Händler an der New Yorker Börse
marktbericht

Wacklige Märkte Der Wall Street fehlt die Orientierung

Stand: 04.06.2024 22:22 Uhr

Nur sehr zögerlich sind die US-Anleger wieder an den Markt zurückgekehrt. Die US-Indizes fanden lange keine klare Linie. Zins- und Konjunktursorgen bremsen die Risikobereitschaft.

Die US-Börsen haben wie schon am Vortag keine klare Linie gefunden und dabei mehrfach das Vorzeichen gewechselt. Letztlich gingen die großen Aktienindizes der Wall Street leicht höher bei nur geringen Schwankungen aus dem Handel.

Der Dow Jones, der Leitindex der Standardwerte, hielt sich am besten. Das führende Börsenbarometer rang lange mit seinem Schlussniveau und ging letztlich bei 38.711 Zählern um 0,36 Prozent moderat höher aus dem Handel. Sowohl der marktbreite S&P-500-Index als auch die Technologiebörse Nasdaq rückten leicht um 0,15 Prozent vor.

Die heutigen Kursschwankungen waren überschaubar und Ausdruck der derzeit herrschenden Unsicherheit an der Weltleitbörse nach zuletzt überraschend schwachen Konjunkturdaten. Die Stimmung in der US-Industrie hatte sich am Vortag unerwartet eingetrübt. Zudem waren die Bauausgaben erneut gefallen.

Heute wurde bekannt, dass die US-Industrie im April zwar etwas mehr Aufträge an Land zog als gedacht, allerdings wurde der Vormonatswert nach unten korrigiert. Gleichzeitig ging die Zahl der offenen Stellen überraschend deutlich zurück. Bisher schien es so, als ob die US-Wirtschaft mit den hohen Zinsen gut leben könnte, die jüngsten Daten sprechen nun eine andere Sprache.

"Die Anzeichen verdichten sich, dass die Notenbank Fed mit einer Lockerung der Geldpolitik beginnen sollte", sagte Ronald Temple, Chef-Anlagestratege der Investmentbank Lazard. "Jeden Monat kündigen weniger Arbeitnehmer ihre Jobs, was eindeutig darauf hindeutet, dass sie weniger Möglichkeiten sehen, durch einen Arbeitsplatzwechsel höhere Löhne zu erzielen."

Die schwachen Zahlen vom Vortag ließen die Märkte an der Dauerhaftigkeit der wirtschaftlichen Stärke in den USA zweifeln, konstatierte Vermögensverwalter Patrick Armstrong von Plurimi Wealth LLP. Er werde die Arbeitsmarktdaten in dieser Woche im Auge behalten, um diese Ansicht zu bestätigen oder um sie neu zu bewerten.

Die neuen Daten der Regierung zum Arbeitsmarkt werden am Freitag erwartet, traditionell der Höhepunkt der Wirtschaftszahlen. Anleger erhoffen sich mehr Orientierung in Sachen Zinspolitik der Notenbank Federal Reserve (Fed), für die dem Arbeitsmarkt beim Kampf gegen die Inflation traditionell eine Schlüsselrolle zukommt.

Kurskapriolen schlug mal wieder die GameStop-Aktie, die zwischenzeitlich um bis zu zehn Prozent nachgab und damit rund die Hälfte ihrer Vortagesgewinne von 21 Prozent wieder abgab. Der Schlusskurs lag dann bei 26,50 Dollar, ein Minus von 5,3 Prozent.

Den Kurssprung vom Montag hatte der im Internet unter dem Pseudonym "Roaring Kitty" bekannte Investor Keith Gill ausgelöst, indem er auf der Online-Plattform Reddit seine 116 Millionen Dollar schwere Wette auf GameStop-Kursgewinne öffentlich machte. Inzwischen untersucht die Börsenaufsicht des US-Bundesstaates Massachusetts den Vorfall.

Der DAX hat heute den Rückwärtsgang eingelegt und am Ende 1,09 Prozent auf 18.405 Punkte verloren. Zins- und Konjunktursorgen, die bereits am Vortag die Wall Street belastet hatten, sorgten für schlechte Stimmung an der Börse. Ein zarter Erholungsversuch am Nachmittag in Richtung 18.500 Punkte scheiterte, da auch die US-Märkte weiter schwach tendierten. Der MDAX der mittelgroßen Werte gab 0,68 Prozent nach auf 26.779 Punkte.

Die Nervosität ist am Markt zuletzt deutlich gestiegen. Denn zu der anhaltenden Zinsunsicherheit haben zuletzt schwächere Konjunkturdaten vor allem in den USA auch Konjunktursorgen ausgelöst. In diesem Umfeld taten sich die Anleger schwer damit, neue Risiken einzugehen. Dies, obwohl fest mit einer Zinssenkung der Europäischen Zentralbank um 25 Basispunkte auf dann 3,75 Prozent am Donnerstag gerechnet wird.

Trotzdem blicken die Märkte wie immer voraus - und dabei scheint der weitere geldpolitische Weg der EZB weniger klar zu sein, was für Verunsicherung sorgt. "Der Zinspfad im weiteren Jahresverlauf ist dagegen noch nicht so klar vorgezeichnet", merkte die Landesbank Helaba an. Entsprechend zurückhaltend hatten die Investoren zuletzt agiert.

"Nach den jüngsten Aussagen (der EZB) zu urteilen, ist eine weitere Zinssenkung im Juli unwahrscheinlich", urteilte Daniel Loughney, Anleihenexperte beim Fonds Mediolanum International.

Die Ölpreise gaben nach dem Ausverkauf vom Vortag weiter nach. Öl der Nordseesorte Brent sowie der US-Leichtölsorte WTI kostete zuletzt rund 0,7 Prozent weniger. Der Preis für ein Fass Brent fiel dabei unter die Marke von 78 Dollar. Eine Entwicklung, die den Investoren im aktuellen Kontext ebenfalls Sorgen bereitete.

Für energieintensive Unternehmen sei dies zwar erfreulich, sagte Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners. Allerdings signalisierten fallende Energiepreise aber immer auch eine Abkühlung der Konjunktur.

Als einen Grund für den Preisdruck nannten Börsianer auch den jüngsten Entscheid der Opec+ zu den Förderquoten. Zwar einigte sich die Gruppe, zu der neben den Mitgliedern des Exportkartells Opec weitere Förderländer wie Russland gehören, auf eine Verlängerung der bisherigen Produktionsbeschränkungen. Allerdings öffneten sie die Tür für eine Reduzierung der bisherigen, freiwilligen zusätzlichen Drosselung durch einzelne Mitglieder.

Update Wirtschaft vom 04.06.2024

Stefan Wolff, HR, Update Wirtschaft, 04.06.2024 09:00 Uhr

Der Euro knüpfte zunächst an die Kursgewinne vom Vortag an und erreichte zwischenzeitlich den höchsten Stand seit mehr als zwei Monaten. Im Gefolge konnte die Gemeinschaftswährung das hohe Niveau aber nicht halten. In der vergangenen Nacht stieg die Gemeinschaftswährung bis auf 1,0916 Dollar. Dies ist der höchste Kurs seit dem 21. März. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0865 (Montag: 1,0842) Dollar fest. Zuletzt wurde der Euro im US-Handel bei 1,0888 Dollar wieder etwas höher gehandelt.

Die Stärke des Euro ist derzeit eher eine Schwäche des Dollar. Gestützt wurde der Euro zuletzt nämlich primär durch die schwachen US-Konjunkturdaten. Diese lassen Zinssenkungen der Notenbank Federal Reserve (Fed) wieder wahrscheinlicher werden, was den Dollar drückt. Im Gegenzug legt der Euro zu, in dessen Kurs eine EZB-Zinssenkung bereits seit langem eingepreist ist.

Die Nachfrage nach Personal in den USA hat zuletzt spürbar nachgelassen. Die auch für die Zentralbank wichtige Kennziffer der offenen Stellen sank Ende April auf 8,059 Millionen, wie das US-Arbeitsministerium heute zu seiner monatlichen Umfrage (Jolts) mitteilte. Befragte Experten hatten mit einem Wert von 8,355 Millionen gerechnet. Der Vormonatswert wurde zugleich auf 8,355 Millionen von ursprünglich gemeldeten 8,488 Millionen revidiert. Die Auftragseingänge der US-Industrie sind im April hingegen um 0,7 Prozent gestiegen. Allerdings beschleunigte der Sektor im Mai seine Talfahrt, wie aus dem jüngsten ISM-Einkaufsmanagerindex hervorging.

Am Freitag steht der US-Arbeitsmarktbericht für Mai an. Dabei rechnen Ökonomen mit einem Stellenzuwachs von 185.000 außerhalb der Landwirtschaft, nach 175.000 im April. Die US-Zentralbank Federal Reserve will mit einer straffen geldpolitischen Linie den Preisauftrieb dämpfen und den Arbeitsmarkt abkühlen. Sie hält den Leitzins in der Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent.

Unter den Einzelwerten lagen im DAX Siemens Energy am Ende. Anlass für die Gewinnmitnahmen waren negative Studien von JPMorgan und vom Investmenthaus Bernstein. Händler sprachen von Gewinnmitnahmen, nachdem sich die Aktie zuletzt mehr als verdoppelt hatte.

Ein negativer Analystenkommentar der Citigroup drückte auch die Allianz-Aktie, die rund drei Prozent verlor. Auf der Gewinnerseite gab es heute nicht so viel Auswahl. Der Medizintechnikkonzern Siemens Healthineers lag an der DAX-Spitze mit einem Plus von gut zwei Prozent.

Im MDAX waren es ebenfalls Analystenkommentare, die für Bewegung sorgten. Freenet-Aktien stiegen um über drei Prozent, angetrieben von einer Kaufempfehlung der Bank UBS. Eine positive Studie von JPMorgan zur Ströer-Aktie verhalf dieser zu einem Plus von rund 1,4 Prozent.

Die von den Autobauern Mercedes-Benz und Stellantis geplante Batteriefabrik in Kaiserslautern verzögert sich. Die geplanten Bauarbeiten seien gestoppt, erklärte das Gemeinschaftsunternehmen ACC der beiden Autobauer und TotalEnergies am Dienstag. Auch eine weitere Batteriefabrik von ACC in Italien werde verschoben. Wegen der Nachfrage-Verschiebungen hin zu kleineren E-Autos müsse ACC sein Portfolio um kostengünstigere Zellchemie erweitern. Das erfordere weitere Forschungs- und Entwicklungsarbeit, erklärte ACC.

ACC wurde 2020 von Stellantis und der einer TotalEnergies-Tochter Saft gegründet, Mercedes-Vorgängerkonzern Daimler stieß 2021 als dritter Partner hinzu. Die Fabrik in Kaiserslautern soll auf einem früheren Gelände der deutschen Stellantis-Tochter Opel entstehen. An der E-Strategie wollen beide Konzerne festhalten.

Die Deutsche Telekom hat nach dem Anteilsverkauf des Bundes ihr laufendes Aktienrückkaufprogramm angepasst. Das maximale Kaufvolumen pro Woche liege nach dieser Anpassung bei knapp über 200 Millionen Euro, teilte der Konzern mit. Dieses Maximalvolumen entspreche fast einer Versechsfachung der bisherigen durchschnittlichen wöchentlichen Rückkäufe von 37 Millionen Euro seit Start des Programms am 3. Januar 2024. Die Telekom begründete die Änderungen damit, mögliche zeitweilig erhöhte Kursvolatilitäten stärker für günstige Rückkäufe von Deutsche-Telekom-Aktien nutzen zu können.

Die T-Aktie hat am Nachmittag ihre Verluste zwar etwas eingegrenzt, blieb aber am Ende rund 1,7 Prozent im Minus. Erste Investoren nutzten allerdings im Verlauf den Kursrutsch vom Vorabend für einen günstigeren Einstieg. Fundamental läuft es derzeit rund bei den Bonnern, wie der jüngste Quartalsbericht gezeigt hat. Vor allem die US-Tochtergesellschaft T-Mobile US ist in den USA stramm auf Expansionskurs. Die Kursziele der Analysten liegen allesamt meist deutlich über dem aktuellen Niveau des DAX-Schwergewichtes.

Die Aktionäre von Flatexdegiro haben der langjährigen Führungsetage des Online-Brokers eine deutliche Klatsche verpasst. Auf der Online-Hauptversammlung verweigerten die Anteilseigner dem abgetretenen Vorstandschef Frank Niehage, dem früheren Vize-Chef Muhamad Chahrour und Aufsichtsratschef Martin Korbmacher am Dienstag die Entlastung.

Korbmacher entging jedoch seiner Abberufung aus dem Kontrollgremium, die Großaktionär Bernd Förtsch beantragt hatte. Zwar waren fast zwei Drittel der Stimmen für den Antrag. Es wäre jedoch eine Mehrheit von drei Vierteln nötig gewesen. Allerdings wählten die Aktionäre Förtsch als neues Mitglied in den Aufsichtsrat.

Die Nichtentlastung von Korbmacher, Niehage und Chahrour hat für die Betroffenen keine direkten Folgen. Sie gilt jedoch als Ausdruck des Misstrauens durch die Aktionäre. Die Anteilseigner lehnten auch den Vergütungsbericht und das Vergütungssystem für den Vorstand ab, die Flatexdegiro ihnen zur Abstimmung vorgelegt hatte.

Nur wenige Monate nach einem ersten Angriff ist Europas größte Laborkette Synlab erneut Opfer einer Cyberattacke geworden. Das britische Gemeinschaftsunternehmen Synnovis sei am gestrigen Montag angegriffen worden, teilte das SDAX-Unternehmen am Abend nach Börsenschluss in München mit.

Experten sollen nun die Auswirkungen der Attacke prüfen. Andere Synlab-Unternehmen und -Standorte seien nicht betroffen. Den Angaben nach handelt es sich um einen eigenständigen Angriff, der in keinem Zusammenhang mit dem Hackervorfall Mitte April stehe. Dieser hatte den Betrieb in Italien weitgehend lahmgelegt.

Erst Ende April wurde der Betrieb wieder aufgenommen. Synlab ist nach eigenen Angaben in mehr als 30 Ländern der Welt tätig und zählt rund 27 000 Mitarbeitende. Im vergangenen Jahr erlöste das Unternehmen gut 2,6 Milliarden Euro.

Ford Europa fährt heute in Köln die Serienproduktion seines ersten Elektroautos hoch. Ursprünglich sollte es schon im vergangenen September losgehen. Wegen eines neuen Batterie-Standards dauerten die Vorbereitungen aber länger als gedacht. Der US-Konzern ist schon seit 1930 in Köln präsent, wo er unter anderem den Kleinwagen-Klassiker Ford Fiesta produziert hat. Für seinen neuen Elektrokurs musste Ford knapp zwei Milliarden Euro in das Kölner Werk investieren, wo künftig bis zu 250.000 E-Autos jährlich hergestellt werden sollen.

Der US-Pharma- und Konsumgüterkonzern Johnson & Johnson (J&J) hat in der Klagewelle um mutmaßlich asbestverseuchtem Talkumpuder einen weiteren Rückschlag erlitten. Ein Geschworenengericht in Portland sprach der Klägerin und ihrem Ehemann am Montag 60 Millionen Dollar Schadenersatz und eine Strafzahlung von 200 Millionen Dollar zu. Bei der Klägerin Kyung Lee war im vergangenen Jahr im Alter von 48 Jahren Mesotheliom diagnostiziert worden. Der Konzern kündigte Berufung an.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 04. Juni 2024 um 09:00 Uhr.