Nach gescheitertem EU-Gipfel Die Quadratur des Brüsseler Haushaltskreises
Nach dem geplatzten EU-Haushaltsgipfel muss Ratspräsident Van Rompuy nacharbeiten: Anfang 2013 soll er einen neuen Budgetentwurf vorlegen. Doch die Interessen von Spargegnern und Sparbefürwortern innerhalb der EU zusammenzuführen, kommt einer Quadratur des Kreises gleich.
Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
So viel Einigkeit war selten. Die europäischen Chefpolitiker deuteten den ergebnislosen Haushaltsgipfel unisono zum Erfolg um - als ob die Einigung nur noch eine Formsache sei. Selbst Europas notorischer Störenfried, der Brite David Cameron, wollte da nicht ganz aus der Reihe tanzen: "Wir glauben, dass ein gutes Ergebnis erreichbar ist", sagte er.
Gipfelchef Herman Van Rompuy solle nun weiter am Zustandekommen eines solchen guten Ergebnisses arbeiten - und möglichst bald fertig werden, erläutert Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Es geht um den Beginn des nächsten Jahres. Van Rompuy, unser Präsident, wird uns mitteilen, wann er glaubt, dass er so weit ist." Einen Termin für einen neuen Haushaltsgipfel gibt es also noch nicht. Schon das ist ein Beleg dafür, dass der Weg für die Annäherung noch weit ist.
Ein Entwurf, der keinem gefällt
Ausgangspunkt ist Van Rompuys Entwurf von Donnerstagabend, der von allen Seiten mehr oder weniger lautstark abgelehnt wurde. Der Gipfelchef schlägt darin Ausgaben in Höhe von etwas mehr als einer Billion Euro für die nächste Siebenjahresperiode vor.
"Das sind 80 Milliarden weniger als im ursprünglichen Entwurf der EU-Kommission und in realen Preisen sogar eine Kürzung im Vergleich zur Periode von 2007 bis 2013", sagte er. Vielen ärmeren EU-Mitgliedern ist das viel zu viel der Kürzungen, einigen reicheren Nettozahlern viel zu wenig.
Wie die Quadratur des Kreises zwischen Spargegnern und Sparwütigen gelingen soll, das will die Bundeskanzlerin nicht sagen: "Es sind in der Tat eine Vielzahl von X in diesen Tabellen. Ich möchte mich heute im Sinne des guten Geistes nicht zu den einzelnen Positionen äußern."
"Brüssel existiert wie in einem Paralleluniversum"
Der britische Premier hält nichts vom Merkelschen Sinn des guten Geistes. Er pocht auf Einsparungen in Milliardenhöhe beim Brüsseler Beamtenapparat. Aber Van Rompuy ist bisher nicht bereit, dort den Rotstift anzusetzen. Camerons bissiger Kommentar: "Brüssel existiert weiter wie in einem Paralleluniversum. Die EU-Institutionen müssen sich an die reale Welt anpassen." Und auch andere Regierungschefs haben Sonderwünsche und rote Linien.
Frankreich und Spanien wehren sich mit Händen und Füßen gegen eine Kürzung bei den Agrarsubventionen. Die Osteuropäer, angeführt von Polen, wollen keine Einschnitte bei der Förderung ärmerer Regionen hinnehmen. Und die Bundeskanzlerin: Sie will sparen, aber möglichst wenig im Agrarbereich und bei den Subventionen für die ostdeutschen Bundesländer.
Noch genug Zeit zum Verhandeln
Der jetzige Finanzplan läuft Ende 2013 aus. Noch sind also einige Monate Zeit, um sich auf einen Haushalt zu einigen. Sollte das nicht rechtzeitig gelingen, gibt es ab 2014 nur noch jährliche Haushalte, die Obergrenzen des jetzigen Finanzplans gelten dann weiter. Die Bundeskanzlerin will das aber auf jeden Fall vermeiden: "Wir müssen immer uns vor Augen führen, was es bedeuten würde, wenn wir uns nicht einigen. Diese Möglichkeit ist extrem unattraktiv."
Nicht nur, dass es dann jedes Jahr und nicht nur alle sieben Jahre zum großen Gefeilsche um Euro und Cent kommen würde. Vor allem gäbe es keine Planungssicherheit für mehrjährige EU-Förderprojekte mehr. Dies wäre ein Tiefschlag für die europäische Regional-, Forschungs- und Infrastrukturpolitik.
Mit dem Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) legt die EU Obergrenzen und Schwerpunkte ihrer Haushalte fest. Für einen Zeitraum von sieben Jahren werden unter anderem die maximalen Gesamtausgaben und die Verteilung auf wichtige Aufgabenbereiche vereinbart. Innerhalb dieser Vorgaben müssen sich später die jährlichen Etats bewegen.
Wie der MFR zustande kommt, ist im Vertrag von Lissabon festgelegt. Es handelt sich im Kern um eine Verordnung. Den Vorschlag dafür legt die EU-Kommission vor. Im nächsten Schritt verhandeln die Regierungen der EU-Staaten über einen Kompromiss, sie können die MFR-Verordnung nur einstimmig beschließen. Zuvor muss aber auch das Europaparlament zustimmen. Wegen des drohenden Vetos beeinflussen die Änderungswünsche der Parlamentarier die Beratungen der Regierungen der EU-Staaten. Kommt es nicht rechtzeitig zu einer Einigung, gelten die Obergrenzen des letzten Jahres aus dem vorangegangenen MFR zunächst weiter.