Gewinne zum Wochenstart Spätsommerliche Kurserholung
Die Börsenwoche hat so begonnen wie die alte endete: mit Kursgewinnen. Anleger hoffen auf eine Abschwächung der US-Inflation. Zudem sorgte die ukrainische Gegenoffensive für Entspannung am Energiemarkt.
Der Optimismus an den Aktienmärkten nimmt zu: Sowohl die Wall Street als auch die europäischen Börsen verzeichneten zu Wochenbeginn kräftige Kursgewinne. Der Dow Jones stieg um 0,7 Prozent, der breiter gefasste S&P 500 zog um 1,1 Prozent an, und der technologielastige Nasdaq rückte um 1,3 Prozent vor. Bereits in der vergangenen Woche hatten die US-Börsen deutlich Boden gut gemacht.
Der DAX machte gar einen Sprung um 2,4 Prozent nach vorn auf mehr als 13.400 Punkte und erreichte den höchsten Stand seit rund drei Wochen. Seit Anfang des Monats hat der DAX um mehr als 500 Punkte zugelegt. Dabei gilt der September eigentlich statistisch gesehen als einer der schlechtesten Börsenmonate.
Anleger griffen zu in der Hoffnung auf ein Nachlassen der Inflationsdynamik in den USA. Damit würde der Druck sinken, unter dem die Fed auf ihrem geldpolitischen Straffungskurs steht."Der jüngste Optimismus an den Märkten könnte auf die Hoffnung zurückzuführen sein, dass die Inflation in den USA bei der Veröffentlichung des Verbraucherpreisindexes in dieser Woche zum zweiten Mal zurückgeht", sagte Ipek Ozkardeskaya, Analystin der Swissquote Bank. Experten erwarten, dass die Gesamtinflation im August im Jahresvergleich um 8,1 Prozent steigen wird - verglichen mit 8,5 Prozent im Juli.
Die jüngsten Erfolge der ukrainischen Armee im Krieg gegen Russland die Anleger zuversichtlicher. "Da die Ukraine nun Russland in die Defensive gedrängt und viele der verlorenen Gebiete zurückerobert hat, ist das für die globalen Investoren ermutigend, weil es darauf hindeutet, dass ein Waffenstillstand vielleicht schneller eintritt als bisher angenommen", betonte Sam Stovall, Investmentstratege bei CFRA Research. Die mögliche Wende im Ukraine-Krieg könnte auch die Energiekrise lindern. "Die Situation zwischen Russland und der Ukraine gibt dem Markt einen kleinen Hoffnungsschimmer, dass es eine Lösung geben könnte, die die Intensität des Energieschocks etwas abschwächt", meinte Portfoliomanager Hani Redha vom Vermögensverwalter PineBridge.
Die weiter anhaltenden Spekulationen um Zinserhöhungen lassen die Anleger kalt. Die Europäische Zentralbank (EZB) plant weitere Zinsschritte. Insidern zufolge diskutieren die Währungshüter über einen Schlüsselsatz von zwei oder mehr Prozent. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel macht sich ebenfalls für eine straffere Geldpolitik stark. Die Zinserhöhungs-Spekulationen bringen dem Euro Auftrieb. Die Gemeinschaftswährung steigt heute um bis zu 1,6 Prozent auf 1,0197 Dollar, den höchsten Stand seit Mitte August.
Konjunkturell sieht es in Deutschland weiter düster aus. Das ifo-Institut geht von weiter steigenden Inflationsraten und einer schrumpfenden Wirtschaftsleistung in Deutschland aus. Für dieses Jahr rechnen die Münchner Ökonomen mit einer Teuerungsrate von 8,1 Prozent und im kommenden Jahr von 9,3 Prozent. Die Wirtschaft wird nach der ifo-Konjunkturprognose in diesem Jahr nur noch um 1,6 Prozent zulegen und im kommenden Jahr sogar um 0,3 Prozent schrumpfen. "Wir gehen in eine Winter-Rezession", sagte der Leiter der ifo-Konjunkturforschung, Timo Wollmershäuser. Die Kürzung der Gaslieferungen aus Russland und die folgenden drastischen Preissteigerungen "verhageln die wirtschaftliche Erholung nach Corona", sagte er. "Erst 2024 erwarten wir eine Normalisierung mit 1,8 Prozent Wachstum und 2,5 Prozent Inflation."
An den Energiemärkten entspannt sich die Situation zunehmend. Der europäische Erdgas-Future verbnilligte sich um knapp sieben Prozent und fiel auf 189 Euro je Megawattstunde. Seit dem Rekord Ende August ist der Gaspreis um fast 45 Prozent gesunken. ifo-Chef Clemens Fuest rechnet langfristig mit sinkenden Energiepreisen. Künftig werde Russland sein Gas und Öl an andere verkaufen. Aktuell sei es wichtig, alles zu tun, um das Energieangebot in Deutschland zu stärken.
Die Ölpreise hingegen verteuerten sich - wegen der Furcht vor Versorgungsengpässen im Herbst. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent stieg in der Spitze um gut 2,5 Prozent auf über 95 Dollar. Ein Barrel der US-Sorte WTI kostete 89,10 Dollar - 2,7 Prozent mehr. Nach Einschätzung von Rohstoff-Experten dürfte sich das weltweite Ölangebot weiter verknappen, wenn am 5. Dezember ein Embargo der Europäischen Union gegen russisches Öl in Kraft tritt. Zudem warnte das US-Finanzministerium davor, dass eine Preisobergrenze für russisches Öl in diesem Winter die Öl- und Benzinpreise in den USA in die Höhe treiben könnte.
Gestützt wurden die Preise zudem durch den gefallenen Dollarkurs. Dieser macht Rohöl für Käufer aus anderen Währungsräumen günstiger und steigert somit deren Nachfrage. In den letzten Tagen hatten die Ölpreise kräftig nachgegeben. Konjunkturängste, steigende Leitzinsen und die Corona-Politik Chinas schürten Nachfragesorgen.
Die Zinsspekulationen gaben auch den Bankaktien Auftrieb. Ihnen winken bei steigenden Zinsen höhere Gewinne aus dem klassischen Kreditgeschäft. Der Index für die Banken der Eurozone stieg um mehr als drei Prozent. Mit einem Kursplus von über drei Prozent ragten die Titel der Deutschen Bank und der Commerzbank positiv aus dem DAX und MDAX heraus.
Wenige Tage vor dem Rauswurf von HelloFresh aus dem DAX traf den Kochbox-Versender eine Warnung der US-Behörden vor verunreinigtem Hack. Die Lebensmittelaufsicht FSIS teilte mit, bestimmte Hackfleisch-Packungen in HelloFresh-Boxen könnten mit Kolibakterien verunreinigt sein. Die FSIS zeigte sich besorgt, dass Kunden die im Juli ausgelieferten Chargen noch in Tiefkühltruhen haben könnten, und empfahl, das Hackfleisch wegzuwerfen. HelloFresh erklärte, es sei ein sehr kleiner Teil der Kunden in den USA betroffen. Die Aktien des Kochbox-Versenders brachen zeitweise fast sieben Prozent ein, schlossen dann aber mit dem starken Markt doch noch 2,6 Prozent fester.
Der geplante Börsengang der VW-Sportwagentochter Porsche stößt auf riesiges Interesse von Investoren. Deshalb könnte das IPO schon bald erfolgen. "Wir wollen Ende September oder Anfang Oktober bereit sein für den Börsengang. Je früher desto besser", sagte Porsche-Finanzchef Lutz Meschke. Volkswagen will von der Tochter Porsche bis Anfang Oktober 12,5 Prozent des Grundkapitals an die Börse bringen und damit Milliarden einsammeln.
Inflation und steigende Zinsen erschweren den Rückversicherern nach Ansicht des Weltmarktführers Münchner Rück die Verhandlungen über die neuen Verträge für das kommende Jahr. Der für die Rückversicherung zuständige Vorstand Torsten Jeworrek rechnet zwar weiterhin mit steigenden Preisen, aber "die nächste Erneuerungsrunde wird aber viel, viel herausfordernder als die letzte", erklärte er zum Auftakt des Rückversicherungstreffens in Monte Carlo.
Auch Erzrivale Swiss Re rechnet angesichts der geopolitischen Spannungen, der globalen Wirtschaftsentwicklung und des Klimawandels mit einer verstärkten Nachfrage nach Versicherungsschutz. Die Hannover Rück pocht in den anstehenden Gesprächen über die Erneuerung der Verträge mit den Erstversicherern wie die Konkurrenz ebenfalls auf höhere Preise. "Vor dem Hintergrund eines Trends zu teureren Großschäden" seien Preiserhöhungen und verbesserte Konditionen in der Schaden-Rückversicherung zu erwarten, sagte Vorstandschef Jean-Jacques Henchoz.
Bayer sieht die Wirksamkeit seines Prostatakrebsmedikaments Nubeqa durch neue Studiendaten untermauert. Die Daten zeigen, dass der Wirkstoff Darolutamid das Gesamtüberleben von Patienten mit metastasiertem hormonsensitivem Prostatakrebs (mHSPC) verbessert, teilte Bayer am Wochenende auf dem europäischen Krebskongress ESMO mit. Ein Händler wertete die Daten leicht positiv.
Der Pharma- und Chemiekonzern kalkuliert für Nubeqa mit einem Spitzenumsatz von mehr als drei Milliarden Euro. Der Leverkusener DAX-Konzern braucht den Erfolg neuer Medikamente, um mittelfristig wegbrechende Umsätze mit Kassenschlagern auszugleichen, da für diese der Patentschutz nach und nach ausläuft.
Lufthansa-Passagiere können aufatmen und müssen bis Mitte 2023 keine Piloten-Streiks befürchten. Die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) und die Airline einigten sich auf Gehaltserhöhungen und eine Friedenspflicht bis zum 30. Juni, wie beiden Seiten am Montag mitteilten. Bis dahin wolle man weitere offene Themen ohne Zeitdruck verhandeln, erklärte die VC.
Die Cockpit-Crews erhalten in zwei Stufen – rückwirkend ab 1. August 2022 sowie am 1. April 2023 – eine Erhöhung der monatlichen Grundvergütung von je 490 Euro. Vor allem die Einstiegsgehälter profitierten, betonte die Lufthansa. So erhalte ein Berufseinsteiger als Copilot rund 20 Prozent mehr und ein Kapitän in der Endstufe ein Plus von 5,5 Prozent.
Nach einer Gewinnwarnung stürzten die Aktien von Orpea um ein Fünftel auf ein 17-Jahgres-Tief ab. Wegen angeblicher Misshandlung von Bewohnern steht der französische Altenheim-Betreiber in der Kritik. Aufgrund des Skandals und steigender Kosten stimmte das hoch verschuldete Unternehmen die Anleger auf weiter fallende Gewinnmargen ein.
Nach US-Börsenschluss meldete der US-Software-Konzern Oracle Quartalszahlen. Dank seiner boomenden Cloud-Services und einer Übernahme im jüngsten Geschäftsquartal legten die Erlöse gegenüber dem Vorjahreswert um 18 Prozent auf 11,45 Milliarden Dollar zu. Höhere Betriebskosten ließen den Gewinn dennoch einbrechen. Unterm Strich verdiente Oracle 1,55 Milliarden Dollar - das sind rund 37 Prozent weniger als vor einem Jahr. Anleger reagierten verhalten, die Aktien des SAP-Konkurrenten bewegten sich nachbörslich zunächst kaum.
Die Intel-Aktien standen am Abend unter Druck. Ein Medienbericht über eine Verschiebung des Börsengangs der zu Intel gehörenden Robotaxi-Tochter Mobileye belastete den Kurs des Chip-Konzerns. In einem Tweet eines CNBC-Reporters heißt es, dass Intel die Bewertung von Mobileye massiv auf 30 Milliarden Dollar von zuvor 50 Milliarden Dollar gesenkt habe. Außerdem könnte die Neuemission auf kommendes Jahr verschoben werden. Mobileye, ein Anbieter von Fahrerassistenzsysten aus Israel, hatte im März Unterlagen für einen Börsengang in den USA eingereicht.