EU-Finanzminister beraten in Brüssel Durchbruch für europäische Bankenaufsicht?
Bis zum Jahresende sollen die Vorbereitungen für eine einheitliche europäische Bankenaufsicht abgeschlossen sein - schließlich soll sie im nächsten Jahr ihre Arbeit aufnehmen. Doch ob die EU-Finanzminister schon heute zu einer Einigung kommen, ist unklar. Viele Fragen sind noch offen.
Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Seit einigen Tagen stehen die Signale auf Grün. Eine Einigung sei möglich, so sagen Diplomaten, die ihren Namen nirgends lesen oder hören wollen. Es könnte auch Zweckoptimismus sein. Denn die Staaten mit großen Finanzproblemen haben ein großes Interesse daran, dass die Eurozonen-Bankenaufsicht schnell in die Gänge kommt.
Der deutsche Finanzminister hat ein anderes Interesse, er will eine gründliche Vorbereitung. Und so dämpfte Wolfgang Schäuble gestern in Brüssel zum wiederholten Mal die Erwartungen: "Ob wir dafür eine Lösung finden, kann ich heute nicht abschließend sagen." Bei der Bankenunion geht es immerhin um eine Art Revolution. Die Kontrollmacht über den Finanzsektor geht von den nationalen Behörden auf die europäische Ebene über. Angesiedelt wird die europäische Aufsicht bei der EZB. Die Zentralbank soll künftig das letzte Wort haben, wenn Banken ihren Kapitalpuffer verstärken, wenn sie riskante Geschäftsbereiche abstoßen müssen oder wenn sie gar abgewickelt werden müssen.
Der Teufel steckt im Detail
Für den Finanzexperten der Grünen im Europaparlament, Sven Giegold, ist das ein absolut zentrales Vorhaben im Kampf gegen die Eurokrise. "Grundsätzlich brauchen wir eine gemeinsame, handlungsfähige Bankenaufsicht. Die Nationalstaaten, jetzt wieder Spanien und Slowenien, haben ihre Finanzinstitute zu lange geschützt und die Karten nicht offen auf den Tisch gelegt. Und hinterher müssen wir alle bezahlen."
Die Notwendigkeit einer einheitlichen Bankenaufsicht bestreitet eigentlich niemand, nicht einmal die britische Regierung. Aber der Teufel steckt im Detail und es ist ein ziemlich großer Teufel. Das fängt bei der Eignung der EZB für den neuen Job an. Die dürfe das nämlich eigentlich gar nicht, sagt der CDU-Politiker Werner Langen: "Nach den europäischen Verträgen darf die EZB nicht die Aufsicht über alle Banken übernehmen, sie darf besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Bankenaufsicht übernehmen, mehr nicht." Eigentlich müsste man also die EU-Verträge ändern - aber das würde den Start der neuen Aufsicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben.
Schäuble für "chinesische Mauer"
Schäuble plagt vor allem eine andere Sorge: "Zur Verteidigung der Unabhängigkeit der EZB müssen wir eine klare Trennung zwischen der Bankenaufsicht und der Geldpolitik haben." Schäuble spricht von einer chinesischen Mauer. Denn in der Geldpolitik dürfen sich EZB-Chef Mario Draghi und Co. von niemandem hereinreden lassen; die Aufsichtsentscheidungen müssen aber einer demokratischen Kontrolle, zum Beispiel durch das Europäische Parlament unterliegen. Als Lösung wird diskutiert, dass der EZB-Rat die Entscheidungen des neu zu schaffenden Aufsichtsgremiums inhaltlich nicht verändern kann.
"Es geht nicht um Omas kleine Sparkasse"
Schäuble will auch nicht, dass die EZB künftig den direkten Durchgriff auf alle 6000 Banken der Eurozone hat, also auch auf Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Und auch der SPD-Finanzexperte Udo Bullmann will das nicht: "Es geht nicht um Omas kleine Sparkasse. Wir müssen uns konzentrieren darauf, die Risikoträger, die Bankinstitute ins Visier zu nehmen, von denen die großen Risiken für die nationalen Volkswirtschaften und Europa insgesamt ausgehen."
Die Aufsichtsroutine soll also weiter bei den nationalen Behörden liegen. Nur bei Gefahr im Verzug soll die EZB das Recht behalten, die Aufsicht auch bei kleineren Banken an sich zu ziehen. Der CDU-Europaabgeordnete Werner Langen hält eine solche Aufgabenteilung auch schon aus praktischen Erwägungen für zwingend. "Die EZB hat gar nicht den Sachverstand. In allen Aufsichtsbehörden in allen 27 Mitgliedsstaaten gibt es 53.000 Fachleute. Die EZB hat unter 100 Leute für die volkswirtschaftliche Aufsicht über den Bankensektor, mehr nicht."
Briten verlangen Vetorecht
Aber auch die Nichteuroländer haben ihre roten Linien. Sie fürchten bei der Aufstellung von Bankenregeln für die gesamte EU künftig unter die Räder zu geraten, weil der geschlossene Euroblock automatisch alle Abstimmungen gewinnen würde. Die Briten verlangen daher ein Vetorecht bei Entscheidungen, die den größten europäischen Finanzplatz London berühren. Und die Nichteuroländer, die sich freiwillig dem Euro-Aufsichtsmechanismus anschließen wollen, akzeptieren keine Mitgliedschaft zweiter Klasse.
Sollte es trotz dieser Streitfragen zu einer Einigung kommen, dann kann tatsächlich die einheitliche Bankenaufsicht im neuen Jahr wie geplant die Arbeit aufnehmen. Aber das wird nur schrittweise geschehen. Und erst wenn die EZB voll funktionsfähig ist, kann der Euro-Rettungsfonds ESM maroden Banken direkt unter die Arme greifen. Das ist das, was die Krisenstaaten sich vor allem von der Bankenaufsicht erhoffen: weil dann nicht mehr der betroffene Staat für seine Banken haften muss, sondern letztendlich alle europäischen Steuerzahler.
"So schnell schmilzt der Schnee im Frühjahr nicht"
Man kann nicht gerade sagen, dass Schäuble dem entgegenfiebert. Und so warnt er schon mal vor überzogenen Erwartungen. Der Staat, der von solchen direkten Bankenhilfen profitiert, muss sich trotzdem einem strikten Spar-und Reformprogramm unterwerfen. Und das Geld im Rettungstopf sei auch nicht unendlich: "So schnell wie die Kapazität des ESM aufgebraucht wäre durch die Kapitalisierung aller Banken in Europa, so schnell schmilzt der Schnee im Frühjahr nicht, weder in den Pyrenäen noch in den Alpen."