Geldpolitik der US-Notenbank Die vorerst letzte Zinserhöhung der Fed?
Heute Abend dürfte die Fed die Zinsen abermals erhöhen - womöglich zum vorerst letzten Mal. Doch die Hoffnungen auf Zinssenkungen im Jahresverlauf könnten sich als verfrüht erweisen.
Der historisch aggressivste Zinserhöhungszyklus der Fed steht womöglich vor seinem Ende. Heute Abend dürfte die US-Notenbank zum zehnten Mal in Folge den Leitzins in die Höhe schrauben. Ökonomen rechnen mit einem kleinen Zinsschritt von 0,25 Prozentpunkten auf eine Spanne von dann 5,0 bis 5,25 Prozent. Marktbeobachtern zufolge dürfte es die vorerst letzte Zinserhöhung der US-Währungshüter um Fed-Chef Jerome Powell sein.
Kerninflation weiter auf hohem Niveau
Der Markt setzt nun auf eine Zinspause, ja sogar auf Zinssenkungen im weiteren Jahresverlauf. Doch hat er da die Rechnung womöglich ohne die Fed gemacht? Fakt ist: Die US-Notenbank dürfte im Juni zunächst die Füße stillhalten, um die Gesamtwirkung der bisherigen geldpolitischen Straffung zu bewerten. Mit einer historisch beispiellosen Serie von raschen Zinserhöhungen hat sie seit März 2022 versucht, der galoppierenden Inflation Herr zu werden und die Teuerungsrate wieder in Richtung ihres Ziels von 2,0 Prozent zu drücken.
Doch so richtig erfolgreich war sie mit ihren Bemühungen bislang nicht. So lag die viel beachtete Kerninflation, also die Teuerungsrate ohne die volatilen Energie- und Nahrungsmittelpreise, im März noch immer auf hohen 5,6 Prozent. "Die Fed hat im Kampf gegen die Inflation noch keinen durchschlagenden Erfolg erzielt", monieren daher die Commerzbank-Ökonomen Marco Wagner und Bernd Weidenfeld.
Fed will weitere Zinserhöhungen nicht ausschließen
Vor diesem Hintergrund wundert es denn auch kaum, dass sich die Währungshüter selbst die Tür für weitere Zinserhöhungen bislang stets offen ließen. Auch heute Abend dürfte Powell noch nicht signalisieren, dass der Straffungszyklus der Fed bereits beendet ist, betont François Rimeu, Anlagestratege des Vermögensverwalters La Française AM.
Die Marktspekulationen auf Zinssenkungen im Jahresverlauf werden von den jüngsten Aussagen der Fed-Mitglieder ohnehin nicht gedeckt. Diese haben immer wieder durchblicken lassen, dass der finale Zinssatz - sobald er einmal erreicht ist - für einen langen Zeitraum beibehalten wird. Insbesondere Fed-Chef Powell habe immer wieder auf die Risiken hingewiesen, die mit einer zu frühen Lockerung verbunden sind, unterstreichen die Commerzbank-Ökonomen Wagner und Weidenfeld.
Deutlich tiefere Zinsen zum Jahresende?
So skeptisch manche Experten auch sind, so weit voraus geeilt sind die Zinssenkungserwartungen der Anleger. Erhellend ist in diesem Kontext ein Blick auf das Fed Watch Tool der CME Group, wonach die Fed bereits ab September beginnen dürfte, die Zinsen wieder zu senken. Zum Jahresende dürfte der Leitzins dann den Markterwartungen gemäß bereits deutlich tiefer bei 4,25 bis 4,5 Prozent liegen.
"Die spannende Frage der heutigen Sitzung besteht darin, inwiefern die gehandelten Erwartungen der Investoren an den Zinssenkungspfad ab Herbst 2023 Bestand haben", erklärt Marktexperte Robert Rethfeld von Wellenreiter-Invest. Erste Zinssenkungen seien aber vorstellbar, sobald die US-Wirtschaft schwächer wird, die Kreditbedingungen sich weiter verschärfen und US-Arbeitslosenzahlen steigen und die Inflationszahlen sich weiter beruhigen.
Etwaige Rezession und Kreditklemme als Unsicherheitsfaktoren
Sollte es nämlich zu einer Rezession kommen, so würde sich das Inflationsproblem womöglich von allein lösen, so die Erwartung vieler Experten. Auch im Falle einer merklichen Verschärfung der Kreditvergabebedingungen der Banken würde die US-Wirtschaft stark abbremsen, was wiederum die Teuerung drücken würde.
"Bei ihrer Einschätzung der künftigen Inflationsdynamik wird die Fed die Verschärfung der Kreditbedingungen infolge der Schwierigkeiten bei den US-Regionalbanken berücksichtigen müssen", betont Franck Dixmier, Anleihenchef des Vermögensverwalters Allianz Global Investors. "Der Druck auf die regionalen Banken dürfte in den kommenden Monaten zu einem erheblichen Rückgang der Kreditversorgung der Wirtschaft führen."
Großes Enttäuschungspotenzial für Aktienmärkte
Die zuletzt immer wieder getätigte Aussage der Fed, man werde "datenabhängig" entscheiden, ergibt insofern weiterhin absolut Sinn. Unterm Strich bleiben gehörige Zweifel an der Hoffnung vieler Anleger auf eine künftig deutlich lockerere Geldpolitik der US-Notenbank angebracht.
Die Spekulation auf sinkende Zinsen im Jahresverlauf könnte sich als Irrweg erweisen, sollte die Fed zu der Erkenntnis kommen, dass die Inflation immer noch deutlich über ihrem Zielwert liegt und die Probleme im Bankensektor nicht allzu besorgniserregend sind. Für die Aktienmärkte dies- wie jenseits des Atlantik liegt hier viel Enttäuschungspotenzial begraben.