Gute Zahlen von Walmart und Home-Depot Einzelhandelsriesen treiben die Börsen
Die Rezessionssorgen rücken an den Börsen zunehmend in den Hintergrund. Beflügelt von guten Zahlen von Walmart & Co stieg der Dow Jones auf ein Vier-Monats-Hoch. Auch der DAX setzte seinen Höhenflug fort.
Viele Börsen-Profis schütteln den Kopf über die aktuelle Entwicklung an den Aktienmärkten. Seit Wochen steigen die Kurse - trotz der anhaltenden Rezessionsrisiken und der Zinserhöhungswelle. Seit dem Tief von Mitte Juni hat der US-Leitindex Dow Jones gut 15 Prozent aufgeholt. Analyst Craig Erlam vom Handelshaus Oanda fragt sich, "wie lange das noch gutgeht, selbst wenn die Inflation etwas von ihren Höchstwerten zurückkommt". Erlam: "Die Rezessionen rund um den Globus werden kommen, und die Inflation fällt nicht schnell genug."
Auch heute ging es weiter aufwärts. Der Dow Jones kletterte um 0,7 Prozent auf über 34.000 Punkte und markierte den höchsten Stand seit fast vier Monaten. Angetrieben wurde er vor allem von guten Zahlen und erfreulichen Ausblicken der US-Einzelhandelsriesen Walmart und Home-Depot. Die Aktien von Walmart zogen um über fünf Prozent an.
Die Wall Street zeigte sich insgesamt aber uneinheitlich. Der breiter gefasste S&P 500 schloss 0,2 Prozent höher bei 4305 Punkten. Dagegen gab der technologielastige Nasdaq um 0,2 Prozent auf 13.102 Zähler nach. Die unerwartet guten Zahlen der Einzelhändler befeuerten Spekulationen auf einen stärkeren Zinsschritt der Fed. Das trieb die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen auf 2,84 Prozent. Darunter litten besonders Technologiewerte.
Mit Spannung werden daher nun die am Mittwoch zur Veröffentlichung anstehenden Protokolle der jüngsten US-Notenbank-Sitzung erwartet. Investoren erhoffen sich, aus den sogenannten Fed-Minutes Hinweise auf das Ausmaß des nächsten Zinsschritts ziehen zu können. Ein abnehmender Preisdruck in den USA hatte zuletzt Spekulationen angeheizt, dass die US-Notenbank Fed das Tempo im Zinserhöhungszyklus etwas zurückfahren könnte. Zumal die Gefahr besteht, dass die Zinserhöhungen der Fed die Wirtschaft in eine Rezession abgleiten lassen könnte.
Beflügelt vom starken Dow Jones setzte der DAX seine Sommer-Rally fort. Der deutsche Leitindex schloss 0,7 Prozent höher bei 13.910 Zählern, den höchsten Stand seit zwei Monaten. Zeitweise näherte er sich bis auf gut 50 Punkte der runden Marke von 14.000 Punkten an. Seit dem Juli-Tief bei etwa 12.391 Punkten hat der DAX damit rund zwölf Prozent gewonnen.
Negative Konjunktursignale ließen die Kursgewinne zwischenzeitlich etwas schmelzen. Tatsächlich hat sich die Stimmung der Finanzexperten weiter eingetrübt. Der vom Mannheimer Forschungsinstitut durchgeführte ZEW-Index, der auf einer Umfrage unter Finanzexpertinnen und Finanzexperten beruht, fiel im August um 1,5 auf minus 55,3 Punkte, den niedrigsten Stand seit Oktober 2008. Die Aussichten für die deutsche Wirtschaft seien düster, kommentierte der Chefvolkswirt der Liechtensteiner VP Bank, Thomas Gitzel, die Daten: "Die Gefahr einer ernsten Energiekrise ist nicht gebannt, und die hohen Teuerungsraten entziehen den Verbrauchern Kaufkraft."
Angesichts der wieder aufgeflammten Konjunktursorgen griffen die Anleger erneut zum Dollar, der als "sicherer Hafen" angesehen wird. Der Dollar-Index stieg gegenüber einem Korb der wichtigsten Währungen um 0,3 Prozent auf einen Wert von 106,80. Im Gegenzug gab der Euro zeitweise bis auf 1,0120 Dollar nach, konnte sich dann aber wieder erholen und tendierte am Abend etwas fester bei 1,0170 Dollar.
Die Ölpreise haben derweil ihre Talfahrt fortgesetzt. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im Oktober verbilligte sich um 3,4 Prozent auf unter 92 Dollar. Der Preis für ein Fass der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) zur September-Lieferung fiel gar um 3,8 Prozent und notierte bei unter 86 Dollar.
Bei den Einzelaktien stach der Essenslieferdienst Delivery Hero mit einem Kurssprung von bis zu 14,4 Prozent positiv heraus. Delivery Hero sieht sich bei seinem Profitabilitätsziel auf Kurs. Im dritten Quartal dürfte das Geschäft rund um die Vermittlung und Auslieferung von Essensbestellungen auf Basis des bereinigten Ebitda schwarze Zahlen schreiben, kündigte das MDax-Unternehmen an. Allerdings rechnet Delivery Hero mit einer Konsumflaute in den kommenden Monaten. Der Bruttowarenwert (GMV) des dritten Quartals dürfte laut den Angaben im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nur noch um sieben Prozent auf 10,6 Milliarden Euro steigen.
Der Chef des Münchner Chip-Konzerns Infineon, Jochen Hanebeck, rechnet nicht mit einem schnellen Ende der Halbleiterkrise. Die starke Nachfrage in der Elektromobilität und bei erneuerbaren Energien komme zusammen, sagte Hanebeck. "Wir stehen zwar auf dem Gaspedal und bauen die Kapazität aus. Aber ob wir die hohe Nachfrage bedienen werden können, ist unsicher", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Sorgen mache ihm auch die Zuspitzung des Konfliktes um Taiwan. Europa sei von Halbleitern aus Taiwan noch abhängiger als von Energie aus Russland, sagte Hanebeck.
Hohe Rohstoffpreise haben dem australischen Bergbauriesen BHP einen Gewinnsprung von 26 Prozent beschert. Das Ergebnis für das bis Ende Juni dauernde Geschäftsjahr stieg auf 21,32 Milliarden Dollar. BHP übertraf damit die Analysten-Schätzungen von 20,89 Milliarden Dollar. Das knappe Angebot und die geopolitischen Spannungen trieben die Kohle- und Kupferpreise. Die Schlussdividende lag mit 1,75 Dollar je Aktie unter dem Rekordwert des vorherigen Bilanzjahres von 2,00 Dollar pro Anteilsschein.
Im Sog der guten BHP-Zahlen waren heute auch die heimischen Stahlaktien gefragt. So legten die Papiere des Kupferkonzerns Aurubis deutlich zu.
Im Blickpunkt standen die US-Einzelhandelsriesen Walmart und Home Depot, die heute Zahlen vorlegten. Besonders Walmart beruhigte die Anlegerinnen und Anleger mit einem geringeren Rückgang beim Jahresgewinn als zuletzt befürchtet. Der Einzelhandelsriese konnte die durch die Inflation gebeutelten Kunden mit Rabatten locken. Die Aktien von Walmart zogen um 5,3 Prozent an. Erst vergangenen Monat hatte Walmart Investoren mit einer herabgesetzten Gewinnprognose erschreckt.
Auch der Baumarktkonzerns Home Depot überzeugte die Anleger mit einem Rekordquartal. Die Aktien stiegen um 4,1 Prozent. "Im zweiten Quartal haben wir den höchsten Quartalsumsatz und -gewinn in der Geschichte unseres Unternehmens erzielt", freute sich Unternehmenschef Ted Decker. Das Unternehmen profitiert von einer anhaltend hohen Heimwerker-Nachfrage.
Sehr begehrt waren ebenfalls die Aktien des Kreuzfahrt-Anbieters Carnival Cruise. Sie verteuerten sich im späten US-Handel um rund fünf Prozent. Das Unternehmen teilte mit, dass sich die Buchungen im Vergleich zur Zeit vor der Corona-Pandemie in etwa verdoppelt hätten. Grund seien weniger strenge Testauflagen für Passagiere. Außerdem sei die Nachfrage nach Reisen auf Kreuzfahrt-Schiffen nach der Zwangspause im Zuge der Corona-Pandemie groß.
Die Aktien der US-Einrichtungskette Bed Bath & Beyond setzten ihren unglaublichen Höhenflug an der Wall Street fort. Im späten New Yorker Handel kletterten sie um 66 Prozent nach oben. Die Titel sind vor allem bei Kleinanlegern beliebt - ähnlich wie Game Stop. Den Aktien kräftig Auftrieb gab eine Mitteilung des aktivistischen Investors Ryan Cohen zugriffen. Dessen Anlagevehikel RC Ventures erwarb Call-Optionen, die im Januar 2023 auf 1,67 Millionen Aktien auslaufen. Der Investor geht davon aus, dass die Anteilsscheine von Bed Bath & Beyond an Wert gewinnen werden.