EU-Gipfel zur Schuldenkrise Tagesziel verfehlt
Die EU-Staaten wollen die Konjunktur mit einem Wachstumspakt stärken, doch das Paket ist noch nicht abgesegnet. Offensichtlich blockieren Italien und Spanien. Rom fährt beim Gipfel große Geschütze auf. Ratspräsident Van Rompuy verspricht, trotzdem noch Erfolge vorlegen zu können.
Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
EU-Ratspräsident Herman van Rompuy redete lange um den heißen Brei herum. Dann musste er doch zugeben, dass der Gipfel sein Tagesziel verfehlt hat: "Wir haben die Arbeit über den Pakt für Wachstum und Beschäftigung noch nicht abgeschlossen."
Offensichtlich blockieren Italien und Spanien. Die beiden Länder wollen dem Wachstumspakt nicht ohne Gegenleistung zustimmen. Die beiden Länder ächzen unter hohen Zinsen und wollen, dass die Euro-Partner für Erleichterung sorgen." Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy sagte: "Ich glaube, dass die EU sich dessen bewusst sein muss, und ich hoffe, dass es eine Entscheidung gibt."
Monti fährt großes Geschütz auf
Und der italienische Premier Mario Monti hat ganz große Geschütze aufgefahren: Ohne ein positives Signal vom Gipfel könnten sich in seinem Land Kräfte durchsetzen, die den Euro zur Hölle schicken. Monti will, dass die Europäische Zentralbank - sobald eine bestimmte Zinshöhe erreicht ist - die Anleihen der bedrängten Länder aufkauft. Und dass der Euro-Rettungsschirm ESM diese Käufe absichert.
Allerdings ist so etwas im ESM-Vertrag, der im Bundestag vor der Abstimmung steht, nicht vorgesehen. Und so kam aus Berlin bislang ein klares Nein. Die Bundeskanzlerin schwieg sich zu dem Thema auf dem Gipfel bisher aus.
Unterstützung aus den Niederlanden
Aber dafür sprang ihr der niederländische Regierungschef Mark Rutte zur Seite: "Ich bin nicht bereit, über neue Instrumente nachzudenken. Es gibt im Rettungsschirm schon allerlei Instrumente - davon können die gefährdeten Länder ja Gebrauch machen."
Der Ausgang ist offen. Ratspräsident Van Rompuy versprach, dass man während des Gipfels noch zu Potte kommen werde: "Liebe Kollegen, ich hoffe inständig, dass wir bis morgen in der Lage sein werden, an all diesen Fronten voranzukommen. Die Europäer erwarten das von uns."
Die Grundzüge des Wachstumspakts sind dabei unumstritten: Es geht um ein Paket von 120 bis 130 Milliarden Euro. Der Bundeskanzlerin fiel die Zustimmung nicht schwer, denn zumeist handelt sich dabei um schon vorhandenes Geld, dass nur sinnvoller eingesetzt werden soll. An frischen Mitteln sind im Paket nur zehn Milliarden Euro enthalten. So viel neues Kapital sollen die Mitglied-Staaten in die EU-Hausbank einzahlen. Die Bank will damit Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe anschieben.
Merkel verteilt Vorab-Lob
Die Kanzlerin hatte sich und ihre Kollegen schon mal bei der Ankunft im Ratsgebäude, sozusagen vorab, gelobt: "Wir haben hier ein gutes Programm ausgearbeitet, insbesondere was Zukunftsinvestitionen anbelangt, vor allem aber auch was mehr Chancen für Beschäftigung anbelangt, insbesondere für junge Leute."
Nun sitzen die Regierungschefs beim Abendessen, das zu einem Nachtmahl geworden ist. Auf dem Menüplan steht neben den Sofortmaßnahmen für Italien und Spanien die Zukunft der Währungsunion. Auch das eine ziemlich schwere Kost - angesichts der gegensätzlichen Positionen. Merkel will erst eine richtige Haushaltsunion, die Schuldensünder an die Kandare nehmen kann, bevor man irgendwie geartete gemeinsame Haftung für Schulden angeht. Eine starke Gruppe der Südländer - angeführt von Frankreich - will es genau umgedreht.