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UniCredit-Einstieg bei Commerzbank "Nicht jedes Land braucht eine eigene Bank"

Stand: 13.09.2024 15:48 Uhr

Die mögliche Übernahme der Commerzbank durch die italienische UniCredit stößt in Deutschland auf Widerstand. Experten sehen die Pläne dagegen als Chance, auch für die Beschäftigten.

Von Alina Leimbach, ARD-Finanzredaktion

Der überraschende Kauf von Commerzbank-Anteilen durch die italienische UniCredit hat für Furore gesorgt. UniCredit-Chef Andrea Orcel wirbt offensiv für den Zusammenschluss der beiden Geldhäuser. "Wir können uns konstruktiv an der Frage beteiligen, ob wir alle etwas mehr als nur den Wert schaffen wollen, den die Commerzbank allein erreichen kann", sagte Orcel dem Sender Bloomberg.

Doch die Übernahmepläne stoßen auf teilweise heftigen Widerstand. So etwa bei der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Die Übernahme müsse abgewendet werden, forderte der Ver.di-Chef Frank Werneke: "Bundesfinanzminister Christian Lindner muss jetzt ein klares Bekenntnis zum Standort Deutschland abgeben und sich der drohenden Übernahme der Commerzbank durch die UniCredit entgegenstellen." Er forderte die Bundesregierung auf, den Verkauf weiterer Anteile an der Commerzbank AG zu unterbinden. Auch die Commerzbank selbst reagierte Berichten zufolge zurückhaltend.

Bankenexperte: "Eine positive Nachricht"

Doch Ökonomen beurteilen die Pläne überwiegend positiv - und sehen in einer Übernahme sogar eine Chance. "Es ist eine positive Nachricht, dass sich die Commerzbank mit dem Kaufinteresse einer anderen europäischen Großbank konfrontiert sieht. Und das in mehrfacher Hinsicht", sagte der renommierte Frankfurter Bankenexperte Jan Krahnen tagesschau.de.

Zum einen, weil die Commerzbank als entwicklungsfähig gesehen werde. Das sei in Deutschland zuletzt nicht unumstritten gewesen, so der Gründer und Senior Fellow des Leibnitz-Instituts für Finanzmarktforschung (SAFE). Immerhin musste die angeschlagene Bank 2009 vom Staat gerettet werden. Zuletzt hatte sich die Lage zwar stabilisiert, doch neben Entlassungen und Einsparungen bei Filialen trugen dazu auch die gestiegenen Zinsen bei.

Mittelfristig könnten Beschäftigte profitieren

Auch Marc Liebscher von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger sieht in einer möglichen Übernahme eine gute Nachricht. "Die UniCredit ist ein erfolgreiches Bankhaus. Schon vor Jahren hat sie die Hypovereinsbank übernommen und erfolgreich dort gewirtschaftet", sagte er der ARD-Finanzredaktion.

Gingen die Geldhäuser zusammen, könnte dadurch erst einmal weiter gespart werden. Die UniCredit sei dafür bekannt, dass sie ein harter Sanierer ist. "Das heißt, dass sie Redundanzen abbaut, dass sie nicht benötigte Geschäftsprozesse strafft, dass sie Digitalisierung einsetzt und die Dinge zügig voranbringt." Ein solches Programm wäre gut für die Commerzbank, findet er.

Harte Sanierung und der "Abbau von Redundanzen" - das klingt nach schlechten Aussichten für die Beschäftigten. Doch der Finanzmarktexperte Krahnen glaubt: "Es ist sogar eine positive Nachricht für die Mitarbeiter." Er kann sich vorstellen, dass ein Einstieg mittelfristig eine Ausdehnung der Commerzbank-Geschäfte in Deutschland bedeuten könne. "Es ist gut vorstellbar, dass dann neues Investitionskapital in den Standort fließt. Mehr als die schwächelnde Commerzbank alleine hätte investieren können."

Kritik an bisherigen Praxis in Deutschland

Der Schlüssel liege darin, dass eine große europäische Bank neue und größere Geschäftsgebiete erschließen könne. "Sich nur auf einen kleinen Markt zu fokussieren ist, wie es die Commerzbank mit dem deutschen Markt gerade tut, nicht besonders klug. Das ist so, als würde ein deutscher Autohersteller nur in Deutschland Autos verkaufen." In andere Märkte vorzudringen, sich einen großen Namen aufzubauen, der für Innovationen und neue Ideen steht, das sei das Erfolgsrezept für die Zukunft, sagte Finanzmarktwissenschaftler Krahnen. 

Er finde die Skepsis in Deutschland überholt: "Man muss sich von dem Gedanken verabschieden, dass jedes Land eine eigene nationale Bank braucht." Deutschland sei in dieser Hinsicht stehengeblieben. "Das sieht man auch daran, dass die Commerzbank von UniCredit übernommen werden könnte und nicht umgekehrt."

Nur fünf bis zehn Banken könnten in Europa übrig bleiben

Für Krahnen ist klar: Der Trend geht ohnehin zu großen europäischen Banken. "Man sieht überall, wie Bankhäuser ihre Fühler ausstrecken in andere Länder und wachsen wollen - etwa Santander, ING, BNP und UniCredit", sagte der Experte für Bankenregulierung. In Expertenkreisen sei klar, dass so die Zukunft des europäischen Bankensektors aussehe - "mit am Ende vielleicht fünf bis zehn großen, europäischen Banken".  Nur so könne man mit anderen großen Geldhäusern weltweit konkurrieren. Auch die EU-Kommission forciere das. 

Im Falle einer Übernahme durch die UniCredit könnte ein Bankenriese entstehen, der einen Marktwert von fast 74 Milliarden Euro erreicht und in Europa Platz 2 nach der britischen HSBC einnehmen würde.

Wirtschaftsweise: Branche zu kleinteilig

Auch die Wirtschaftsweise Ulrike Malmendier sieht in einem möglichen Zusammenschluss der italienischen Großbank UniCredit mit der Commerzbank mehr Chancen als Risiken - sowohl für den Standort Deutschland als auch für die Finanzindustrie und den EU-Kapitalmarkt. "Wenn Europa auf dem globalen Finanzmarkt mithalten will, darf die Branche nicht mehr so kleinteilig organisiert bleiben", sagte das Mitglied des Sachverständigenrates Wirtschaft der Nachrichtenagentur Reuters. Die Internationalisierung könne durch ein Zusammengehen der beiden Häuser vorangetrieben werden.

Der Zusammenschluss macht aus Sicht von Beobachtern auch insofern Sinn, als UniCredit und Commerzbank sich gut ergänzen könnten. UniCredit sei sehr stark in der norditalienischen Industrieregion, die eine ähnliche Wirtschaftsstruktur habe wie der deutsche Süden, findet Finanzwissenschaftler Krahnen. Für UniCredit ist die Commerzbank zudem attraktiv, da sie stark im Mittelstandsgeschäft in Deutschland engagiert sei, sagte Liebscher von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. UniCredit könne dadurch sein Mittelstandsgeschäft stärken.

Bundesregierung nicht grundsätzlich gegen Zusammenschluss

Größter Anteilseigner der Commerzbank ist immer noch der Bund mit 12 Prozent der Aktien. Im Zuge der Banken-Rettung 2008 war der Staat bei dem kriselnden Geldinstitut eingestiegen, will sich nun aber nach und nach vollständig von den Anteilen trennen. Die UniCredit hat bereits Schritte angekündigt, um ihre Anteile an der Commerzbank weiter aufstocken zu können. Ab einem Anteil von über zehn Prozent müssen Investoren die Genehmigung der Bankenaufsicht einholen. Auch eine Kooperation hält UniCredit-Chef Orcel für denkbar.

Die Nachrichtenagentur Reuters meldete heute, dass der Bund einem Insider zufolge nicht grundsätzlich gegen ein Zusammengehen der Commerzbank mit ihrem neuen italienischen Anteilseigner UniCredit sei. "Die Bundesregierung ist nicht per se gegen einen Zusammenschluss, muss aber Wünsche der Commerzbank mit in Überlegungen einbeziehen. Es gibt ja offensichtlich eine starke Ablehnung in der Belegschaft", wurde eine Person aus deutschen Regierungskreisen zitiert. Zunächst seien jetzt die Banken selbst am Zug. Sie müssten klären, was sie eigentlich wollen - und was nicht.

Mit Informationen von Bianca von der Au.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 12. September 2024 um 19:19 Uhr.