US-Börsen stagnieren Ratlosigkeit an der Wall Street
Nach neuen Konjunkturdaten herrschte an der Wall Street einmal mehr Ratlosigkeit. Die großen Indizes bewegten sich kaum. Um so mehr rückt die Berichtssaison der Unternehmen in den Fokus der Anleger.
Die großen US-Aktienindizes haben zum Wochenschluss ihre zuletzt richtungslose Tendenz fortgesetzt und kaum verändert geschlossen. Der Leitindex Dow Jones ging bei 33.808 Punkten um 0,07 Prozent minimal höher aus dem Handel. Ähnlich tendierten auch die anderen großen Indizes, die 0,1 Prozent zulegten.
Abermals haben neue Konjunkturdaten die Anleger an der Wall Street zum Wochenausklang vorsichtig gestimmt. Denn die US-Wirtschaftsdaten vermitteln nach wie vor kein einheitliches Bild, so dass die Anleger immer wieder zwischen Rezessions- und Zinsängsten hin und her gerissen sind. Entsprechend bleibt der über allem stehende weitere Zinskurs der Notenbank Federal Reserve (Fed) weiterhin unklar, was die Börse verunsichert - und die Anleger nun schon länger ratlos zurücklässt.
Konkret stieg heute der Einkaufsmanagerindex für die US-Industrie im April überraschend von 49,2 auf 50,4 Stellen, das Barometer für die US-Dienstleister von 52,6 auf 53,7 Punkte. Experten waren von Rückgängen auf 49,0 beziehungsweise 51,5 Punkte ausgegangen.
"Dieser Anstieg hilft zu erklären, warum sich die Kerninflation hartnäckig hält, und deutet auf eine weitere Aufwärtsentwicklung oder zumindest eine gewisse Unnachgiebigkeit der Verbraucherpreise hin", sagte Chris Williamson, Chefvolkswirt beim Research-Haus S&P Global.
Die Fed um ihren Chef Jerome Powell hat stets erklärt, der Bekämpfung der Inflation erste Priorität einzuräumen, auch um den Preis eines wirtschaftlichen Abschwungs. Zuletzt hatten führende Fed-Banker erneut darauf hingewiesen, dass trotz zuletzt sinkender Inflationsraten der Weg noch nicht zu Ende gegangen sei. Die heutigen starken Einkaufsmanager-Daten dürften die Fed-Verantwortlichen in dieser Ansicht bestätigen.
Die unmittelbaren Börsenperspektiven an der Wall Street dürften vom Verlauf der Berichtssaison abhängen, die in Deutschland heute mit SAP gestartet und in den USA bereits im vollen Gange ist. Spannend dürfte es nächste Woche werden, wenn die Big-Tech-Konzerne Apple, Amazon, Meta, Alphabet und Microsoft ihre Bücher öffnen werden.
Heute aber hatte die Street nur vereinzelt neue Berichte zu verarbeiten, unter anderem vom Ölindustrie-Zulieferer Schlumberger. Dessen Zahlen begeisterten nicht. Der Ausrüster der Ölindustrie meldete für sein erstes Quartal zwar einen Gewinnanstieg und übertraf die Schätzungen der Analysten, Anleger hatten jedoch offenbar mehr erwartet. Die Aktie weitet ihre Verluste im Verlauf aus und gab am Ende deutlich um 4,18 Prozent nach.
Durchgesetzte Preiserhöhungen und ein vorteilhafter Produktmix schoben hingegen den US-Konsumgüterkonzern Procter & Gamble (P&G) an. Der Konzern mit Marken wie Ariel, Pampers und Braun schnitt im dritten Geschäftsquartal bis Ende März besser ab als von den Analysten erwartet. Deshalb setzte das Management seine Umsatzprognose nach oben, wie das Unternehmen heute in Cincinnati mitteilte. An seinem Gewinnziel hielt der Konzern fest.
Im abgelaufenen Quartal legte der Umsatz im Jahresvergleich um vier Prozent auf 20,1 Milliarden Dollar (18,3 Milliarden Euro) zu. Der Überschuss legte um gut ein Prozent auf 3,4 Milliarden Dollar zu. Konzernchef Jon Moeller sprach von einem anhaltend schwierigen Kosten- und Betriebsumfeld. An der Börse kommen die Nachrichten gut an, die Aktie stieg in New York deutlich 3,4 Prozent. Auch die im DAX-notierte Aktie des Konkurrenten Beiersdorf legte im Sog von Procter zu.
Gefragt war heute die Aktie von Tesla, die 1,28 Prozent gewann. Der US-E-Autobauer hat laut Website die Preise sowohl für sein Model S als auch das Model X angehoben. Tesla hatte jüngst aggressiv die Preise gesenkt, in den USA zuletzt alleine sechs Mal. Konzernchef Elon Musk hatte am Mittwoch gesagt, er wolle seine Marktanteile auch auf Kosten der Gewinnmarge verteidigen.
Entsprechend fiel auch gestern der Quartalsbericht aus, der für eine verheerende Kursreaktion gesorgt hatte. Die Aktie gab am Vortag 9,75 Prozent nach und holte heute nur einen kleinen Teil davon wieder auf. Zahlreiche Analysten zeigten sich schwer enttäuscht von Musks Preiskrieg und revidierten ihre Kursziele und Empfehlungen für die Aktie.
Trotz einer schwächelnden Wall Street haben die Anleger am heimischen Markt zum Wochenschluss noch zugegriffen. Der deutsche Leitindex grenzte nicht nur seine anfänglich höheren Verluste vom Vormittag ein, sondern schaffte auch noch einen Wochengewinn von knapp 0,5 Prozent. Beim Tagestief von 15.707 Zählern sah es zwischenzeitlich gar nicht danach aus.
Am Ende schloss der deutsche Leitindex bei 15.881 Punkten um 0,54 Prozent höher. Im Tageshoch wurden noch 15.899 Punkte erreicht. An der Marke von 16.000 Punkten scheiterte der Index aber wie bereits im gesamten Wochenverlauf erneut.
"Die Berichtssaison in den USA hat zum Teil enttäuscht und für Ernüchterung an der Wall Street gesorgt, und bei den Konjunktur- und Zinserwartungen hat sich wenig getan", erläuterte die Landesbank Helaba die jüngste Stagnation an den Börsen. Zu Nervosität gebe es aber keinen Anlass, und der Aufwärtstrend des DAX sei intakt.
Aus Sicht von Analyst Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners ist angesichts dieser Gemengelage noch völlig offen, wohin die Reise am Aktienmarkt geht. "Niemand kann im Moment seriös sagen, ob wir uns in einer kurzen Phase des Durchatmens oder am Beginn einer Korrektur befinden", sagte der Experte.
Die Charttechnik stützte ebenfalls. Denn der DAX konnte sich im Tagestief oberhalb der wichtigen Unterstützungszone von 15.700 Punkten halten. Dadurch wahrte er sich die Chance, in der kommenden Woche seinen Aufwärtstrend wieder aufzunehmen. Allerdings erweist sich der Widerstand bei 16.000 Punkte als zunehmend hohe Hürde. Gleichzeitig sind die Schwankungsbreiten gering, was dafür spricht, dass es bald zu einem Ausbruch kommen dürfte.
Unter den Einzelwerten im DAX zog heute SAP die größte Aufmerksamkeit auf sich. Die Aktie machte anfängliche Verluste nach den Zahlen des ersten Quartals nicht nur wieder wett, sondern setzte sich mit einem Plus von 5,2 Prozent am Nachmittag auch souverän an die DAX-Spitze. Das im Index schwer gewichtete Papier testete damit erstmals seit Anfang 2022 wieder die Marke von 120 Euro.
Analysten bemängelten zwar zunächst mit Blick auf die Quartalsbilanz des Software-Konzerns, dass das wachstumsträchtige Cloud-Geschäft etwas hinter den Erwartungen zurückgeblieben sei. Sie lobten aber die Auftragsentwicklung. Zudem zeigte sich SAP beim Umsatzwachstum optimistisch.
Analyst Richard Nguyen von der Societé Générale lobte hingegen das Cloud-Geschäft, die Cloud-Version der Kernsoftware S4 HANA gewinne an Dynamik. "Der nächste Schritt wäre nun, auch das Wachstum im Cloud-Geschäft mit anderen Produkten anzukurbeln", so der Experte. Die Profitabilität nehme zu und die Margenziele für das laufende Jahr lägen über den Konsensschätzungen. Nguyen erhöhte das Kursziel um zwölf auf 137 Euro und bekräftigte folglich die Empfehlung "Buy".
Leicht positive Signale kamen derweil von der Konjunktur im Euroraum. Die Wirtschaft in der Eurozone ist im April so kräftig gewachsen wie seit knapp einem Jahr nicht mehr. Der PMI-Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft - Industrie und Dienstleister zusammen - legte um 0,7 auf 54,4 Zähler zu. Er übertraf damit die Erwartungen den dritten Monat in Folge deutlich.
Anlass zu Euphorie ist das aber Experten zufolge nicht: "Auf Dauer werden sich die Dienstleistungen kaum von der Talfahrt in der Industrie abkoppeln können", erklärt Commerzbank-Ökonom Christoph Weil. "Darüber hinaus werden die deutlich gestiegenen Zinsen mit der üblichen zeitlichen Verzögerung auch die Nachfrage nach Dienstleistungen bremsen."
"Der Welthandel leidet, aber der Dienstleistungssektor bleibt vorerst unglaublich widerstandsfähig. Die Frage ist nun, ob die sich verdüsternden globalen Aussichten den Dienstleistungssektor einholen werden oder ob der Sektor - der in den meisten dieser Länder bequem den größten Teil der Wirtschaft ausmacht - eine weiche Landung und schließlich eine starke Erholung bewirken kann", kommentiert Craigh Erlam vom Broker Oanda.
Die Ölpreise haben sich am Nachmittag erholt und liegen leicht im Plus. Am späten Nachmittag kostet ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent 0,4 Prozent mehr bei 81,55 Dollar. In der laufenden Woche haben die Erdölpreise allerdings deutlich nachgegeben. Ausschlaggebend sind überwiegend schwache Wirtschaftsdaten aus den USA, die neue Konjunktursorgen hervorgerufen haben.
Der Euro notiert weiter unter der Marke von 1,10 Dollar. Im US-Handel kostete die Gemeinschaftswährung zuletzt 1,0992 Dollar und damit etwas mehr als am Vorabend. Der vor einer Woche markierte einjährige Höchststand von 1,1074 Dollar bleibt somit in Reichweite. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,0978 (Donnerstag: 1,0944) Dollar fest.
Die Feinunze Gold kostete mit 1976 Dollar 1,4 Prozent weniger. Dem gelben Edelmetall setzten nach den robusten Daten der US-Einkaufsmanager die Aussicht auf weiter hohe US-Zinsen zu.
Zu den größten Kursgewinnern im DAX gehörte die Mercedes-Benz-Aktie mit einem Plus von rund 1,7 Prozent. Zu den am Vorabend veröffentlichten Quartalszahlen merkte die Bank JPMorgan an, diese verdeutlichten die große Preissetzungsmacht des Autobauers und mithin die Profitabilität. Die bereinigte Umsatzrendite im Hauptgeschäftsfeld Pkw liegt nach vorläufigen Zahlen im ersten Quartal bei 14,8 Prozent, Analysten hatten im Schnitt mit 13,4 Prozent gerechnet.
Die weltweiten Auslieferungen des Volkswagen-Konzerns stiegen von Anfang Januar bis Ende März im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 7,5 Prozent auf etwas mehr als zwei Millionen Fahrzeuge. Große Zuwächse für VW gab es unter anderem auf dem Heimatmarkt Westeuropa (26,9 Prozent) und in Nordamerika (22,1 Prozent), während China schwächelte (minus 14,5 Prozent).
Gleichzeitig investiert der DAX-Konzern bis zu 4,8 Milliarden Euro in seine erste Zellfabrik in Nordamerika - es soll der bislang größte Batteriestandort des Konzerns werden. Das Werk im kanadischen St. Thomas habe ein geplantes Produktionsvolumen von bis zu 90 Gigawattstunden pro Jahr, wie Volkswagen heute bekanntgab. Das sei genug für rund eine Million Elektrofahrzeuge.
Die Zellfabrik soll nach Angaben von VW bis zu 3000 hochqualifizierte Arbeitsplätze schaffen. Produktionsstart in St. Thomas - etwa auf halber Strecke zwischen der kanadischen Metropole Toronto und der US-Autostadt Detroit gelegen - soll 2027 sein. Der Baubeginn ist im kommenden Jahr geplant.
Auch Kanadas Premierminister Justin Trudeau war bei der Vorstellung der Pläne am Freitag vor Ort. Er bezeichnete die Fabrik als "Gewinn für die Arbeitnehmer, für die Gemeinschaft und für die Wirtschaft". Trudeau stellte dem Wolfsburger Autohersteller über die nächsten zehn Jahre bis zu 13,2 Milliarden kanadischer Dollar (8,9 Milliarden Euro) an staatlichen Mitteln in Aussicht.
Der DAX-Konzern Rheinmetall und der US-Rüstungskonzern Lockheed Martin wollen bei der Entwicklung eines deutschen Raketenartilleriesystems kooperieren. Eine entsprechende Absichtserklärung sei unterzeichnet worden, teilten die Unternehmen mit. Damit könnten Schlüsseltechnologien und Wertschöpfungsanteile für Deutschland gesichert werden, so Rheinmetall.
Der Gewinn der russischen Tochter der Deutschen Bank hat sich trotz einer rückläufigen Bilanzsumme im vergangenen Jahr nahezu versechsfacht. Die Profite des Russland-Geschäfts des größten deutschen Geldhauses stiegen um 480 Prozent auf 5,4 Milliarden Rubel, wie aus einem unabhängigen Wirtschaftsprüfungsbericht hervorgeht, den das Institut veröffentlichte. Die Bilanzsumme der russischen Tochter schrumpfte allerdings um 36,3 Prozent auf 81,6 Milliarden Rubel.
Der Kupferkonzern Aurubis wird optimistischer. Im Geschäftsjahr 2022/23 dürfte der operative Gewinn vor Steuern nun 450 Millionen bis 550 Millionen Euro erreichen, teilte das Hamburger MDAX-Unternehmen heute mit. Bisher hatte der Vorstand 400 Millionen bis 500 Millionen in Aussicht gestellt. Vorstandschef Roland Harings begründete die besseren Aussichten unter anderem mit höheren Schmelz- und Raffinierpreisen und einer hohen Nachfrage nach Kupfer-Gießwalzdraht.
Im ersten Geschäftshalbjahr (bis Ende März) erzielte Aurubis vorläufigen Zahlen zufolge ein operatives Vorsteuerergebnis von 291 Millionen Euro. Das waren gut 30 Millionen Euro mehr als von Branchenexperten erwartet, aber nach angepassten Zahlen 40 Millionen weniger als ein Jahr zuvor. "Vor dem Hintergrund der anhaltenden geopolitischen Spannungen und rezessiver Tendenzen in Europa war ein solch starkes Halbjahresergebnis zum Zeitpunkt der Prognoseerstellung nicht zu erwarten", sagte Harings. Dem Konzern gelang es demnach erneut, seine Energiekosten unter Kontrolle zu halten.
Die Fluggesellschaft Eurowings rechnet laut einem Medienbericht mit weiter steigenden Flugpreisen. "Fliegen zum Taxipreis ist nicht mehr möglich", sagte der Chef der zum Lufthansa-Konzern gehörenden Fluggesellschaft Eurowings, Jens Bischof, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Bischof geht davon aus, dass Eurowings-Flüge in den Ferienzeiten etwa 20 Prozent teurer sein werden als im Vorjahr.
Eine trotz gestiegener Lebenshaltungskosten weiterhin rege Nachfrage hat dem Brillenkonzern EssilorLuxottica im ersten Quartal einen Umsatzsprung von fast zehn Prozent auf 6,15 Milliarden Euro beschert. Zu EssilorLuxottica gehören die Optikerketten Apollo und Sunglass Hut sowie die Brillenmarken Oakley und Ray-Ban. Das Unternehmen fertigt aber auch Brillen für Luxusmarken wie Dolce & Gabbana, Chanel und Armani.
Einige Tage nach der jüngsten Preissenkung werden die Elektroautos von Tesla in den USA wieder teurer. Gestern hob das Unternehmen laut Website die Preise sowohl für sein Model S als auch das Model X an. Das Model X kostet nun 2,6 Prozent mehr mit 97.490 Dollar, das Modell S 2,9 Prozent mehr mit 87.490 Dollar. Tesla hatte jüngst aggressiv die Preise gesenkt, in den USA zuletzt allein sechs Mal.
Elon Musks Twitter hat die Verifikationshäkchen entfernt, die früher kostenlos an Prominente und relevante Personen vergeben wurden. Jetzt haben nur noch zahlende Abo-Kunden das gleich aussehende Symbol in ihren Profilen - aber ohne echte Überprüfung der Identität. Das berühmte weiße Häkchen auf blauem Grund verschwand gestern unter anderem von den Konten von Papst Franziskus, Ex-US-Präsident Donald Trump, Popstar Justin Bieber und zahlreichen Journalisten.