben.
Erdgaskraftwerke sollen demnach ein nachhaltiges Label erhalten können, wenn sie unter bestimmten CO2-Grenzwerten bleiben, eine umweltschädlichere Anlage ersetzen und bis zum 31. Dezember 2030 genehmigt werden.
Industrie hält Erdgas für unverzichtbar
Die Industrie hält Erdgas für die Grundversorgung für den Wirtschaftsstandort Deutschland als eine zwingend notwendige Brückentechnologie. Das sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), Wolfgang Große Entrup, der Nachrichtenagentur Reuters. Der Ausstieg aus Kohle und Kernenergie mache bei einem schleppendem Ausbau der erneuerbaren Energien den Einstieg in neue Gaskraftwerke notwendig. "Sonst gehen in der Industrie die Lichter aus", warnte er.
Die Pläne Brüssels, auch die Atomkraft unter bestimmten Umständen als nachhaltig zu klassifizieren, war in Berlin unisono auf Kritik gestoßen. Finanzminister Lindner sagte der "Süddeutschen Zeitung": "Dass die Bundesregierung zum Thema Kernenergie eine andere Auffassung vertritt als die Kommission, ist bekannt." Zuvor hatte ein Regierungssprecher gesagt, dass Berlin weiterhin davon überzeugt sei, dass Kernenergie nicht als nachhaltig einzustufen ist.
Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck hatte in der ARD gesagt, es gehe darum, "einen finanziellen Anlagemarkt zu schaffen und den als grün und nachhaltig zu qualifizieren - und das ist ein Etikettenschwindel". Hier verwies er insbesondere auf den radioaktiven Müll - "und deswegen ist diese Taxonomie-Entscheidung falsch", so der Grünen-Politiker.
Wenig Hoffnung auf Änderung der Pläne
Zu den Vorschlägen aus Brüssel sollen die 27 EU-Regierungen nun bis zum 12. Januar Stellung nehmen. Die Klassifikation für "grüne" Technologien in der sogenannten Taxonomie soll dazu beitragen, dass private Investitionen verstärkt in erneuerbare Energien fließen. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte ebenso wie die EU-Kommission darauf verwiesen, dass es nur um Richtlinien für private, nicht aber für öffentliche Investitionen gehe.
Die Bundesregierung will sich die Vorschläge laut Habeck nun in Ruhe anschauen, "aber eine Zustimmung kann ich mir nicht vorstellen". Er hoffe, dass es noch zu Änderungen kommt, räumte aber ein, dass die EU-Kommission in einer "starken Position" ist.
Der Grund: Der jetzige Plan kann nur verhindert werden, wenn sich mindestens 20 EU-Staaten zusammenschließen, die mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU vertreten, oder mindestens 353 Abgeordnete im EU-Parlament. Dies gilt als unwahrscheinlich, da sich neben Deutschland lediglich Länder wie Österreich, Luxemburg, Dänemark und Portugal klar gegen eine Aufnahme der Atomkraft aussprechen.