Bundesbank-Präsident Nagel warnt vor verfrühten Zinssenkungen der EZB
Der Chef der Deutschen Bundesbank spricht sich für eine Geldpolitik des Abwartens aus. Bis 2025 könne die Inflation unter Kontrolle sein. Vorschnell die Zinsen zu senken, wäre aus seiner Sicht "fatal".
Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hat vor einer zu schnellen Zinssenkung im Euroraum gewarnt. "In früheren Zinszyklen war Abwarten stets der bessere Ansatz, als zu früh zu reagieren", sagte er in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters am Rande des G20-Treffens im brasilianischen Sao Paulo. "Es wäre fatal, wenn wir zu früh Zinsen senken und dann kommt die Inflation nochmal zurück." Das sei auch eine Frage der Glaubwürdigkeit. Sonst seien stärkere Schwankungen an den Finanzmärkten zu befürchten.
Nagel zufolge ist die Europäische Zentralbank (EZB) derzeit auf dem richtigen Weg: "Ich bin zuversichtlich, dass das Inflationsthema bis 2025 erledigt ist." Bis dahin könne das Ziel einer Teuerungsrate von zwei Prozent wieder erreicht werden. "Es geht nun um den Zeitpunkt, wann eine mögliche Zinssenkung folgen könnte", so der Bundesbankchef.
"Keinen Fehler machen auf dem letzten Wegstück"
Die Zwei-Prozent-Marke gilt als optimal für die Wirtschaft, wurde in den vergangenen Monaten und Jahren jedoch deutlich überschritten. Im Herbst 2022 waren es zeitweise über zehn Prozent gewesen. Die EZB hatte zur Bekämpfung der hohen Inflation zehn Mal in Folge die Zinsen angehoben. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser erhalten, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken, liegt bereits seit September 2023 auf dem Rekordniveau von 4,00 Prozent.
Nagel sagte, die Zinserhöhungen hätten Wirkung gezeigt. "Wir haben damit schon einiges geschafft. Wir dürfen jetzt keinen Fehler machen auf dem letzten Wegstück." Zuletzt ließ der Preisauftrieb in der Eurozone tatsächlich merklich nach. Im Januar legten die Verbraucherpreise nur noch um 2,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu. Schon im Oktober war die Teuerung erstmals seit Juli 2021 wieder unter drei Prozent gefallen.
Noch zuversichtlicher als Nagel äußerte sich derweil Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire in Sao Paulo. Nach seiner Einschätzung ist die Inflation in Europa und in den USA bereits besiegt. Das sei ein großer Erfolg, sagte er.
Hohe Lohnabschlüsse bereiten Sorgen
Die EZB berät das nächste Mal am 7. März in Frankfurt über die Leitzinsen. Dann werden auch neue Projektionen zur Wirtschaftsentwicklung und zur Inflation erwartet. Nagel sagte, vor einer Zinssenkung brauche es noch mehr Daten. "Aus meiner Sicht ist der Weg noch nicht endgültig abgesichert. Es fehlen noch verlässlichere Daten zur Lohnentwicklung und eine Bestätigung, dass wir 2025 mit den neuen Daten dann bei zwei Prozent Inflation sind."
Die Projektionen in der nächsten Woche seien dabei eine wichtige Wegmarke, betont der oberste deutsche Währungshüter. Für problematisch hält Nagel, dass die sogenannte Kerninflation nach wie vor bei über drei Prozent liegt. Im Januar lag diese Messgröße, die die schwankungsreichen Preise für Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak ausklammert, noch bei 3,3 Prozent. Die Kerninflation gilt als wichtiges Barometer für zugrundeliegende Preistrends.
Sorgen bereiten der EZB derzeit die vergleichsweise hohen Lohnabschlüsse. Diese sind aus Sicht vieler Währungshüter aktuell einer der wichtigsten Inflationstreiber.