Händler an der New Yorker Börse
Marktbericht

Nach Powell-Rede US-Anleger fassen Mut

Stand: 07.02.2023 22:18 Uhr

In seiner mit Spannung erwarteten Rede hat sich US-Notenbankchef Jerome Powell bei der Zinspolitik alle Möglichkeiten offengehalten. Die Anleger reagierten zunächst verhalten, griffen dann aber zu.

Aussagen des US-Notenbankchefs Jerome Powell haben letztlich für gute Stimmung an der Wall Street gesorgt. Die US-Börsen, die die Ansprache im Vorfeld mit großer Spannung erwartet hatten, gingen zunächst auf Berg- und Talfahrt, eher sich danach die Zuversicht bei den Anlegern durchsetzte.

Am Ende schloss der Leitindex Dow Jones bei 34.156 Punkten, ein Tagesgewinn von 0,78 Prozent. Er pendelte dabei zwischen 33.634 und 34.240 Punkten. Die zinsempfindliche Nasdaq reagierte volatil auf die Aussagen, ehe sie am Ende deutlich zulegte. Der Composite-Index gewann 1,90 Prozent auf 12.113 Zähler, der Auswahlindex Nasdaq 100 rückte um 2,12 Prozent auf 12.728 Punkte vor. Der marktbreite S&P-500-Index stieg am Ende 1,29 Prozent.

Der Notenbankchef hat sich in seiner Ansprache vor dem Economic Club of Washington nach bester Notenbankermanier alle geldpolitischen Optionen offen gehalten. Angesichts der abflauenden Inflation hatte die Fed nach einer Serie relativ großer Zinsschritte den Leitzins zuletzt nur noch um einen Viertelprozentpunkt erhöht, was umgehend Zinssenkungsfantasien befeuert hatte. Zuletzt wurde der Zins nach der geldpolitischen Sitzung am vergangenen Mittwoch um 0,25 Punkte auf 4,5 bis 4,75 Prozent angehoben.

Es gab zwar keine klare Absage an Zinssenkungen, was positiv aufgenommen wurde, allerdings wies Powell auch auf die Notwendigkeit weiterer Zinsanhebungen hin, um die Inflation zur Zielmarke von zwei Prozent zurückzubewegen. Wenn die Daten weiterhin stärker als erwartet ausfielen, würde die Fed die Zinsen stärker anheben, sagte er mit Blick auf die unerwartet starken Jobdaten vom vergangenen Freitag. Diese hatten die Zinssorgen der Anleger wieder aufgeheizt und die Börsen zu Wochenbeginn nach unten getrieben.

Bei seinem Auftritt machte Powell aber auch deutlich, dass der Prozess der zurückgehenden Inflation bereits begonnen habe. Allerdings sei dieser noch einem "sehr frühen Stadium", und weitere Fortschritte dürften noch einige Zeit dauern. Erst im Laufe des Jahres 2024 sei mit einer Inflationsrate nahe am Ziel der Fed von 2,0 Prozent zu rechnen, auch wenn er für das laufende Jahr mit einer deutlichen Abschwächung des Preisauftriebs rechne. Die Zinsen müssten noch einige Zeit auf einem restriktiven Niveau bleiben: "Wir müssen geduldig sein", fügte er hinzu.

Unter den Einzelwerten fielen die beiden Dow-Jones-Schwergewichte positiv auf. Microsoft legten 4,20 Prozent zu auf 267,56 Dollar. Der Markt erwartet die Ankündigung einer Milliarden-Investition in die Software ChatGPT. Auch die in den USA gelisteten Wertpapiere des chinesischen Suchmaschinenbetreibers Baidu kletterten mit einem kräftigen Plus von 12,1 Prozent auf ein Elf-Monats-Hoch.

Zuvor hatten bereits die in Hongkong gehandelten Baidu-Aktien rund 15 Prozent zugelegt, nachdem der Konzern angekündigt hatte, interne Tests eines ChatGPT-ähnlichen Projekts namens "Ernie Bot" im März abschließen zu wollen. Die auf künstliche Intelligenz basierende Projekte sollen eine Konversation mit einem Menschen simulieren.

Bei Boeing beflügelte ein angekündigter Stellenbau den Aktienkurs. Die Titel stiegen um 3,83 Prozent. Etwa 2000 Stellen sollen im Finanz- und Personalwesen durch eine Kombination aus Fluktuation und Entlassungen gestrichen werden, teilte der Konzern mit.

Mit Spannung erwarteten die Anleger Neuigkeiten von der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), stand doch die Rede von Bankchef Chef Jerome Powell zum weiteren Zinspfad der Fed auf der Agenda. Der DAX bewegte sich im Vorfeld der Rede in einer engen Handelsspanne zwischen 15.273 und 15.363 Punkten. Am Ende gab er 0,16 Prozent nach auf 15.320 Punkte.

Der weitere Weg der Notenbanken ist derzeit das alles bestimmende Thema an den Börsen. Während die EZB, die im Zinszyklus im Vergleich zur Fed zurückhängt, schon erklärt hat, dass sie im März im Kampf gegen die Inflation weitere 50 Basispunkte erhöhen wird, sorgt der Kurs der US-Notenbanker derzeit für Verunsicherung.

"Die Anleger scheinen in dieser Woche ein wenig verloren zu sein. Sie sind entmutigt, insbesondere durch den Arbeitsmarktbericht, aber auch durch die schwachen Gewinne im Technologiesektor und die immer noch hawkishe Federal Reserve", so Creigh Orlam vom Broker Orlanda. Als "hawkish" ("falkenhaft") wird eine restriktive Geldpolitik bezeichnet.

Update Wirtschaft vom 07.02.2023

Stefan Wolff, HR, tagesschau24

Nach Börsenschluss legte Volkswagen dann noch vorläufige Eckdaten für das abgelaufene Jahr vor. Lieferengepässe haben dem Wolfsburger Konzern beim Mittelzufluss dabei einen herben Rückgang eingebrockt. Der Netto-Cash-Flow habe mit fünf Milliarden Euro im vergangenen Jahr deutlich unter den im Vorjahr erreichten 8,6 Milliarden Euro gelegen, teilte VW mit. Die Abweichung sei vor allem auf die im gesamten Jahr 2022 instabile Versorgungssituation und Störungen in den Logistik-Ketten insbesondere zum Jahresende zurückzuführen.

Der Konzernumsatz lag nach vorläufigen Zahlen bei 279 (Vorjahr 250,2) Milliarden Euro und das operative Ergebnis vor Sondereinflüssen bei rund 22,5 Milliarden Euro, wie das Unternehmen weiter mitteilte. Die zu erwartende Umsatzrendite gab Volkswagen mit rund 8,1 Prozent an. Analysten hatten mit etwa soviel Umsatz und Betriebsgewinn gerechnet. VW Vorzüge geben nachbörslich nach.

Negative Signale kamen am Morgen von der deutschen Konjunktur. Die deutschen Unternehmen haben ihre Produktion am Ende des von Energiekrise, Materialengpässen und hohen Preisen geprägten Jahres 2022 überraschend stark gedrosselt. Industrie, Bau und Energieversorger stellten im Dezember zusammen 3,1 Prozent weniger her als im Vormonat. Das ist der größte Rückgang seit März 2022, dem ersten vollen Monat nach Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine.

Die europäische Gemeinschaftswährung stand heute unter Druck und wird im US-Handel zuletzt bei 1,0726 Dollar wieder etwas höher gehandelt. Im Handelsverlauf hatte sie mehrfach die Marke von 1,07 Dollar unterschritten hat. Hintergrund der aktuellen Euroschwäche ist die Aussicht auf eine stärkere Zinsanhebung durch die Fed als bisher am Markt erwartet. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0700 Dollar fest. Die Feinunze Gold kostete mit 1873 Dollar 0,4 Prozent mehr.

Die Ölpreise sind heute weiter kräftig gestiegen. Am Abend kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent 3,1 Prozent mehr als am Vortag. Ein Fass der US-Sorte WTI stieg sogar um 3,6 Prozent.

Schon am Montag waren die Notierungen letztlich gestiegen und hatten damit eine Talfahrt in der vergangenen Woche vorerst beendet. Hintergrund der aktuellen Aufschläge ist eine steigende Zuversicht für die konjunkturelle Entwicklung. Dazu trägt vor allem die Abkehr Chinas von seiner strengen Corona-Politik bei. Marktbeobachter verwiesen passend dazu auf die jüngste Preispolitik des staatlichen saudischen Ölkonzerns Saudi Aramco. Der habe die Preise für Rohöl erhöht, das nach Asien geliefert werde.

Die vor vier Jahren aus der Münchner Linde AG und dem US-Rivalen Praxair entstandene Linde plc ist mit einem Börsenwert von 148 Milliarden Euro der mit Abstand wertvollste Konzern im deutschen Leitindex DAX. Ende Februar will sich Linde aber von der Frankfurter Börse zurückziehen und ist dann nur noch in New York gelistet. Geprägt ist das Unternehmen seit der Fusion ohnehin amerikanisch, das Machtzentrum von Linde liegt am ehemaligen Praxair-Firmensitz in Danbury.

Kurz vor dem Abschied von der Frankfurter Börse präsentiert sich der weltgrößte Industriegase-Konzern Linde aber noch einmal in Bestform. Mit einem Gewinnwachstum von elf Prozent auf 6,2 Milliarden Dollar aus dem fortgeführten Geschäft übertraf das amerikanisch-deutsche Unternehmen im abgelaufenen Jahr die eigenen Erwartungen. Linde-Papiere legten 2,2 Prozent zu und gehörten damit zu den größten DAX-Gewinnern.

Nicht zuletzt dank höherer Einnahmen aus der Kernenergie hat der Energiekonzern Eon im vergangenen Jahr besser abgeschnitten als erwartet. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (bereinigtes Ebitda) werde vorläufigen Zahlen zufolge bei etwa acht Milliarden Euro liegen, teilte das im DAX notierte Unternehmen am Abend nach Börsenschluss überraschend in Essen mit.

Das Management um Konzernchef Leonard Birnbaum hatte selbst im optimistischsten Szenario 200 Millionen Euro weniger erwartet. Auch soll der bereinigte Konzerngewinn mit 2,7 Milliarden Euro das obere Ende der Prognose übersteigen. Die endgültigen Ergebnisse will Eon am 15. März präsentieren.

Im DAX stand erneut die Bayer-Aktie im Fokus. Bei dem Pharma- und Agrarchemiekonzern erhöht sich der Druck der Aktionäre weiter. Mit Markus Manns, Manager bei Union Investment, und Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), machten sich nun auch Vertreter deutscher Anleger für eine vorzeitige Ablösung von Konzernchef Werner Baumann stark.

Bianca von der Au, HR, 07.02.2023 06:59 Uhr

Der Energietechnik-Konzern Siemens Energy hat im ersten Quartal wegen der Verluste der spanischen Windturbinen-Tochter Siemens Gamesa einen Nettoverlust von 598 Millionen Euro eingefahren.

Der Bertelsmann-Konzern mit der TV-Tochter RTL plant in seinem Zeitschriftensegment um den Verlag Gruner + Jahr den Wegfall von rund 700 der insgesamt 1900 Stellen. Viele Magazintitel werden eingestellt und Verkäufe geprüft. In die verbleibenden Kernmarken wie zum Beispiel "Stern" will das Unternehmen investieren.

Der Internetkonzern United Internet kann beim Börsengang seiner Webhosting-Tochter Ionos nur den Minimalerlös einfahren. Zum Preis von 18,50 Euro je Schein werden die Aktien platziert, teilte das im MDAX notierte Unternehmen heute mit. Das entspricht dem unteren Ende der Spanne, die im Bestfall 22,50 Euro je Papier vorsah.

Inklusive Mehrzuteilungsoption umfasst die Offerte bis zu 24,15 Millionen Aktien des Webhosting-Spezialisten. United Internet winkt damit ein Bruttoerlös von 336 Millionen Euro, das gesamte Platzierungsvolumen liegt bei 447 Millionen Euro. Die Gesamtbewertung des Unternehmen liegt damit bei zweieinhalb Milliarden Euro Der erste Handelstag der Ionos-Aktien ist am Mittwoch im Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse.

Der IT-Dienstleister Bechtle ist auch dank eines starken Schlussquartals im vergangenen Jahr weiter kräftig gewachsen. Der Umsatz kletterte 2022 um mehr als 13 Prozent auf über sechs Milliarden Euro. Das vierte Quartal sei das erfolgreichste der Unternehmensgeschichte gewesen, teilte der MDAX-Konzern mit.

Die Aktie des Softwareanbieters Teamviewer stieg heute deutlich um über 17 Prozent. Konzernchef Oliver Steil peilt trotz der Zurückhaltung mancher Kunden ein prozentual zweistelliges Umsatzwachstum an. Zudem will Teamviewer auch dieses Jahr wieder Aktien zurückkaufen.

Nach einer weiteren Gewinnwarnung mussten die Anleger von Synlab erneut heftige Kursverluste verkraften. Die Aktien des Labordienstleisters brachen zwischenzeitlich um über 20 Prozent ein. Zuvor hatte Synlab seine Ziele für das Jahr 2023 wegen einer geringeren Nachfrage und niedrigeren Preisen bei seinen Corona-Tests nach unten korrigiert.

Die vom Ukraine-Krieg in die Höhe getriebenen Energiepreise haben dem britischen Energiekonzern BP im Geschäftsjahr 2022 einen Rekordgewinn beschert. Der Gewinn hat sich auf 28 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt. Der Konzern erhöhte seine Dividende um zehn Prozent.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 07. Februar 2023 um 09:00 Uhr.