Dow & Co. im Aufwind Zinshoffnungen schieben die Wall Street an
Nach zögerlichem Start hat die Wall Street doch noch zugelegt. Notenbankchef Powells Rede brachte keine wirklich neuen Erkenntnisse, sodass die Zinsbullen sich letztlich durchsetzten.
Die US-Aktienmärkte haben zum Wochenschluss nach durchwachsenem Handelsstart kräftig angezogen. Auslöser war eine Rede von US-Notenbankchef Jerome Powell. Dieser hatte zwar erneut die Wachsamkeit der Bank im Kampf gegen die Inflation betont, seine Position brachte aber keine neuen Erkenntnisse, sodass sich Zinshoffnungen letztlich durchsetzen konnten.
"Es wäre verfrüht, mit Zuversicht zu dem Schluss zu kommen, dass wir eine ausreichend restriktive Haltung erreicht haben, oder darüber zu spekulieren, wann die Geldpolitik gelockert werden könnte", fügte er hinzu.
"Powell tat sein Möglichstes, um die Märkte auf subtile Weise von der Entschlossenheit der Federal Reserve zu überzeugen, die Zinsen über einen längeren Zeitraum hinweg restriktiv zu halten", sagte Karl Schamotta, Chefmarktstratege bei Corpay in Toronto. "Aber wir bezweifeln, dass dies Anleger davon abhalten wird, auf eine dramatische Kehrtwende Anfang 2024 zu wetten."
Der schon davor starke Leitindex Dow Jones Industrial ließ im Anschluss an Powells Worte die Marke von 36.000 Punkten endgültig hinter sich und gewann am Ende 0,82 Prozent auf 36.245 Punkte. Damit erreichte er den höchsten Stand seit knapp zwei Jahren und erreichte ein Wochenplus von 2,4 Prozent. Zum Anfang 2022 erreichten Rekordstand von 36.952 Punkten fehlen dem Börsenbarometer nur noch knapp zwei Prozent beziehungsweise rund 700 Punkte.
Der breiter gefasste S&P 500 gewann 0,59 Prozent auf 4594 Zähler, der Index der Technologiebörse Nasdaq stieg um 0,55 Prozent und der Nasdaq Auswahlindex 100 um 0,31 Prozent. Zuletzt hatten insbesondere widersprüchliche Aussagen zur Zinspolitk aus den Reihen der Federal Reserve für Zurückhaltung bei den Anlegern an der besonders zinssensitiven Technologiebörse Nasdaq gesorgt.
Auch die Kurse von US-Staatsanleihen haben ihre Gewinne im Handelsverlauf ausgebaut. Der Terminkontrakt für zehnjährige Anleihen (T-Note-Future) notierte zuletzt 0,79 Prozent höher bei 110,33 Punkten. Die Rendite für zehnjährige Staatspapiere sank im Gegenzug auf 4,22 Prozent und setzte damit ihren jüngsten, nur am Vortag pausierenden Abwärtstrend fort.
Unter den Einzelwerten an der NYSE verloren Pfizer deutlich gut 5,0 Prozent. Denn der US-Pharmariese muss im Rennen um den lukrativen Markt für Abnehmmedikamente einen Rückschlag hinnehmen. Das Unternehmen werde keine weiteren Studien mit der zweimal täglich einzunehmenden Variante seines Hoffnungsträgers Danuglipron durchführen, teilte Pfizer heute mit. Zuvor war über die Hälfte der Probanden wegen zahlreicher Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen aus der Untersuchung ausgeschieden.
Eine Gewichtsreduktion wurde jedoch erzielt. Deswegen setzt der Pharmariese nun auf die einmal täglich einzunehmende Version des Mittels mit einer veränderten Wirkstofffreisetzung. Pfizer wolle nun Daten sammeln, eine Auswertung erwartet der Konzern im kommenden Jahr. Danuglipron gehört zur selben Klasse von Abnehmmitteln wie Wegovy und Ozempic von Novo Nordisk sowie Mounjaro und Zepbound von Eli Lilly, die zuletzt für Furore sorgten.
Anhaltende Zinsfantasie treibt auch den DAX derzeit immer weiter nach oben. Auch zum Wochenschluss setzte der deutsche Leitindex seine Rally fort und schloss die fünfte Gewinnwoche in Folge ab. Es war die längste Gewinnserie des laufenden Jahres.
Am Ende des Tages ging der Leitindex bei 16.397 Punkten fast auf Tageshoch aus dem Handel, ein Plus von 1,12 Prozent. Auf Wochensicht kommt das Börsenbarometer damit auf ein Plus von 2,3 Prozent und ist Strategen zufolge auf bestem Weg, sein Ende Juli mit 16.529 Punkten erreichtes Rekordhoch zu übertreffen. Der MDAX der mittelgroßen Werte rückte 1,18 Prozent vor auf 26.492 Punkte.
Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank, rechnet damit, dass die Erholung am deutschen Aktienmarkt weitergeht, da sich die Einschätzungen zur künftigen Geldpolitik gewandelt hätten. Grund dafür sei der anhaltende Rückgang der Inflation in den USA und im Euroraum. Die Inflation in Deutschland war im November auf 3,2 Prozent gesunken, im Euroraum auf 2,4 Prozent. Noch im Oktober 2022 hatten die Höchststände bei 10,6 Prozent im Euroraum und bei 11,6 Prozent in Deutschland gelegen.
In der Folge hätten sich wieder neue Hoffnungen auf baldige Zinssenkungen im kommenden Jahr herausgebildet und zu deutlich sinkenden Anleiherenditen geführt. "Allerdings hat es in diesem Jahr bereits mehrere solcher Meinungsumschwünge gegeben. Auch jetzt bleibt die Unsicherheit über die weitere Marktentwicklung hoch", betonte Kater.
Vor allem diejenigen, die bisher nicht dabei waren, müssen auf den fahrenden Börsenzug aufspringen, womit die bekannte Börsenregel meist begründet wird. "Die Skeptiker auf den Frankfurter Börsenparkett werden von der laufenden Rally im DAX völlig überrollt", meint Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst bei CMC Markets. "Ihre einzige Option bleibt, den steigenden Kursen hinterherzurennen oder auch nur hinterherzublicken." Wer auf günstigere Einstiegsmöglichkeiten hoffe, bleibe auf der Strecke.
Unter den Einzelwerten im DAX gingen Covestro mit einem Plus von fast sechs Prozent als Sieger durchs Ziel. Sie überwanden die Marke von 50 Euro und profitieren damit weiter von Übernahmefantasie durch das Interesse des arabischen Ölkonzerns Adnoc aus Abu Dhabi. Deutliche Gewinne gab es auch bei Siemens Energy und Vonovia, mit jeweils über vier Prozent. Am DAX-Ende standen Sartorius, die fast drei Prozent nachgaben. Auch Bayer gaben auf ohnehin niedrigem Niveau erneut knapp ein Prozent nach.
Die Inflation scheint zwar zurückgedrängt, eine andere wichtige Frage für die Finanzmärkte aber bleibt - nämlich wann die Notenbanken beginnen, die Zinsen zu senken. Die Marktexperten von Index Radar warnen dabei vor zu viel Euphorie: "Der Markt geht davon aus, dass die Fed mit ihren Leitzinserhöhungen nicht nur durch ist, sondern bald mit ersten geldpolitischen Lockerungen beginnen dürfte", heißt es in ihrem Tageskommentar. "Wir befürchten, dass die Aktienmärkte derzeit wieder zu stark auf Zinssenkungen setzen."
Andere Fachleute sehen das ähnlich: "Ob der vorherrschende Zinsoptimismus weiter anhält, müsste allerdings auch von der Konjunkturseite bestätigt werden", gaben die Experten der Commerzbank zu bedenken.
Die letzte EZB-Zinssitzung im laufenden Jahr ist am 14. Dezember in Frankfurt, die Zinsausschuss der US-Notenbank kommt am 13. Dezember zusammen.. Experten gehen davon aus, dass die Europäische Zentralbank dann erneut den Zinssatz unverändert lassen wird.
Die Zinseuphorie in Europa setzte derweil dem Euro weiter zu, der seinen jüngsten Abwärtstrend fortsetzte. Im New Yorker Handel präsentierte sich die Gemeinschaftswährung mit zuletzt 1,0881 Dollar allerdings stabilisiert - davor war sie noch bis auf 1,0829 Dollar abgesackt. Die Europäische Zentralbank hatte den Referenzkurs auf 1,0875 (Donnerstag: 1,0931) Dollar festgesetzt.
Gestern war der Euro unter die Marke von 1,09 Dollar gefallen, nachdem er vor den Inflationsdaten aus der Eurozone sogar über 1,10 Dollar gehandelt worden war. Die Erwartung, dass die EZB ihre Leitzinsen ab dem zweiten Quartal 2024 reduzieren könnte, verfestigte sich zuletzt. Eine erste Zinssenkung ist am Markt für April eingepreist. Terminkontrakte deuten auf Zinssenkungen um insgesamt mehr als einen Prozentpunkt im Jahresverlauf hin.
Konjunkturdaten aus der Eurozone bestätigten am Vormittag die schwache Verfassung der Industrie, obwohl sich der Stimmungsindikator von S&P Global aufhellte. Die Kennzahl liegt allerdings seit längerem klar unter der Wachstumsgrenze. Am Nachmittag wird in den USA mit dem ISM-Index ebenfalls ein wichtiger Indikator für das verarbeitende Gewerbe erwartet.
Die deutsche Industrie hat ihre Produktion auch im November deutlich gedrosselt. Ein wichtiges Barometer für die Schlüsselbranche, der Einkaufsmanagerindex, stieg zwar leicht um 1,8 auf 42,6 Punkte und damit das vierte Mal in Folge, wie der Finanzdienstleister S&P Global mitteilte. Das an den Finanzmärkten stark beachtete Barometer blieb damit allerdings klar unter der Marke von 50 Zählern, ab der es ein Wachstum signalisiert.
Gold ist heute im Handelsverlauf auf ein Rekordhoch von 2075,09 Dollar per Feinunze (31,1 Gramm) gestiegen. Hintergrund war insbesondere die Erwartung, dass die US-Notenbank Fed im kommenden Jahr die Zinsen wieder senken könnte. Der Goldpreis gab im weiteren Verlauf wieder nach und lag bei 2070,33 Dollar.
Die Ölpreise stabilisierten sich heute und legten leicht zu. Mitglieder des großen Ölkartells OPEC+ wollen ihre Produktion im ersten Quartal des kommenden Jahres weiter reduzieren. Nach einer Online-Sitzung teilte die Gruppierung mit, dass Saudi-Arabien und Russland ihre bestehenden Einschränkungen von insgesamt 1,3 Millionen Fass (je 159 Liter) pro Tag bis März beibehalten.
Sechs weitere Mitglieder des Verbundes planen ihre täglichen Fördermengen im nächsten Quartal zusätzlich um fast 700.000 Fass Rohöl zu drosseln, wie es hieß. Zwar einigte sich das Kartell damit auf freiwillige Förderkürzungen von insgesamt rund zwei Millionen Barrel pro Tag (bpd) für Anfang nächsten Jahres. Einen Gruppenkonsens und eine gemeinsame Pressekonferenz hatte es aber nicht gegeben, was die Investoren verunsichert hatte.
Der Essener Energiekonzern RWE will mit dem auf grüne Energien spezialisierten Unternehmen Masdar aus den Vereinigten Arabischen Emiraten zwei britische Offshore-Windprojekte in der Nordsee verwirklichen. RWE und das staatliche Unternehmen Masdar besiegelten ihre Zusammenarbeit heute am Rande der Weltklimakonferenz COP28 in Dubai, wie der DAX-Konzern und der britische Premierminister Rishi Sunak mitteilten.
Sunak zufolge wollen beide Unternehmen elf Milliarden Pfund (12,7 Milliarden Euro) investieren. Nach Angaben der britischen Regierung wird der seit langem geplante Offshore-Windpark vor der Küste Yorkshires der größte der Welt sein. Die beiden unter dem Namen Dogger Bank South zusammengefassten Projekte befinden sich auf der Doggerbank, in flachen Gewässern in der Nordsee, mehr als hundert Kilometer von der Nordostküste Englands entfernt. Die zwei Offshore-Windparks verfügen jeweils über eine geplante Kapazität von 1,5 Gigawatt.
Als Präventivmaßnahme gegen feindliche Übernahmeangebote bemüht sich die Commerzbank Kreisen zufolge aktiv um einen weiteren Ankerinvestor. Der Vorstandsvorsitzende des Geldhauses, Manfred Knof, sei in den vergangenen Wochen an staatliche Fonds in Asien und im Nahen Osten herangetreten, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg heute und berief sich dabei auf mit der Angelegenheit vertraute Personen. Der Manager wolle dabei bis zu 9,9 Prozent der Commerzbank losschlagen, nachdem er zuletzt eine neue Strategie vorgestellt und sich die Aktie der Bank erholt hatte. Nach Bekanntwerden legten die Anteilscheine etwas zu.
Der Technologiekonzern Jenoptik kommt beim Umbau hin zu einem reinen Photonikkonzern besser voran als gedacht und erhöht sein Profitabilitätsziel. "Wir sind in etwa in der Mitte unserer mittelfristigen Agenda bis 2025 und haben unsere Position in unserem Kerngeschäft deutlich gestärkt", sagte Konzernchef Stefan Traeger. So soll die operative Marge bis 2025 bei 21 bis 22 Prozent liegen, zuvor hatte der Konzern noch rund 20 Prozent angepeilt. Das Umsatzziel bleibt mit rund 1,2 Milliarden Euro unverändert. Die Erwartungen am Markt lagen bisher auf Höhe der alten Ziele. Jenpotik-Aktien waren Tagessieger im MDAX mit einem Plus von über 5,5 Prozent.
Der IT-Dienstleister Bechtle verschafft sich durch eine Wandelanleihe frische finanzielle Mittel. Es sollen unbesicherte und nicht nachrangige Wandelschuldverschreibungen im Gesamtnennbetrag von bis zu 300 Millionen Euro angeboten werden, teilte das Unternehmen mit. Bechtle plant dafür eine Verzinsung von 1,75 bis 2,25 Prozent. Die Laufzeit der Anleihe wurde mit sieben Jahren angegeben. Das Geld will Bechtle unter anderem für Zukäufe im In- und Ausland nutzen. Die Aktie fiel im MDAX über 4,5 Prozent und stand damit am Index-Ende.
Der Facebook-Konzern Meta will laut einem Zeitungsbericht noch im Dezember seinen Kurznachrichtendienst Threads schließlich auch in der EU an den Start bringen. Dabei werde es auch die Option geben, Threads nur zum Lesen von Beiträgen zu nutzen, ohne eigene Posts schreiben zu können, schrieb das "Wall Street Journal" unter Berufung auf informierte Personen. Der Dienst ist eine Alternative zu Elon Musks Online-Plattform X (ehemals Twitter).
Der Rückversicherer Swiss Re erwartet im kommenden Jahr einen höheren Gewinn. Die verbesserte Ertragskraft soll auch in Zukunft den Aktionärinnen und Aktionären zugutekommen. Durch die geplante Umstellung der Rechnungslegung von US-GAAP auf IFRS Anfang 2024 rechne Swiss Re mit einer "besseren Sichtbarkeit der Ertragskraft" sowie einem höheren Eigenkapital, teilte der Konzern heute zum Investorentag mit. Auf Gruppenebene stellt Swiss Re 2024 einen Konzerngewinn über der Marke von 3,6 Milliarden Dollar (rund 3,3 Mrd Euro) in Aussicht. Im laufenden Jahr will Swiss Re einen Gewinn von mehr als 3 Milliarden erreichen. Das über mehrere Jahre gesetzte Ziel zur Eigenkapitalrendite liegt bei über 14 Prozent.