Kolumne Euroschau Leise Töne vom angeschlagenen Draghi
Bislang habe die Taktik von Mario Draghi bestens funktioniert, doch zuletzt habe der EZB-Chef den Bogen überspannt, meint Klaus-Rainer Jackisch. Die Kritik an der Politik des billigen Geldes wird denn auch immer lauter - der niedrige Ölpreis tut sein Übriges.
Mario Draghi ist ein gewiefter Taktiker: Wenn er umstrittene Maßnahmen durchdrücken will, setzt er sich selbst in Szene. Oder er mobilisiert loyale Kollegen. Zusammen stimmen sie die Finanzmärkte über die Medien auf eine Handlungsweise ein, über die der EZB-Rat noch gar nicht entschieden hat.
Kritiker in den eigenen Reihen kommen so schnell in eine schwierige Position. Um Präsident und Institution nach außen hin nicht zu brüskieren, haben sie zwei Möglichkeiten: Entweder sie kuschen und nicken alles ab, auch wenn es ihnen nicht gefällt. Oder sie üben intern deutliche Kritik und gelten dann als ewige Nörgler, die man mit einer Watsche aber schnell auf ihren Platz verweist. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat da leidvolle Erfahrungen gemacht. So werden die internen Gegner von Anfang an kalt gestellt. Die umstrittene Maßnahme wird durchgepeitscht.
Bogen überspannt
Bislang hat Draghis Taktik immer funktioniert. Doch im Vorfeld der EZB-Ratssitzung Anfang Dezember hat er den Bogen überspannt. Erstmals in seiner Amtszeit waren die Kritiker nicht bereit, sich auf diese Weise über den Tisch ziehen zu lassen. Sie probten im Vorfeld den Aufstand. Konkret weigerten sie sich, die geplante Ausweitung der außerordentlichen Maßnahmen mitzutragen. Um ein Debakel im EZB-Rat zu vermeiden, schwenkte der Präsident um: zwar drückte er eine Verlängerung des Anleihe-Kaufprogramms und eine Erhöhung der Strafzinsen für Einlagen der Banken bei der Notenbank durch. Doch die zuvor lautstark angedeutete Ausweitung des Kaufvolumens ließ er fallen. Denn die Kritiker machten nicht mit. Die Folge: Heftige Kursverluste an den Aktienmärkten, weil die EZB erstmals nicht das lieferte, was Draghi und Co. im Vorfeld versprochen hatten.
Seitdem hat das Vertrauen in die EZB und seinen Präsidenten einen Knacks. Im Vorfeld der ersten Ratssitzung des neuen Jahres sind die Töne aus der Zentralbank deshalb ungewöhnlich leise. Mit einer Verschärfung der außerordentlichen Maßnahmen an diesem Donnerstag wird nicht gerechnet. Also auch nicht mit einer Erhöhung des Volumens des Anleihe-Kaufprogramms.
Niedrige Ölpreise = niedrige Inflation
Tatsächlich ist fraglich, ob dies etwas bewirken würde. Bislang ist die EZB-Politik jedenfalls nicht besonders erfolgreich, um die Inflationsrate wieder annähernd an die gewünschten zwei Prozent zu bekommen. Im Dezember lag sie im Euroraum bei nur 0,2 Prozent. Dabei wird im letzten Monat des Jahres wegen des Weihnachtsgeschäftes traditionell besonders stark konsumiert.
Kein Wunder: die Ölpreise sind weiter im freien Fall. Zum einen, weil die Nachfrage sinkt. Zum anderen, weil die Märkte mit Öl überschwemmt werden. Die niedrigen Preise machen Autofahren und Heizen billiger und drücken somit die Inflationsrate in den Keller. Eine besondere Situation, die nur bedingt etwas über wirtschaftliche Schwächen im Euroraum aussagt.
Positive Effekte, aber kein Durchbruch
Welchen Sinn macht es, noch mehr Anleihen zu kaufen, um übervolle Öltanker in Schach zu halten? Das fragen schon lange die Kritiker der EZB-Politik. Ganz so einfach ist die Gleichung zwar nicht. Denn die außerordentlichen Maßnahmen der Notenbank zeigen auch positive Effekte: Die Kreditvergabe im Euroraum läuft etwas besser, die Konjunktur zieht in einigen Staaten des Euroraumes leicht an. Aber insgesamt hat das Programm tatsächlich nicht zum großen Durchbruch geführt und liegt weit unter den Erwartungen. Das müssen selbst die Währungshüter zugeben. Dass eine erneute Ausweitung der Maßnahmen hilft, bezweifeln mittlerweile viele Volkswirte und große Teile der Wirtschaft.
Sorge um Altersversorgung
Hier wird die Kritik an der Politik des billigen Geldes immer stärker. Allianz-Chef Oliver Bäte spricht schon von "finanzieller Repression" durch die EZB. Gemeint ist, dass die Notenbank die Ersparnisse der Bürger entwertet, um Konsum und Investitionen anzukurbeln. Dies allerdings ohne wirklichen Erfolg. Dahinter steckt auch die nicht unberechtigte Sorge über immer weiter sinkende Renditen etwa von Lebensversicherungen - eine wichtige Altersvorsorge fast jedes Deutschen. Während große Versicherungsgruppen genug angespart haben, um auch längere Durstrecken durchzustehen, sieht es bei vielen kleinen Häusern schon viel brenzliger aus: Das niedrige Zinsniveau macht ihnen schwer zu schaffen. Ähnlich die Situation bei vielen Pensionskassen. All diejenigen, die in zehn bis zwanzig Jahren in Rente gehen, werden die jetzige EZB-Politik ausbaden müssen - mit gravierenden Kürzungen ihrer Altersvorsorge bei gleichzeitig minimaler staatlicher Rente.
EZB-Präsident Mario Draghi lässt diese Kritik kalt. Zu diesem Zeitpunkt wird er selbst längst im schönen Italien in Pension sein. Um seine Altersversorgung muss er sich sicherlich keine Sorgen machen.