Treffen der EU-Finanzminister Bewegung im Kampf gegen Steuerflucht
Milliardenbeträge entgehen EU-Staaten laut Schätzungen jährlich durch Steuerflucht. Nach jahrelangem Zaudern wollen die EU-Finanzminister das Thema anpacken. Luxemburg und Österreich, die schärfere Regeln bisher verhindert haben, zeigen sich gesprächsbereit.
Von Martin Bohne, MDR, ARD-Hörfunkstudio Brüssel
Heute wollen die Finanzminister etwas schaffen, woran sie jahrelang gescheitert sind: "Ich hoffe wirklich, dass wir uns grundsätzlich auf eine neue Zinsbesteuerungs-Richtlinie einigen können. Das wäre ausgesprochen wichtig", sagte der französische Finanzminister Pierre Moscovici.
Denn die derzeitige Gesetzeslage lässt Steuersündern viel zu viele Schlupflöcher offen. Zwar geben die meisten EU-Staaten schon seit 2005 Bankdaten von EU-Ausländern an deren Wohnsitzland weiter. Aber das betrifft nur die Zinserträge.
Auch Einkünfte aus Stiftungen sollen erfasst werden
Nun soll der automatische Informationsaustausch auf viele andere Kapitaleinkünfte ausgedehnt werden: auf Dividenden, auf Versicherungen, auf Veräußerungsgewinne, auf Investmentfonds und - besonders wichtig - auf die Einkünfte aus Trusts und Stiftungen. Diese Formen der Vermögensverwaltung sind eine beliebte Möglichkeit für reiche Mitbürger, ihr Vermögen im Ausland unentdeckt steuerfrei anzulegen.
Wieviel Geld dem Fiskus durch die grenzüberschreitende Steuerflucht entgeht, kann keiner genau sagen. Der Steuerexperte der Grünen im Europäischen Parlament, Sven Giegold, glaubt aber, dass es sich durchaus um eine Summe im dreistelligen Milliardenbereich jährlich handelt. Geld, das in der Schuldenkrise dringend gebraucht wird. "Die Summen, über die wir reden, sind sehr groß. Über die Steuerfrage könnten wir den Spardruck vermindern und die Möglichkeiten für Investitionen verbessern", sagt Giegold.
Frankreich als Vorkämpfer gegen Steuerflucht?
Kein Wunder, dass gerade Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici zum Vorkämpfer gegen die Steuerflucht geworden ist. Die Regierung in Paris propagiert in der Eurokrisenpolitik die Wende zur Wachstumsfreundlichkeit, muss aber eigentlich weiter eisern sparen. Und auch die öffentliche Empörung über aufgeflogene Steuerskandale trägt ihren Teil dazu bei, dass die Finanzminister nach Jahren des Zauderns das Thema Steuerflucht endlich entschlossener anpacken.
"Es ist offensichtlich, dass die Dinge in Bewegung sind, dass das Bankgeheimnis ausgedient hat", sagt Moscovici mit Blick auf die zwei Staaten, die bislang mit Verweis auf das Bankgeheimnis jeden Fortschritt in der EU blockiert haben. Österreich und Luxemburg beteiligen sich auch noch nicht am automatischen Informationsaustausch über die Zinserträge. Sie behalten stattdessen von ausländischen Kontobesitzern eine Quellensteuer ein, die sie zum großen Teil an das Heimatland des Anlegers abführen. Und die beiden Ländern verhinderten bislang auch die Aufnahme von Verhandlungen mit europäischen Drittstaaten wie der Schweiz und Liechtenstein, in denen EU-Bürger gern ihr Geld schwarz anlegen.
Politischer Druck für schärfere Regeln steigt
Aber nun ist der Druck offensichtlich zu groß geworden: Luxemburg will sich dem automatischen Informationsaustausch ab 2015 anschließen und gestern lenkte Finanzminister Luc Frieden auch beim Verhandlungsmandat mit den Drittstaaten ein. "Ich denke, dass Österreich diese Auffassung auch teilt, und dass wir gemeinsam diesem Mandat zustimmen können", sagt Frieden.
Ob die Minister dies heute schon tun oder ob sie durch Vorbehalte im Kleingedruckten noch auf Zeit spielen, ist nicht ganz klar. Und auch Österreichs Finanzministerin Maria Fekter, eine glühende Verteidigerin des Bankgeheimnisses, könnte noch einmal Rückzugsgefechte führen: "Mit dem automatischen Informationsaustausch ist ein massiver Eingriff in die Privatsphäre verbunden. Das heißt, hier schnüffelt der Staat doch sehr tief in den privaten Angelegenheiten der Kontoinhaber." Dennoch kündigte sie an, ein mögliches Mandat der EU-Kommission für entsprechende Verhandlungen mit der Schweiz und Liechtenstein zu erteilen.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zeigte sich denn auch nur vorsichtig optimistisch: "Ich glaube, dass wir gute Aussichten haben, wichtige Schritte voran zu kommen". Sollte das den Finanzministern nicht gelingen, muss sich der EU-Gipfel nächste Woche mit dem Thema beschäftigen.