Händler an der New Yorker Börse
Marktbericht

Kurskapriolen in New York US-Anleger trotzen dem Zinsschock

Stand: 13.10.2022 22:14 Uhr

Mit wilden Kurssprüngen hat die Wall Street auf die neuesten Inflationsdaten reagiert. Nach einer ersten Enttäuschung griffen die Anleger aber wieder zu. Ist das Schlimmste womöglich bald überstanden?

An der New Yorker Börse ging es heute hoch her. Der Leitindex Dow Jones schwankte im Verlauf heftig zwischen 28.660 und 30.168 Punkten, ähnlich ging es an den anderen großen US-Aktienindizes zu.

Am Ende ging der Dow bei 30.038 Punkten aus dem Handel, ein deutlicher Tagesgewinn von 2,83 Prozent. Die technologielastige Nasdaq legte 2,23 Prozent zu, der Auswahlindex Nasdaq 100 rückte um 2,30 Prozent vor. Der marktbreite S&P-500-Index gewann 2,6 Prozent auf 3669 Zähler.

Nach diesen deutlichen Gewinne hatte es zwischenzeitlich ganz und gar nicht ausgesehen, denn die neuesten Inflationszahlen schickten zunächst Schockwellen durch den Markt und sorgten für heftige Verluste. Aber die Anleger schüttelten die Sorgen im Verlauf immer mehr ab.

Der anfängliche Ausverkauf sei etwas übertrieben gewesen, sagte Shawn Cruz, Chef-Anlagestratege beim Brokerhaus TD Ameritrade. Er halte es für ein gutes Zeichen, dass es keine Anschluss-Verkäufe gebe. Craig Erlam, Marktanalyst des Brokerhauses Oanda, warnte aber davor, eine Trendwende auszurufen. "Das ist wirklich kein Inflationsbericht, den man sehen will."

Konkret stiegen die Verbraucherpreise im September gegenüber dem Vorjahresmonat um 8,2 Prozent, wie das US-Arbeitsministerium mitteilte. Experten hatten im Schnitt mit 8,1 Prozent gerechnet. Im August hatte die Inflationsrate 8,3 Prozent betragen.

Die Kerninflation, die die schwankenden Energie- und Lebensmittelpreise außen vor lässt und die im besonderen Fokus der Notenbank Federal Reserve (Fed) steht, stieg sogar von 6,3 auf 6,6 Prozent. Auch diese Rate lag über den Markterwartungen. Der Preisauftrieb deutet auf weitere kräftige Zinsanhebungen durch die US-Notenbank hin, die ihren Leitzins in diesem Jahr schon stark erhöht hat. Eine weitere Erhöhung um 75 Basispunkte gilt an der Wall Street als ausgemachte Sache.

"Nach diesen Inflationsdaten gibt es wohl niemanden mehr, der glaubt, dass die Fed den Leitzins bei ihrer November-Sitzung um weniger als 0,75 Prozentpunkte anheben kann", sagte Seema Shah, Chef-Anlagestrategin des Vermögensverwalters Principal Global. Sollte der Preisdruck weiter so hoch bleiben, müsse für Dezember mit dem fünften Schritt in dieser Größenordnung in Folge gerechnet werden.

Genau darum dürfte es in den nächsten Wochen also gehen: Bleibt der Preisdruck weiter hoch, oder zeichnet sich womöglich eine deutlichere Abflachung ab, so dass die Fed eine langsamere Gangart einschlagen kann?

Unter den Einzelwerten stiegen die Aktien von Dow-Mitglied Walgreens Boots Alliance nach der Bekanntgabe der Zahlen zum vierten Geschäftsquartal deutlich um 5,35 Prozent. Die Apothekenkette meldete einen Rückgang des bereinigten Gewinns je Aktie aus fortgeführten Geschäften um rund 32 Prozent. Das war aber etwas besser, als Analysten im Schnitt erwartet hatten. Auch der Umsatz blieb knapp über der durchschnittlichen Expertenschätzung. Tagessieger im Dow waren JPMorgan-Papiere, die über fünf Prozent zulegten.

Die Lage auf dem US-Arbeitsmarkt trübte sich in der vergangenen Woche derweil erneut leicht ein. Die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe legte um 9000 auf 228.000 zu. Es ist der zweite Anstieg in Folge. Analysten hatten im Schnitt nur mit 225.000 Anträgen gerechnet. Obwohl die Zahlen leicht steigen bleibt der Arbeitsmarkt damit weiterhin sehr robust. Die Fed hat keine Not, Rücksicht zu nehmen udn kann sich ganz auf die Inflationsbekämpfung konzentrieren.

Ein volatiler Handelstag endete heute am heimischen Aktienmarkt versöhnlich. Der DAX legte nach zuvor heftigen Schwankungen am Ende um 1,51 Prozent zu und schloss bei 12.355 Punkten knapp unter dem Tageshoch bei 12.379 Punkten. Der Tag stand dabei ganz im Zeichen neuer US-Inflationsdaten. Dabei stießen die US-Inflationsdaten aus dem September zunächst auf wenig Gegenliebe an der Börse und drückten den DAX auf sein Tagestief bei genau 12.000 Punkten.

Genau so stürmisch wie es bergab gegangen war nach den Daten, erholte sich der Index dann aber auch wieder, wobei er einer sich erholenden Wall Street folgte. Die hohen Schwankungen, wie sie in einer solchen V-Formation zum Ausdruck kommen, sind meist ein Ausdruck großer Nervosität der Anleger.

Ein sich abzeichnendes höheres Zinsniveau trieb unter den Einzelwerten im DAX die Deutsche Bank an die Indexspitze. Denn höhere Zinsen treiben die wichtige Zinsmarge der Geldhäuser. Aromenhersteller Symrise stand am Indexende, auch als die als defensiv geltende T-Aktie geb gegen den Trend nach.

Die im Vorfeld mit viel Spannung erwarteten US-Inflationsdaten signalisieren einen nur langsamen Rückgang der Preiserhöhungen und schürten damit neue Zinsängste. "Der Anstieg der Kernrate hat sich nochmals deutlich beschleunigt. Sie ist somit weiter besorgniserregend hoch. Um die Kontrolle über den Inflationsprozess zurückzugewinnen, muss die Fed weiterhin die Brechstange ansetzen. Anfang November wird sie den Leitzins zum vierten Mal in Folge um 75 Basispunkte kräftig anheben", kommentiert Bastian Hepperle von Hauck Aufhäuser Lampe.

Nach den Inflationsdaten ist zwar klar, dass die US-Notenbank Fed ihren Leitzins Anfang November ein viertes Mal um 0,75 Prozent anheben wird, wie Portfoliomanager Thomas Altmann von QC Partners sagte, doch die Daten hätten auch eine positive Seite. "Die Jahresrate ist den dritten Monat in Folge gesunken", so Altmann. Damit stimme zumindest die Richtung, auch wenn der Pfad deutlich flacher als erhofft verlaufe. Und Thomas Gitzel, Volkswirt bei der VP Bank, sagte: "Der Ausblick auf die weitere Teuerungsentwicklung lässt durchaus die Schlussfolgerung zu, dass die meiste Arbeit der Fed getan ist."

Update Wirtschaft vom 13.10.2022

Stefan Wolff, HR, tagesschau24

Ein weiterer bestimmender Faktor für die Richtung an den Aktienmärkten dürfte die startende US-Berichtssaison werden. "Ein positiver Verlauf könnte durchaus eine Weihnachtsrally auslösen. Bei einem enttäuschenden Verlauf dürften die Jahrestiefs erneut getestet werden", so Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners.

Der Ölpreis legten im Gefolge der steigenden Aktienmärkte ebenfalls zu. An den vergangenen drei Handelstagen hatte es Kursverluste am Ölmarkt gegeben. Zuletzt hatten Sorgen vor einem Abflauen der Weltwirtschaft und einem damit verbundenen Rückgang der Nachfrage die Ölpreise unter Druck gesetzt, nachdem der Internationale Währungsfonds (IWF) die Prognose für das globale Wirtschaftswachstum reduziert hatte.

Für schlechte Stimmung sorgte auch, dass das Ölkartell OPEC von einer schwächeren Ölnachfrage ausgeht. Damit lieferte die Organisation nachträglich eine Begründung für die deutliche Produktionskürzung, die der größere Verbund OPEC+ in der vergangenen Woche vorgenommen hatte.

Große Bewegungen gab es auch am Devisenmarkt. Die Aussicht auf weitere massive Zinserhöhungen durch die Fed trieb zunächst den Dollar, ehe er zum Euro seine Gewinne wieder abgab. Aktuell handelt der Euro im US-Handel bei bei 0,9773 Dollar Zur Veröffentlichung der Inflationsdaten war die Gemeinschaftswährung noch bis auf 0,9633 Dollar gefallen. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs im weiteren Verlauf auf 0,9739 (Mittwoch: 0,9706) Dollar fest.

Der Kurs des britischen Pfunds ist nach Berichten über eine bevorstehende weitere Kehrtwende der britischen Regierung in ihrer Steuerpolitik derweil deutlich um knapp zwei Prozent gestiegen. Die britische Währung, die zuletzt schwer unter Druck geraten war, legte zum US-Dollar bis zum späten Abend kräftig zu auf 1,1315 Dollar. Am Morgen stand der Kurs noch unter 1,11 Dollar.

Die neue Premierministern Liz Truss und Finanzminister Kwasi Kwarteng hatten bereits einen Teil ihrer umfassenden Steuerreform nach lauten Protesten gestrichen. So bleibt der Spitzensteuersatz, anders als zunächst vorgesehen, in der bisherigen Höhe bestehen. Die Pläne hatten das Pfund schwer belastet und für steigende Renditen am Anleihemarkt gesorgt. Die Bank of England musste kurzfristig eingreifen, um den Markt für Staatsanleihen, sogenannte Gilts, wieder zu stabilisieren.

Die Europäische Zentralbank (EZB) sollte aus Sicht von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel angesichts der anhaltend hohen Inflation auf ihrer kommenden Sitzung die Zinsen kräftig erhöhen. Zwar sei die Größe der Zinsschritte jeweils von den aktuellen Daten abhängig, sagte Nagel heute auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundesfinanzminister Christian Lindner bei der Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington.

Die aktuellen Daten seien klar und wiesen eindeutig in Richtung eines "robusten Zinsschrittes", fügte er hinzu. Die Inflation in den Griff zu bekommen, habe höchste Priorität. Die nächste EZB-Zinssitzung ist 27. Oktober.

Siemens hat mit dem europäischen Batteriehersteller ACC einen der bisher größten Kunden für seine neue Hard- und Software-Plattform Xcelerator gewonnen. Danach wird Siemens "bevorzugter Lieferant" für Automatisierung, Digitalisierung und Elektrifizierung der zwei bis drei Fabriken für Elektroauto-Batterien, die die Automotive Cells Company (ACC) in Europa plant.

ACC gehört zu je einem Drittel den Autobauern Mercedes-Benz und Stellantis sowie dem französischen Öl- und Energiekonzern TotalEnergies. Das Unternehmen hat sieben Milliarden Euro zur Verfügung, um "Gigafabriken" zu bauen.

Der britische Billigflieger Easyjet geht von einer stabilen Nachfrage im Winter und im nächsten Sommer trotz der Belastung des Konsums durch die hohe Inflation aus. "Wir stehen dem unsicheren makroökonomischen Umfeld mit vielen Stärken gegenüber", erklärte Airline-Chef Johan Lundgren. Die anziehende Nachfrage nach Flügen im Sommer 2023 stimme ihn zuversichtlich.

Der Ticketverkauf für die Herbstferien und die Weihnachtszeit laufe besser als vor Ausbruch der Corona-Pandemie 2019. Im laufenden ersten Quartal des Geschäftsjahres sei ein Angebot von 20 Millionen Sitzen geplant - das wären 30 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, wenn auch erst 83 Prozent der Vorkrisenkapazität.

Überraschend starke Geschäftszahlen bescherten IAG den größten Kurssprung seit sieben Monaten. Die Aktien der British Airways-Mutter steigen in London zwischenzeitlich um knapp zehn Prozent. Die Fluggesellschaft machte vorläufigen Zahlen zufolge im abgelaufenen Quartal einen operativen Gewinn von 1,2 Milliarden Euro. Außerdem sei kein Nachlassen der Nachfrage zu beobachten.

Da sich der US-Rivale Delta und der Billig-Flieger EasyJet ähnlich äußerten, steigt der Index für die europäische Tourismus-Branche um 4,4 Prozent. Im MDAX zogen Lufthansa ebenfalls deutlich an.

Südzucker hat in den ersten sechs Monaten des Bilanzjahres 2022/23 einen Gewinnsprung geschafft. Bei einem Umsatzanstieg um 29 Prozent auf 4,624 Milliarden Euro stieg das operative Ergebnis (Ebitda) auf 465 (Vorjahr: 278) Millionen Euro. Das Konzernergebnis erreichte nach 134 Millionen Euro im Vorjahr 316 Millionen. Die Gewinnsteigerung sei von der Biosprittochter CropEnergies und den Bereichen Zucker und Stärke getragen worden. Der Vorstand hob deshalb seine Erwartungen für den Umsatz im Gesamtjahr an.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 13. Oktober 2022 um 09:00 Uhr.