Wem das Projekt nützen würde Wer profitiert vom Freihandel?
Die angestrebte Freihandelszone zwischen der EU und den USA weckt viele Hoffnungen. Doch wem brächte das Abkommen wirklich Vorteile? Was hätten die Kunden davon? Und welche Risiken bergen die Pläne? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen.
Welche Vorteile hätte das Freihandelsabkommen?
Es entstünde ein riesiger Wirtschaftsraum mit mehr als 800 Millionen Verbrauchern. Ohne Zölle und andere Handelsbarrieren käme der ohnehin schon rege Handel zwischen beiden Kontinenten weiter in Schwung. Die Zölle zwischen den USA und der EU sind zwar schon jetzt vergleichsweise niedrig. Sie liegen laut Außenhandelsverband BGA im Schnitt zwischen fünf und sieben Prozent. Weil allerdings allein im vergangenen Jahr Waren und Dienstleistungen im Wert von rund 500 Milliarden Euro aus der EU in die USA exportiert oder von dort importiert wurden, könnten die Unternehmen durch eine Freihandelszone viele Milliarden sparen.
Wirtschaftsverbände erwarten in diesem Fall auch weniger Bürokratie und mehr Spielraum für Investitionen. Hinzu kommt der Abbau weiterer Handelshemmnisse. Dazu zählen etwa technische Standards. Wenn etwa die Sicherheitsstandards für Autos auf beiden Seiten des Atlantiks angeglichen würden, könnten die Hersteller viel Geld sparen. Experten erwarten, dass die Wirtschaftsleistung durch die Vorteile einer solchen Freihandelszone in der EU um 0,5 Prozent und in den USA um 0,4 Prozent stiege.
Wie könnte Deutschland profitieren?
Für Deutschland als Exportnation hätte das Freihandelsabkommen große Vorteile. Bei den Ausfuhren sind die USA derzeit Deutschlands zweitwichtigster Handelspartner. "Das Freihandelsabkommen könnte unsere Exporte in die Vereinigten Staaten um jährlich drei bis fünf Milliarden Euro erhöhen", sagt der Außenhandelschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier. Viele Unternehmen hoffen zudem darauf, einen besseren Zugang zu öffentlichen Aufträgen in den USA zu bekommen.
Welche Punkte sind strittig?
Für Konflikte sorgt insbesondere das Thema Landwirtschaft. Der Umgang mit gentechnisch veränderten Pflanzen und dem Fleisch hormonbehandelter Tiere könnte auf beiden Seiten des Atlantiks kaum gegensätzlicher sein. Einige Experten halten es daher für besser, das Thema aus den anstehenden Verhandlungen ganz auszuklammern. Ein weiteres Problem ist die Angleichung der verschiedenen Standards für zahlreiche Produkte. Deren unterschiedliche Entwicklung über viele Jahre erschwert eine rasche Einigung auf gemeinsame Vorgaben. Auf beiden Seiten des Atlantiks gibt es zudem mächtige Industrien, die Konkurrenz verhindern wollen und sich möglichen Vereinbarungen mit aller Macht widersetzen könnten.
Welche Nachteile hätte das Abkommen?
Risiken betreffen vor allem die Handelsbeziehungen zu Staaten außerhalb der EU und der USA. Es besteht die Gefahr, dass sich Handelsblöcke bilden, wenn eine Art transatlantische Wirtschafts-NATO entstünde. Dies könnte dazu führen, dass sich diese Handelsblöcke zunehmend als Konkurrenten und weniger als Partner gegenüberstehen. EU und USA könnten in der Folge gegenüber Ländern wie China an Einfluss verlieren. Strittig ist, ob die Vereinbarung europäisch-amerikanischer Standards eher eine Leitfunktion für die globale Entwicklung hätte oder eher massiven Widerstand in Ländern wie China auslösen dürfte, die sich kaum von Westen Produktstandards vorschreiben ließen.
Was hätten die Verbraucher davon?
Wirtschaftsverbände versprechen den Kunden günstigere Preise durch sinkende Kosten. Ob die Unternehmen ihre Einsparungen aber tatsächlich an die Verbraucher weitergeben oder ob sie nur ihre Gewinne steigern, bleibt ihnen selbst überlassen. Theoretisch könnten die Kunden Produkte auch schneller bekommen, wenn es einheitliche Standards gäbe. Es wäre dann beispielsweise möglich, dass ein Medikament in den USA zugelassen wird und diese Zulassung automatisch auch für die EU gilt.
Warum kommt das Thema jetzt auf die Tagesordnung?
Eine transatlantische Freihandelszone ist schon seit den 1990er-Jahren im Gespräch. Seither spüren EU und USA, wie ihr Einfluss im Zuge der Globalisierung schrumpft und aufstrebende Volkswirtschaften in Asien an Bedeutung gewinnen. Zudem sind auf beiden Seiten des Atlantiks die negativen Folgen der Finanz- und Schuldenkrise spürbar. Eine Freihandelszone könnte ohne große Kosten die Wirtschaft ankurbeln. Auch die mangelnden Fortschritte bei den Gesprächen der "Doha-Runde" über den weltweiten Freihandel verstärken die Bereitschaft, sich bilateral zu einigen.
Wie geht es weiter?
Nach den seit 2011 laufenden Vorbereitungen einer Arbeitsgruppe sollen noch in der ersten Hälfte des laufenden Jahres konkrete Verhandlungen beginnen. Die EU-Kommission hofft, dass das Abkommen bis 2015 steht. Die Kommission selbst führt zwar die Verhandlungen. Eine Vereinbarung mit den USA bedarf aber der Zustimmung aller 27 EU-Staaten und des Europaparlaments. Allgemein wird damit gerechnet, dass es Jahre dauern wird, bis das geplante Freihandelsabkommen tatsächlich in Kraft treten könnte. Die Verhandlungen der EU über eine vergleichbare Vereinbarung mit Südkorea zogen sich vier Jahre hin.