Bitcoin im Aufwind Kryptowährungen als Blockadebrecher?
Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine befinden sich Kryptowährungen im Aufwind. Experten vermuten darin eine Umgehung der westlichen Sanktionen gegen Russland. Dagegen wollen die USA nun vorgehen.
Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine decken sich immer mehr Anleger mit Kryptowährungen ein. Seit Beginn des Krieges verteuerte sich etwa der Bitcoin laut der Plattform Coinbase um mehr als 28 Prozent von rund 34.300 US-Dollar auf über 44.000 US-Dollar. Allein gestern legte der Kurs der ältesten und größten Cyberdevise um sieben Prozent zu. Auch die zweitgrößte Währung Ethereum gewann seit vergangenen Donnerstag zeitweise etwa 29 Prozent an Wert.
Experten zufolge treiben der Krieg und die westlichen Sanktionen mehr Geld in den anonymen und dezentralen Kryptosektor. Vor allem in Russland und der Ukraine ist der Bitcoin-Handel sprunghaft angestiegen. Die Transaktionen zwischen dem russischen Rubel und Krypto-Vermögenswerten hat sich nach Angaben der Forschungsgruppe Chainalysis seit der Invasion verdoppelt und erreichte zu Wochenbeginn 60 Millionen Dollar pro Tag. In der Ukraine konnte die Kryptobörse Kuna ihr tägliches Handelsvolumen sogar verdreifachen.
USA will Strategie präsentieren
"Bitcoin könnte ein möglicher sicherer Hafen für russische Oligarchen sein, um Sanktionen zu vermeiden, da es im Bitcoin-Netzwerk und bei Kryptowährungsgeschäften keinen Zensor gibt", sagte Ipek Ozkardeskaya, Analystin bei der Swissquote Bank. Kryptowährungen entziehen sich der Kontrolle von Banken und Staaten, da die Transaktionen auf der Blockchain-Technologie keinen Zwischenhändler brauchen. Allein die Vermutung, dass russische Milliardäre verstärkt das digitale Geld als Fluchtwährung nutzen könnten, ließ die Kurse bereits in die Höhe schießen.
Auch die USA halten Kryptowährungen offenbar für einen Blockadebrecher. Um zu verhindern, dass Russland die verhängten Sanktionen mithilfe von Bitcoin umgeht, werde an einer Strategie gearbeitet, verlautete aus Washington. Diese greife auf Erfahrungen mit dem Iran und Venezuela zurück, gegen die ebenfalls Sanktionen bestehen. Die Regierung wolle eine maximale Wirkung der Sanktionen gegen Russland sicherstellen, hieß es weiter.
Die westlichen Staaten hatten am Wochenende beschlossen, einige russische Banken aus dem internationalen Zahlungssystem Swift auszuschließen und das Guthaben der russischen Zentralbank einzufrieren. Die russische Währung Rubel verlor deshalb massiv an Wert. Wirtschaftssanktionen erzielen jedoch nur dann eine Wirkung, wenn Zahlungen tatsächlich über staatlich kontrollierte Banken abgewickelt werden.
Krypto-Börsen sollen russische Nutzer sperren
Deshalb forderte Mykhailo Fedorov, der ukrainische Vize-Premierminister, am Sonntag "alle großen Krypto-Börsen auf, die Adressen russischer Nutzer zu sperren". Binance, eine der größten Kryptobörsen der Welt, wehrte allerdings zunächst ab: "Einseitig zu beschließen, den Menschen den Zugang zu ihren Kryptowährungen zu verbieten, würde dem Grund für die Existenz von Kryptowährungen zuwiderlaufen." Die Börse Kraken gab ebenfalls bekannt, dass sie die Konten ihrer russischen Kunden ohne eine gesetzliche Verpflichtung nicht einfriere. Auch die US-Börse Coinbase erklärte, dass sie kein pauschales Verbot für alle Coinbase-Transaktionen mit russischen Adressen verhängen wolle.
Allerdings ist fraglich, ob der Einsatz von Kryptodevisen zur Umgehung von Sanktionen tatsächlich gelingen kann. "Sollte es Russland gelingen, mithilfe von Krypto-Assets trotz eines möglichen Swift-Ausschlusses am wirtschaftlichen Leben teilzunehmen, droht ein globaler Regulierungsschock", konstatierte Analyst Timo Emden vom gleichnamigen Analysedienst. "Es dürfte nicht lange dauern, bis die bereits angelegten Daumenschrauben festgezogen werden." Dass Russland nach dem Swift-Ausschluss tatsächlich Kryptowährungen als normales Zahlungsmittel einsetzt, erscheint darüber hinaus zumindest kurzfristig eher unwahrscheinlich.
"Russland muss erst die nötige Infrastruktur aufbauen, um Bitcoin als allgemeines Zahlungsmittel nutzen zu können", sagte Philipp Sandner, Ökonom an der Frankfurter School of Finance & Manegement, dem "Manager Magazin". Ähnlich wie bei PayPal müsse die russische Regierung allen Bürgern und Unternehmen erst einmal ein "Gateway" für den Zahlungsverkehr zur Verfügung stellen. "Das dürfte eher zwölf als sechs Monate dauern."