Wall Street New York
Marktbericht

Zinsängste flauen ab US-Börsen machen Boden gut

Stand: 23.03.2023 21:42 Uhr

Die US-Anleger haben sich nach dem gestrigen Zinsschock unter Führung der Tech-Aktien wieder etwas vorgewagt. Dabei half insbesondere die Hoffnung, dass der Zinsgipfel bald erreicht sein sollte.

So schnell kann es gehen an der Börse. Nachdem die US-Anleger gestern sehr negativ auf den Zinsentscheid der Notenbank Federal Reserve (Fed) reagiert hatten, ging es heute wieder bergauf an der New Yorker Börse. Die großen Indizes konnten ihre Höchststände allerdings nicht behaupten und schlossen unter Tageshoch. Getragen wurde der Aufschwung primär von der Hoffnung, dass der Zinsgipfel bald erreicht sein dürfte.

Die US-Währungshüter strichen eine Passage aus ihrem Text, wonach weitere Zinserhöhungen angemessen sein dürften. Stattdessen spricht die Fed jetzt davon, dass noch "eine gewisse zusätzliche geldpolitische Straffung" angebracht sein könnte.

"Die Anleger gehen davon aus, dass sie nur noch eine weitere Zinserhöhung vor sich haben", sagte Robert Pavlik, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter Dakota Wealth. Hoffnungen auf eine Zinssenkung seien allerdings vom Tisch.

Am Markt schob diese Aussicht vor allem die hochbewerteten und zinssensitiven Techwerte an. Auch in Europa hatte die Branche heute schon besser als der Gesamtmarkt abgeschnitten. Sorgen bleiben allerdings bei den US-Regionalbanken, die anfängliche Gewinne nicht halten konnten. Der Bankensektor geriet unter Druck, nachdem US-Finanzministerin Janet Yellen gestern die Anleger mit der Bemerkung aufschreckte, dass es keine Diskussion über die Versicherung aller Bankeinlagen gegeben habe.

An der Nasdaq stieg der Nasdaq-Composite-Index indes um 1,0 Prozent, der Auswahlindex Nasdaq 100 um 1,3 Prozent. Der Dow-Jones-Index, Leitindex der Standardwerte, konnte da nicht mithalten und rückte um 0,2 Prozent auf 32.105 Zähler vor. Er machte damit nur einen kleinen Teil seiner gestrigen Verluste wieder wett und stand zwischenzeitlich auch im Minus. Tagessieger im Dow war Intel, am Ende standen die Papiere des Versicherers Travelers. Der marktbreite S&P-500-Index legte 0,3 Prozent zu auf 3948 Punkte.

Aktien der Krypto-Börse Coinbase brachen um 14 Prozent ein. Die US-Börsenaufsicht (SEC) drohte damit, Coinbase wegen einiger Produkte zu verklagen. Die SEC hatte schon gestern den TRON-Gründer Justin Sun und eine Handvoll weiterer prominenter Krypto-Manager wegen illegaler Verbreitung von Wertpapieren und Manipulation des Marktes angeklagt.

Sogar weiter sehr robuste Daten vom Arbeitsmarkt wurden heute am Markt ignoriert. Denn in den USA ist die Zahl der wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe überraschend weiter gefallen. In der vergangenen Woche gingen sie um 1000 auf 191.000 zurück, wie das Arbeitsministerium am Donnerstag in Washington mitteilte. An den Finanzmärkten war hingegen ein Anstieg der Hilfsanträge auf 197.000 erwartet worden. Bei Werten unter der Marke von 200.000 sprechen Experten von einem niedrigen Niveau an Hilfsanträgen.

Wer auf baldige Zinssenkungen spekuliert, dürfte es bei diesen Daten trotz der heute guten Stimmung weiter schwer haben. Denn obwohl die US-Notenbank Fed seit Monaten versucht, die hohe Inflation mit Zinserhöhungen in den Griff zu bekommen, bleibt die Lage auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt robust.

Nach zunächst deutlicheren Verlusten hat sich der DAX im Verlauf noch gefangen. Der deutsche Leitindex folgte dabei der Wall Street nach oben, an der Zinsängste heute in den Hintergrund traten. Die Weltleitbörse glich unter der Führung der Technologieaktien ihre gestrigen Kursverluste aus, die nach dem Zinsentscheid der US-Notenbank Federal Reserve vom Vorabend zunächst für Ernüchterung gesorgt hatten.

Der DAX schloss am Ende bei 15.210 Punkten, ein Mini-Minus von 0,04 Prozent, nachdem er im Tagestief schon bis auf 15.078 abgesackt war. Der Index behauptete zudem die Marke von 15.000 Punkten. Thema des Tages waren die geldpolitischen Beschlüsse gleich mehrerer Notenbanken und deren Folgen. Die US-Notenbank Fed setzte schon am Mittwoch den Schlüsselsatz für die Zinsen wie erwartet um einen Viertel Prozentpunkt auf die neue Spanne von 4,75 bis 5,0 Prozent.

Neben der Fed erhöhte heute auch die Schweizer Nationalbank SNB den Zins um 50 Basispunkte. Zudem signalisierten die Währungshüter um SNB-Präsident Thomas Jordan eine weitere geldpolitische Straffung. "Es ist nicht auszuschließen, dass zusätzliche Zinserhöhungen nötig sein werden, um die Preisstabilität in der mittleren Frist zu gewährleisten", erklärte die Zentralbank.

Wie erwartet hob auch die Bank of England den Leitzins um 25 Basispunkte auf nunmehr 4,25 Prozent an. es war die elfte Zinserhöhung in Folge. Die Notenbank hält sich zudem mit Blick auf den Preisauftrieb die Tür für weitere Zinsschritte offen. Auch in Norwegen erhöhte die Notenbank die Zinsen um 25 Basispunkte. Die Schritte waren im Vorfeld zwar so erwartet worden, von einigen Investoren erhoffte positive Überraschungen blieben aber aus.

Die jüngsten Turbulenzen im Bankensektor werden Österreichs EZB-Ratsmitglied Robert Holzmann zufolge kaum Einfluss auf die nächste Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank haben.

Die Inflation hat zuletzt zwar geringfügig nachgelassen. Im Februar fiel sie auf 8,5 Prozent nach 8,6 Prozent im Januar. Das Ziel der EZB einer Teuerungsrate von zwei Prozent liegt damit jedoch immer noch weit entfernt. Die Kerninflation, in der die schwankungsreichen Energie- und Lebensmittelpreise ausgeklammert sind, stieg sogar auf 5,6 Prozent im Februar von 5,3 Prozent im Januar. Auch vor diesem Hintergrund hat die EZB laut dem niederländischen Notenbankchef Klaas Knot mit ihren Zinsanhebungen im Kampf gegen die Inflation das Ende der Fahnenstange voraussichtlich noch nicht erreicht.

Update Wirtschaft vom 23.03.2023

Samir Ibrahim, HR, tagesschau24

Spekulationen über einen weniger aggressiven Zinserhöhungskurs in den USA in den kommenden Monaten machten unterdessen dem Dollar zu schaffen. Der Euro profitierte davon, gab anfänglich stärkere Gewinne aber wieder ab und wurde zuletzt gegen den Greenback im US-Handel bei 1,0896 rund 0,1 Prozent schwächer gehandelt. Er bleibt aber wegen der gesunkenen Zinserwartungen für den Dollar auf erhöhtem Niveau. Die Europäische Zentralbank hatte den Referenzkurs in Frankfurt auf 1,0879 (Mittwoch: 1,0785) Dollar festgesetzt.

Der zweite große Gewinner des Fed-Entscheids war das Gold. Das gelbe Edelmetall profitierte von dem gesunkenen Dollar, wird es dadurch doch für Käufer aus dem Nicht-Dollar-Raum billiger. Das stärkt die Nachfrage, was sich wiederum in einem steigenden Goldpreis widerspiegelt: Die Feinunze Gold kostete am Abend 1997 Dollar und damit rund 1,4 Prozent mehr als vor dem Fed-Entscheid. Am Montag hatte der Goldpreis im Zuge der frühen Börsenpanik noch bis auf 2009 Dollar zulegen und damit den höchsten Stand seit elf Monaten markiert.

Einmal mehr standen hierzulande die Bankaktien im Fokus. Anders als an der Wall Street blieben die heimischen Investoren aber skeptisch. Papiere der Commerzbank und der deutschen Bank standen am Indexende. Die Aktien der Commerzbank hielten mit einem Kursverlust von 4,1 Prozent die rote Laterne im DAX, die Titel der Deutschen Bank fielen um 3,1 Prozent.

Die Analysten der Citigroup stuften derweil den europäischen Bankensektor auf "Neutral" von "Overweight" herunter. Die Fundamentaldaten für die Institute sähen zwar gesund aus. "Aber die anhaltende Vertrauenskrise könnte die Risikobereitschaft der Banken einschränken und den Kreditfluss verringern", sagten die Aktienstrategen.

Nicht nur die zahlreichen Zinserhöhungen der globalen Notenbanken lassen Anleger derzeit vor Bank-Aktien zurückschrecken - auch die Aussage von US-Finanzministerin Janet Yellen, dass es im Zinsausschuss keine Diskussion über die Versicherung aller Bankeinlagen gegeben habe, gibt den Anlegern Anlass zur Sorge.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat sich besorgt über die Verbindungen zwischen der Deutschen Telekom und dem chinesischen Telekom-Ausrüster Huawei gezeigt. "Das klingt nicht gut", sagte die SPD-Politikerin dem "Handelsblatt" während eines US-Besuches. Das "Handelsblatt" berichtete, die deutschen Verbindungen stießen auch bei US-Politikern auf Unverständnis. Die T-Aktie reagierte jedoch kaum.

Die Deutsche Börse muss im milliardenschweren Rechtsstreit um Gelder aus dem Iran in den USA eine Niederlage hinnehmen. Auf Grundlage der rechtlichen Bewertung ergebe sich aus der Entscheidung durch ein US-Gericht keine wesentliche Änderung der Risikosituation, die die Bildung einer Rückstellung erfordern würde, teilte der DAX-Konzern in Frankfurt mit.

Die VW-Dachgesellschaft Porsche SE (PSE) will ihren durch den Porsche-Börsengang angehäuften Schuldenberg im Jahresverlauf leicht abbauen. Lag die Nettoverschuldung Ende 2022 noch bei 6,7 Milliarden Euro, erwartet die Holding zum Abschluss des laufenden Jahres ein Minus von 6,1 bis 5,6 Milliarden Euro. Ende 2021 hatte der DAX-Konzern noch 641 Millionen Euro in der Kasse.

Porsche-Mitarbeiter profitieren mit bis zu 9050 Euro Prämie von den starken Geschäftszahlen des Sport- und Geländewagenbauers. Der Bonus für 2022 liegt damit deutlich über den 7900 Euro des Vorjahres, wie eine Sprecherin gestern mitteilte. Das Geld solle mit dem April-Gehalt an insgesamt 27.000 Beschäftigte an deutschen Standorten der Porsche AG sowie von Tochtergesellschaften ausbezahlt werden.

Der Baustoffkonzern Heidelberg Materials will nach einem Milliardengewinn mehr an seine Aktionäre ausschütten. Für das Jahr 2022 soll eine Dividende von 2,60 Euro je Aktie gezahlt werden, wie der DAX-Konzern in seinem Geschäftsbericht mitteilte. Das sind 20 Cent mehr als im Vorjahr. Analysten hatten etwas weniger auf ihren Zetteln. Das Gewinnziel für das laufende Jahr bestätigte das Management.

Der Kochboxenversender Hellofresh aus dem MDAX rechnet wegen der Konsumflaute und zunehmenden Kostendrucks mit einem schwachen Auftaktquartal. Das Wachstum der Monate Januar bis März werde nicht zweistellig ausfallen, sagte Konzernchef Dominik Richter heute auf einer Investorenveranstaltung in Berlin. Im vierten Quartal des vergangenen Jahres lag das Umsatzwachstum im Vergleich zum Vorjahreszeitraum noch bei fast einem Fünftel.

Mittelfristig baut der Manager bei seinen Wachstumsambitionen vor allem auf den verstärkten Vertrieb verzehrfertiger Mahlzeiten (Ready-To-Eat), neue Marken und die Expansion. Zudem soll der Durchschnittswarenwert durch erweiterte Bestelloptionen, gesteigert werden, etwa durch den Austausch oder die Aufwertung von Fleischprodukten sowie durch Zusatzprodukte wie Snacks, Nachspeisen oder Getränke.

Die Aktie von CTS Eventim steht unter Druck. Im Zuge der detaillierten Jahreszahlen, die der Eventvermarkter vorlegte, lag der Fokus vor allem auf dem Ausblick - und diesen werteten Marktteilnehmer in ersten Einschätzungen als "etwas enttäuschend". CTS Eventim rechnet 2023 mit einer stabilen Umsatz- und Gewinnentwicklung. Am Markt war aber Händlern zufolge jeweils ein kleiner Anstieg erwartet worden.

Der Bausoftwareanbieter Nemetschek hat die Anleger wegen des in der Branche inzwischen üblichen Abomodells von Software über das Internet auf ein Übergangsjahr eingestellt. Nach einem schwächeren Wachstum bei sinkender Profitabilität soll der Umsatz ab 2024 wieder zweistellig zulegen und auch die Marge wieder anziehen.

An der Börse werden die Prognosen mit Erleichterung aufgenommen. Die im MDAX notierte Aktie legt um bis zu knapp 15 Prozent auf 60,72 Euro und damit den höchsten Stand seit September 2022 zu. Die Aktie hatte im vergangenen Jahr fast 60 Prozent verloren und damit einen Lauf von zehn Jahren in Folge mit einem Kursgewinn beendet.

Der französische Pharmakonzern Sanofi kann auf zusätzliche Milliardeneinnahmen mit seinem Blockbuster-Medikament Duxipent hoffen. Das Mittel, das bereits bei Neurodermitis und Asthma zugelassen ist, erreichte in einer Phase-III-Studie zur Behandlung von Raucherlunge alle Zielvorgaben. Duxipent könnte damit Sanofi zufolge das erste biotechnologisch hergestellte Medikament zur Behandlung der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) werden.

Vodafone hat seine Anteile an der Funkturmtochter Vantage Towers an die neue Oak Holdings übertragen und dafür einen Milliardenerlös eingefahren. Vodafone erhalte 4,9 Milliarden Euro und halte nun 64 Prozent an der Dachgesellschaft Oak Holdings, teilte der Telekommunikationskonzern heute in London mit.

Der Nettoerlös kann bis Ende Juni noch auf bis zu 6,6 Milliarden Euro steigen, sofern sich das an Oak Holdings beteiligte Konsortium aus Global Infrastructure Partners und KKR entschließt, seine Beteiligung auf 50 Prozent zu erhöhen. Die Papiere von Vodafone und Vantage Towers legten nach Bekanntwerden der Nachricht moderat zu. Oak Holdings will die im MDAX gelisteten Vantage Towers rund zwei Jahre nach der Erstnotiz wieder von der Börse nehmen. Aktionäre sollen 32 Euro je Aktie erhalten.