Blick in den Handelssaal der Frankfurter Börse.
marktbericht

Rückenwind von der Wall Street DAX startet vor EZB-Entscheid deutlich im Plus

Stand: 12.09.2024 07:48 Uhr

Vor der Zinsentscheidung der EZB am Nachmittag nimmt der DAX den Rückenwind der Wall Street auf und klettert wieder über die Marke von 18.500 Punkten. Trotzdem bleibt der Markt von Unsicherheit geprägt.

Die Hoffnung der Anlegerinnen und Anleger auf sinkende Zinsen stützt den deutschen Aktienmarkt. Auch dank positiver Vorgaben der US-Börsen legt der DAX am Tag der Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) zunächst zu und erholt sich damit von seinen jüngsten Verlusten.

Zu Handelsbeginn steigt der deutsche Leitindex um 1,23 Prozent auf 18.556 Punkte. Bereits gestern hatte er 0,4 Prozent fester bei 18.330 Punkten geschlossen. "Der deutsche Leitindex kämpft weiterhin wacker um nachhaltige Stabilisierung", betont Charttechniker Martin Utschneider von Finanzethos. Die Situation bleibe jedoch von Unsicherheit geprägt und der DAX müsse sich zunächst über 18.500 Punkten behaupten.

"Der Deutsche Aktienindex hat derzeit mit einer ganzen Reihe von Problemen zu kämpfen", meint auch Jochen Stanzl von CMC Markets. Das neue Rekordhoch in der vergangenen Woche sei zwar in erster Linie positiv, der deutliche Rutsch seitdem aber besorgniserregend. "Gelingt dem Markt jetzt kein kräftiger Konter auf diese Schwäche, könnte sich eine obere Trendwende ausbilden."

Heute könnte die EZB-Zinssitzung für erhöhte Volatilität sorgen. Nach der geldpolitischen Wende vom Juni dürfte der EZB-Rat um Präsidentin Christine Lagarde am Nachmittag den zweiten Schritt nach unten vollziehen: Die Finanzmärkte gehen fest davon aus, dass die Währungshüter den Einlagensatz um einen Viertel-Prozentpunkt auf 3,50 Prozent senken werden. Die heutige Zinssenkung sei vollständig eingepreist, sagte Portfoliomanager Thomas Altmann von Vermögensverwalter QC Partners. "Entscheidend für die Börsen ist einzig und allein der geldpolitische Ausblick."

Viele Börsenprofis glauben, dass die abflauende Inflation den Weg für eine weitere geldpolitische Lockerung ebnet. "Die heute erwartete Zinssenkung der Europäischen Zentralbank dürfte vor allem den Werten aus der zweiten und dritten Reihe helfen, die stärker auf das europäische Geschäft angewiesen sind", erklärt CMC-Analyst Stanzl. Zudem profitiere eher der Mittelstand davon, wenn Fremdkapital günstiger wird. "Die nun anstehende Phase mehrerer Leitzinssenkungen sollte aber insgesamt den geldpolitischen Unterbau des Aktienmarktes festigen - wenn sich nicht gleichzeitig die Konjunktur zu stark abkühlt", so der Experte.

Erstaunlich robust haben derweil gestern die US-Aktienmärkte auf eine hartnäckig hohe Inflation reagiert. Zwar tauchten die Kurse im frühen Handel erst einmal tief ab, nachdem sich die sogenannte Kerninflation im August auf hohem Niveau gehalten hat. Anschließend berappelten sich die Kurse aber sukzessive und die großen Aktienindizes gingen dank großer Kursgewinne bei Tech-Werten mit Gewinnen aus dem Handel. Der Leitindex Dow Jones legte in den letzten Handelsminuten noch einmal zu und schloss 0,31 Prozent höher bei 40.862 Zählern. Der breit gefasste S&P 500 stieg stärker um 1,07 Prozent.

Für den von Technologieaktien bestimmten Nasdaq 100 ging es sogar um 2,17 Prozent kräftig aufwärts. Hier sorgten die Kursgewinne großer Unternehmen aus der Chip-Branche für Unterstützung. Schwergewichte wie Broadcom, ASML, Micron Technology und Applied Materials gewannen zwischen 4,5 und 8,0 Prozent. Besonders die Aktien von Nvidia mit einem Plus von mehr als acht Prozent waren gefragt. Die Nachrichtenseite Semafor berichtete, dass die US-Regierung erwäge, dem KI-Chip-Unternehmen den Export von fortschrittlichen Chips nach Saudi-Arabien zu gestatten.

Mit 3,2 Prozent verharrt die um Energie- und Nahrungsmittelpreise bereinigte Kerninflation in den USA auf einem hohen Niveau. Weil sie von der US-Notenbank als Inflationsmaß stark beachtet wird, prognostizieren Ökonomen, dass die Fed die Leitzinsen am kommenden Mittwoch nicht um 0,50 Prozentpunkte, sondern nur um 0,25 Prozentpunkte senken könnte. "Die Fed hätte gern niedrigere Zahlen gesehen, um eine mögliche Senkung um 50 Basispunkte bei der kommenden Sitzung zu rechtfertigen", sagte Jason Pride, Leiter der Anlagestrategie bei Glenmede.

Es gab aber auch gelassene Reaktionen. "Die Fed kann in der kommenden Woche die Zinsen ruhigen Gewissens senken", schrieb Volkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank. Denn selbst angesichts einer hohen Kerninflation sei das Leitzinsniveau in den USA "sehr hoch". Das berge ein Risiko: Sollte das gegenwärtige Zinsniveau noch längere Zeit auf hohem Niveau verbleiben, drohe das die Realwirtschaft zu bremsen.

Die US-Techwerte und ein schwächerer Yen haben auch dem japanischen Aktienmarkt ordentlich Schwung verliehen. Der Nikkei-Index setzte nach seinen jüngsten Verlusten zur Erholung an und rückte um 3,4 Prozent auf 36.833 Zählern vor. Der breiter gefasste Topix gewann 2,4 Prozent. Deutlich nach oben ging es vor allem für den Chiptestmaschinen-Hersteller Advantest, der gut neun Prozent zulegte. Der Halbleiterausrüster Disco kletterte zeitweise um 8,2 Prozent nach oben.

An der chinesischen Börse hielten sich die Anlegerinnen und Anleger dagegen eher zurück. Die Börse in Shanghai notierte nahezu unverändert. Der Index der wichtigsten Unternehmen in Shanghai und Shenzhen fiel um 0,2 Prozent. Chinas Außenhandel sorgte zuletzt für gemischte Daten und damit für anhaltende Unsicherheit über die Entwicklung der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt.

Am Rohstoffmarkt haben sich die Ölpreise nach Befürchtungen, dass der Hurrikan Francine zu längeren Produktionsausfällen im Golf von Mexiko führen könnte, erholt. Woodside Energy stellte aufgrund des Sturms die Öl- und Gasproduktion auf seiner Offshore-Plattform ein. Die Nordseesorte Brent verteuerte sich um 0,4 Prozent auf 70,86 Dollar je Barrel (159 Liter). US-Öl der Sorte WTI notierte 0,2 Prozent fester bei 67,47 Dollar.

Im Streit um einen möglichen Stellenabbau bei Volkswagen wollen IG Metall und der Konzern in knapp zwei Wochen zu Verhandlungen zusammenkommen. Die Tarifverhandlungen würden am 25. September in Hannover starten, teilten Unternehmen und Gewerkschaft mit. Neben der regulären Entgeltrunde solle dabei auch über die jüngst von VW gekündigte Beschäftigungssicherung verhandelt werden. Die eigentlich erst ab Oktober geplante Tarifrunde werden daher vorgezogen. VW hatte Anfang September angekündigt, wegen der angespannten Lage seine Sparpläne zu verschärfen und schließt Kündigungen und Werkschließen nicht länger aus. Die seit 1994 geltende Beschäftigungssicherung wurde aufgekündigt.

Bayer hat in den Rechtsstreitigkeiten um angebliche Krebsrisiken glyphosathaltiger Unkrautvernichter in den USA einen weiteren Fall für sich entschieden. Eine Geschworenen-Jury habe in Philadelphia zu Gunsten des Agrarchemie- und Pharmakonzerns geurteilt, teilte das DAX-Unternehmen in der Nacht mit. Bayer habe damit 14 der letzten 20 Fälle gewonnen. Die Glyphosat-Klagewelle kostete Bayer schon viele Milliarden Euro. Mittlerweile hofft das Unternehmen perspektivisch auf eine Grundsatzentscheidung des höchsten US-Gerichts.

Die Commerzbank will Insiderangaben zufolge eine mögliche Übernahme durch die italienische Großbank UniCredit abwehren. Das Management habe sich über Strategien ausgetauscht, um die Unabhängigkeit des Geldhauses zu bewahren, sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person. Zwei weiteren Personen zufolge ist das Institut gemäß rechtlichen Verpflichtungen zwar zu Gesprächen bereit, wenn UniCredit ein formelles Angebot vorlegt. Der Vorstand strebe aber einen eigenständigen Kurs an. Zudem verlautete aus Unternehmenskreisen, dass die US-Bank Goldman Sachs als Beraterin beauftragt worden sei, um verschiedene Abwehroptionen auszuloten. Die Commerzbank lehnte eine Stellungnahme ab.

Der Chipindustrieausrüster Aixtron sieht im Fortschritt von Infineon bei der Fertigung von Halbleitern auf Galliumnitrid-Basis (GaN) seine Erwartung eines starken Marktwachstums untermauert. Der Chiphersteller hatte gestern mitgeteilt, 300-Millimeter-GaN-Wafer auf einer Pilotlinie in der bestehenden 300-Millimeter-Siliziumproduktion hergestellt zu haben. Das hatte an der Börse zu reichlich Fragen mit Blick auf Aixtrons Produktangebot geführt. Aixtron betonte auf Anfrage, dass an Maschinen zur Fertigung von 300-Millimeter-Wafern gearbeitet werde und Pilotanlagen bei einigen Kunden stünden.

Die Leasingtochter der China Development Bank hat Airbus einen Großauftrag erteilt. 80 Flugzeuge des Typs A320neo seien bestellt worden, hieß es in einer Mitteilung an die Hongkonger Börse. Die Auslieferung der Maschinen soll ab 2030 beginnen und bis 2032 abgeschlossen sein. Mit dem Kauf will das Unternehmen die Flottenzusammensetzung seiner Luftfahrtsparte optimieren und den Anteil hocheffizienter Flugzeuge der nächsten Generation erhöhen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 12. September 2024 um 09:00 Uhr.