Miserable Arbeitsbedingungen Was sich für Paketboten ändern soll
Schlecht bezahlt, schlecht versichert, miese Arbeitsbedingungen: Paketbote ist ein Knochenjob. Nun hat die Koalition nach einigem Streit Verbesserungen für die Beschäftigten beschlossen. Worum geht es genau? Ein Überblick.
Was ist das Problem?
Die Paketindustrie boomt. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 3,5 Milliarden Pakete ausgeliefert. In den kommenden Jahren soll diese Zahl weiter steigen, vor allem wegen des wachsenden Online-Handels. Gleichzeitig aber wird es für Paketzusteller wie DHL, UPS, GLS und Hermes immer schwerer, Fahrer zu finden. Viele Paketdienste lagern die Zustellung an Subunternehmer aus. Diese stellen oftmals Fahrer aus Süd- und Osteuropa an - aus der Ukraine, aus Moldawien, aus Weißrussland - und das zu miserablen Konditionen.
Laut ver.di-Chef Frank Bsirske herrschten "mafiöse Strukturen". Teilweise würden Stundenlöhne von 4,50 Euro bis sechs Euro gezahlt. Der Mindestlohn beträgt in Deutschland seit diesem Jahr 9,19 Euro pro Stunde. Außerdem müssten die Paketboten teilweise 12 bis 16 Stunden pro Tag arbeiten, so Bsirske. Zuletzt gebe es "erhebliche Belege für massiven Missbrauch, also Schwarzgeldzahlungen und Sozialversicherungsbetrug", sagte der ver.di-Chef.
Vor allem dagegen will Hubertus Heil vorgehen: Schlechte Bezahlung, sagte der Bundesarbeitsminister, sei eine Sache. Dass der soziale Schutz aber ausgehebelt würde, könne er nicht hinnehmen. "Es zerbricht der soziale Frieden in unserem Land, wenn man solchen Missentwicklungen tatenlos zuschaut."
Was schlägt Arbeitsminister Heil vor?
Bundesarbeitsminister Heil will Paketdienste für die Arbeitsbedingungen der Paketboten verantwortlich machen. Das bedeutet, sollten Subunternehmer etwa beim Mindestlohn betrügen oder Fahrer illegal beschäftigen, dann sind die Paketdienste dazu verpflichtet, die Sozialabgaben für die Subunternehmer nachzuzahlen. Ursprünglich kommt diese sogenannte Nachunternehmerhaftung aus der Baubranche und wird in Paragraph 28 des vierten Sozialgesetzbuches geregelt. Der Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Heil sieht vor, die Paketbranche in diesen Paragraph aufzunehmen. Seit 2017 wird auch die Fleischwirtschaft darin geregelt.
Was bedeutet das für die Unternehmen?
Die großen Paketdienste müssen nach diesem Gesetzesvorschlag kontrollieren, ob ihre Subunternehmer sich an das geltende Gesetz halten. Ausgenommen sind davon jene Subunternehmen, die zuvor besonders geprüft wurden. Für Unternehmen bedeutet das Gesetz einen höheren bürokratischen Aufwand und mögliche finanzielle Belastung.
Den Gewerkschaften zufolge ist der Arbeitsmarkt in der Paketbranche zweigeteilt. Der Marktführer DHL arbeitet zu 98 Prozent mit eigenen Fahrern. Auch UPS beschäftigt kaum Subunternehmer. Auf sie würden Heils Pläne demnach deutlich geringere Auswirkungen haben.
Was sagen die Paketdienste?
Sie weisen die Vorwürfe zurück, Löhne durch den Einsatz der Subunternehmer bewusst zu drücken. Der Bundesverband Paket & Expresslogistik erklärte, die Unternehmen verpflichteten die Subunternehmer dazu, den Mindestlohn zu zahlen und Arbeitszeiten aufzuzeichnen.
Der Bund Deutscher Arbeitgeberverbände kritisierte, der Staat dürfe nicht seine eigene Aufgabe - nämlich die Durchsetzung des Mindestlohns - auf Unternehmen abwälzen. Diese hätten kaum Möglichkeiten, Rechtsverstöße bei einem Vertragspartner auszuschließen. Das Haftungsrisiko für Unternehmen sei deswegen unverhältnismäßig hoch.
Warum war der Vorschlag umstritten?
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier kritisierte, das Gesetz belaste Unternehmen zu stark. In Zeiten einer ohnehin schwachen Konjuktur sollten solche Maßnahmen aufgeschoben werden, die Belastungen für die Wirtschaft bedeuteten. Im vergangenen Monat erst hatte die Bundesregierung ihre Konjunkturprognose erneut nach unten korrigiert. Zwar wächst die Deutsche Wirtschaft demnach weiterhin, allerdings deutlich langsamer. Allerdings gab es auch Unterstützung für Heils Vorstoß aus der Union.
Werden Pakete nach einer möglichen Gesetzesänderung teurer?
Die Paketbranche reagiert bereits auf aktuelle Entwicklungen. Die Post-Tochter DHL hatte schon im vergangenen Jahr die Versandkosten für Geschäftskunden erhöht. Anfang des Jahres folgten Pakete bis fünf Kilogramm. Vor zwei Wochen kündigte Post-Chef Frank Appel dann an: "Generell müssen sich Kunden auf steigende Paketpreise einstellen." Das Unternehmen reagiere damit auf Lohn- und Kostensteigerungen in der Branche. Dass sich weitere Paketdienste an dieser Linie orientieren, ist wahrscheinlich. DHL hat bundesweit einen Marktanteil von mehr als 45 Prozent.
Mit Material von dpa.