Uneinheitliche Wall Street Berichtssaison sorgt für Kurskapriolen
Weitere Quartalsergebnisse haben heute den Handel in New York bestimmt und für einen uneinheitlichen Verlauf gesorgt. Während die Nasdaq schwächer tendierte, legte der Leitindex Dow Jones zu.
Der Handel an der Wall Street stand heute erneut ganz im Zeichen der laufenden Berichtssaison der Unternehmen. Dabei haben enttäuschende Geschäftszahlen von Tesla und Netflix vor allem der Technologiebörse Nasdaq zugesetzt, wo es deutlich um 2,05 Prozent bergab ging. Auch der Auswahlindex Nasdaq 100 sackte um 2,28 Prozent ab auf 15.466 Punkte.
Der Ergebnisreigen aus dem Unternehmenssektor hatte sich bereits am Vorabend mit den auf den ersten Blick nicht ganz leicht zu interpretierenden Geschäftsausweisen der beiden Tech-Werte fortgesetzt. Beide Ergebnisse wurden heute von den Anlegern deutlich negativ bewertet, so dass die Aktien unter Abgabedruck kamen. Am Ende verloren Tesla 9,7 und Netflix 8,4 Prozent.
Konkret setzte sich im zweiten Quartal der Rückgang der Ertragskraft von Tesla fort, bei Netflix spiegelte sich ein überraschend hoher Kundenzustrom nicht wie erhofft in der Bilanz des Streaming-Dienstes wider.
Ganz anders dagegen der Dow-Jones-Index der Standardwerte - er profitierte von positiv aufgenommenen Ergebnissen solcher Standardgrößen wie Johnson & Johnson, dem Versicherer Travelers oder dem IT-Urgestein IBM. Der Leitindex gewann am Ende 0,47 Prozent auf 35.225 Punkte und markierte damit den neunten Tagesgewinn in Folge.
Es handelt sich um die längste Gewinnserie seit fast sechs Jahren. Am Vortag hat der Index erstmals seit April 2022 wieder die Marke von 35.000 Punkte übersprungen. Allerdings setzten gegen Handelsende zunehmend Gewinnmitnahmen ein, so dass der Dow sein Spitzenniveau von 35.372 Punkten nicht behaupten konnte.
"Der Dow wurde in der jüngsten Rally der Wachstumsaktien schlichtweg vernachlässigt, und jetzt stecken die Leute ihr Geld wieder in einige der Werte, die nicht für ihr Wachstum bekannt sind", sagte David Russel vom Finanzdienstleister TradeStation.
Der marktbreite S&P-500, der sowohl Tech- als auch Standardwerte beeinhaltet, ging bei 4534 Punkten um 0,68 Prozent schwächer aus dem Handel.
Spitzenreiter im Dow waren die Papiere des Pharma- und Konsumgüterkonzern Johnson & Johnson, die über sechs Prozent auf 168,38 Dollar zulegten. Das Unternehmen hob nach einem unerwartet starken zweiten Quartal ein weiteres Mal seine Prognose für das Jahr an. Zwischen April und Juni hat der Konzern vor allem von einem starken Medizintechnikgeschäft profitiert.
Aber auch das vor der Abspaltung stehende Konsumentengeschäft und die Pharmasparte konnten zulegen, wie der Konzern heute in New Brunswick mitteilte. Bereits im April hatte der Konzern nach einem starken Jahresstart die Latte angehoben. Mit rund 430 Milliarden Dollar Börsenwert ist Johnson & Johnson eines der wertvollsten Unternehmen außerhalb des Technologiesektors.
Gefragt war im Dow Jones auch das Papier von IT-Urgestein IBM, das 2,1 Prozent zulegte. Denn der Computer- und Softwarekonzern blickt zuversichtlicher auf das laufende Jahr als von vielen Experten erwartet.
Konzernchef Arvind Krishna, der den Software- und Dienstleistungsbereich im Unternehmen stärken will, bestätigte die Umsatzprognose für das laufende Jahr. Demnach soll der Erlös bereinigt um Wechselkurseffekte um drei bis fünf Prozent steigen, teilte IBM bereits gestern in Armonk mit. Einige Analysten hatten mit einer Senkung des Ziels gerechnet.
Der DAX hat am Nachmittag im Sog der Wall Street Fahrt aufgenommen und im Plus geschlossen. Am Ende schloss der deutsche Leitindex bei 16.204 Punkten, ein Tagesgewinn von 0,59 Prozent. Er profitierte besonders von einigen positiv aufgenommenen Einzelergebnissen, die den US-Leitindex Dow Jones nach oben trieben. Damit bleibt der Verlauf der US-Berichtssaison derzeit auch für den heimischen Markt bestimmend. Diese hatte mit den meist besser als erwartet ausgefallenen Ergebnissen der großen US-Banken bereits erste Höhepunkte.
Frühe Verluste konnte der DAX am Vormittag noch schnell aufholen, ehe dann erst die neuen Impulse aus New York für Anschlusskäufe sorgten. Anders als gestern schwächelten allerdings die Werte aus der zweiten Reihe, sodass sich am insgesamt keine klare Richtung am Markt ergab. Der MDAX, der Index der mittelgroßen Werte, verlor gut 0,5 Prozent auf 28.231 Punkte. Auch der SDAX gab 0,7 Prozent nach.
Aktien des Walldorfer Softwarehauses aus dem DAX sind nachbörslich gefallen. Denn SAP hat in seinem Kerngeschäft mit cloudbasierter Software im zweiten Quartal trotz hoher Wachstumsraten weniger umgesetzt als erwartet. Das operative Ergebnis (Ebit, Ergebnis vor Steuern und Zinsen) werde 2023 voraussichtlich bei 8,65 bis 8,95 Milliarden Euro liegen, nach 2,06 Milliarden Euro im Quartal, erklärte das Unternehmen am frühen Abend.
Im April hatte SAP die Ebit-Ziele als Reaktion auf den Verkauf der US-Datenanalysetochter Qualtrics bereits auf 8,6 bis 8,9 Milliarden Euro gesenkt. Unter dem Strich vervielfachte sich der Nettogewinn auf 3,4 Milliarden Euro, vor allem dank des hohen Sonderertrages aus dem Verkauf von Qualtrics.
Mit der Integration Künstlicher Intelligenz (KI) in seine Produkte will SAP das Gewinnwachstum aber beschleunigen. Kunden seien bereit, Preisaufschläge von bis zu 30 Prozent zu zahlen, sagte Christian Klein, der Chef des Walldorfer Konzerns, ebenfalls nach Börsenschluss.
"Die Kunden sehen immensen Mehrwert. Dies wird zu einem Anstieg der Buchungen und Einnahmen führen." Er kündigte für Herbst die Vorstellung weiterer KI-Funktionen für die diversen Software-Angebote an. Klein hatte die KI-Technologie zuvor bereits als Wachstumstreiber identifiziert. Daher beteiligte sich das Unternehmen unlängst für eine ungenannte Summe an den Startups Aleph Alpha, Cohere und Anthropic, die sogenannte Generative KI im Stil von ChatGPT entwickeln.
Besondere Beachtung fand heute die Chipbranche: Der erste Gewinnrückgang seit vier Jahren beim taiwanesischen Branchenprimus TSMC trübte die Stimmung. Der Überschuss brach im abgelaufenen Quartal um 23,3 Prozent auf umgerechnet 5,22 Milliarden Euro ein, teilte der weltgrößte Fertiger für Halbleiter heute mit.
Im DAX verloren Infineon knapp zwei Prozent, Aixtron und Elmos Semiconductor aus dem MDAX und SDAX standen ebenfalls stärker unter Druck. Die Chipwerte seien zuletzt ohnehin schon schwach gewesen, sagt ein Händler. Da helfe der Gewinnrückgang bei TSMC vermutlich nicht gerade.
Positive Nachrichten für die deutschen Anleger gab es heute dagegen aus Wiesbaden: Der Preisauftrieb auf Herstellerebene schwächt sich hierzulande weiter ab. Im Juni stiegen die Produzentenpreise laut Statistischem Bundesamt im Jahresvergleich um 0,1 Prozent. Das ist der niedrigste Zuwachs seit zweieinhalb Jahren. Die Erzeugerpreise erfassen den Preisdruck auf Herstellerebene. Die Entwicklung wirkt sich auch auf die Verbraucherpreise aus, an denen die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Geldpolitik ausrichtet.
Trotz des nachlassenden Preisdrucks wird die EZB einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters zufolge die Zinsen in der kommenden Woche wohl erneut anheben. Alle 75 Ökonomen rechnen damit, dass es zum neunten Mal in Folge eine Erhöhung des Einlagensatzes um einen viertel Prozentpunkt auf 3,75 Prozent geben wird. Dieser Zins, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, gilt als der maßgebliche Zinssatz im Euroraum.
In Anbetracht der jüngsten Zahlenflut rücken die noch in diesem Monat anstehenden wichtigen Zinsentscheide der Notenbanken derzeit etwas in den Hintergrund. Sie bleiben aber für die Märkte von überragender Bedeutung.
Während viele Marktteilnehmer den Zinsgipfel zumindest in den USA erreicht sehen, ist die Lage in Europa noch nicht ganz so klar. Entscheidend werden aber zukünftig die Erwartungen sein, wann ein Zinsabstieg beginnen könnte, sprich sich die Inflationsraten wieder beruhigen. Davon kann noch keine Rede sein.
Laut einer Reuters-Umfrage rechnen Volkswirte damit, dass der US-Leitzins nächsten Mittwoch um einen Viertelprozentpunkt auf die neue Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent gehievt wird. Auch eine weitere Zinserhöhung der EZB auf dann 3,75 Prozent gilt als ausgemachte Sache.
Der Euro ist deutlicher unter 1,12 US-Dollar gefallen. Die Gemeinschaftswährung baute ihre Verluste im US-Handel weiter aus und wurde zuletzt bei 1,1113 Dollar gehandelt. Der am Dienstag bei 1,1276 Dollar erreichte Höchststand seit Februar 2022 ist damit erst einmal außer Sichtweite geraten. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,1197 (Mittwoch: 1,1222) US-Dollar fest.
US-Konjunkturdaten forcierten die Erwartungen weiterer Zinserhöhungen in den USA und setzten damit den Euro unter Druck. Denn höhere Zinsen stützen in der Regel eine Währung. Auch der Rentenmarkt reagierte mit Verlusten auf die Daten, die Rendite zehnjähiger Staatsanleihen stieg auf 3,85 Prozent.
Zum einen entwickelt sich der von der US-Notenbank Fed stark beobachtete Arbeitsmarkt weiterhin solide. In der vergangenen Woche sank die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe überraschend auf 228.000. Befragte Ökonomen hatten mit 242.000 gerechnet.Ein enger Arbeitsmarkt mit niedriger Arbeitslosigkeit setzt die Fed unter Druck, weil sich aus der vorteilhaften Verhandlungsposition der Arbeitnehmer höhere Löhne und damit zusätzliche Inflationsrisiken ergeben können.
Zum anderen gingen die Bestandsverkäufe von Häusern im Juni noch deutlicher zurück als erwartet. Die Entwicklung unterstreicht Beobachtern zufolge, wie sehr sich das Wohnungsangebot inzwischen verknappt hat. Das fehlende Angebot signalisiere, dass Unterkünfte teuer bleiben können, was die allgemeine Inflationsrate erhöhen könnte.
Die Ölpreise haben heute nach einem zähen Handelsverlauf etwas zugelegt. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im September kostete zuletzt 0,4 Prozent mehr bei 79,67 Dollar. Der Preis für ein Barrel der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) stieg um 0,6 Prozent auf 75,71 Dollar. Händler sprachen von einer aktuell geringen Liquidität am Ölmarkt.
Hauptthema am Markt bleibt die Schwäche der chinesischen Konjunktur. Zwar versucht die politische Führung, der Wirtschaft mit verschiedenen Maßnahmen wie Zinssenkungen oder Krediterleichterungen unter die Arme zu greifen. Einen größeren Einsatz finanzieller Hilfen erwarten Fachleute bisher aber nicht. China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und einer der größten Energieverbraucher.
Das Rennen um die Nachfolge von BASF-Chef Martin Brudermüller könnte einem Pressebericht zufolge intern entschieden werden. Markus Kamieth habe als China-Chef des Chemiekonzerns die Nase vorn, berichtete die "Financial Times" und bezog sich dabei auf informierte Personen. Auch für Brudermüller, der im Mai zu Mercedes-Benz wechselt, soll Kamieth demnach der Favorit für den frei werdenden Chefposten sein. BASF wollte sich auf Anfrage der Zeitung nicht äußern und verwies auf die Entscheidungshoheit des Aufsichtsrats für die Nachbesetzung der Top-Position.
Die EU-Kommission hat deutsche Milliarden-Beihilfen für Thyssenkrupp genehmigt. Das teilte die EU-Kommission heute in Brüssel mit. Mit der Unterstützung von bis zu zwei Milliarden Euro soll eine Großanlage für die Herstellung von klimafreundlichem Stahl finanziert werden.
Deutschlands zweitgrößter Stahlkocher Salzgitter ist im ersten Halbjahr nach eigenen Angaben hinter den Erwartungen der Kapitalmarktexperten zurückgeblieben. Das operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) brach vorläufigen Zahlen zufolge stärker als gedacht um 59 Prozent auf 461 Millionen (Vorjahr: 1,14 Milliarden) Euro ein, der Gewinn vor Steuern fiel mit 243 Millionen Euro sogar fast um drei Viertel geringer aus als vor einem Jahr. Der Umsatz ging um zwölf Prozent auf 5,8 Milliarden Euro zurück.
Das zweite Halbjahr falle erwartungsgemäß schwächer aus, das Umfeld bleibe politisch und wirtschaftlich volatil, hieß es in der Mitteilung. Salzgitter bleibe aber bei seinen Prognosen für Umsatz und Gewinn. Das Vorsteuerergebnis soll zwischen 300 und 400 Millionen (1,25 Milliarden) Euro liegen. Die Umsatzerwartung hatte Salzgitter schon im Mai von 13 (12,6) Milliarden auf 11,5 bis 12,0 Milliarden Euro gesenkt - dabei bleibe es auch. Salzgitter-Aktien weiteten im SDAX ihre Verluste nach den Zahlen aus.
Der US-Technologieinvestor Silver Lake hat sich die überwiegende Mehrheit an der Software AG gesichert. Zum 17. Juli halte der Investor 84,29 Prozent der Anteile an den Darmstädtern, wie er heute mitteilte. Die Transaktion muss noch von den Behörden genehmigt werden. Silver Lake hofft auf den Abschluss der Übernahme im vierten Quartal. Der Investor bekräftigte erneut, keinen Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrag abschließen zu wollen. Die im MDAX notierte Software AG soll aber so schnell wie möglich von der Börse genommen werden.
Die Reiselust nach dem Ende der Corona-Pandemie stimmt den britischen Billigflieger Easyjet zuversichtlich. Der Vorstand rechnet im vierten Quartal (Juli bis September) vor Steuern mit einem Rekordgewinn, wie die Airline heute mitteilte. Hilfreich seien neben der Rückkehr der Reiselust sinkende Kosten und stabilere Ölpreise. Im dritten Quartal verbuchte Easyjet einen Vorsteuergewinn von 203 Millionen Pfund nach einem Minus von 114 Millionen vor Jahresfrist. Der Umsatz schnellte um 30 Prozent auf 1,5 Milliarden Pfund.
Der Telekomzulieferer Nokia muss nach einem mauen Jahresstart auch im zweiten Quartal einen Gewinneinbruch verkraften. Vor allem das schwache Netzwerkgeschäft macht den Finnen zu schaffen. Unter dem Strich verdiente der Konzern von April bis Juni 289 Millionen Euro, 37 Prozent weniger als ein Jahr zuvor, wie Nokia heute mitteilte. Der Umsatz im vergangenen Quartal lag mit 5,7 Milliarden Euro um drei Prozent unter dem Vorjahresniveau, der operative Gewinn sank um 16 Prozent auf 474 Millionen Euro. Konzernchef Pekka Lundmark hält die aktuelle Schwächephase für ein kurzfristiges Phänomen.
Ebenfalls im Dow Jones-Index ist der Sachversicherer Travelers vertreten, dessen Aktie nach dem Quartalsbericht um 1,79 Prozent stieg. Dies obwohl der Versicherer im zweiten Quartal von Katastrophenschäden in die roten Zahlen gerissen wurde. Am Markt allerdings hieß es, dass die Erwartungen an das Zahlenwerk dennoch erfüllt wurden.