Schatten von Passanten vor der Fassade der new York Stock Exchange
marktbericht

Zinshoffnungen gedämpft Kalte Dusche am Abend

Stand: 22.05.2024 22:34 Uhr

Die US-Notenbank zeigt wenig Neigung, den Leitzins bald zu senken. Das hat die Anleger in New York verschreckt. Nach US-Börsenschluss legte dann aber Nvidia Zahlen über den Erwartungen vor.

Das mit Spannung erwartete Protokoll der jüngsten US-Notenbanksitzung wirkte an der Wall Street wie eine kalte Dusche. Bei ihrem Treffen am 1. Mai hatten die Währungshüter geäußert, dass das Abebben der Inflationswelle wohl länger dauern dürfte als gedacht. Einzelne Teilnehmer hatten sogar Zinserhöhungen nicht ausgeschlossen. Auch wenn die Märkte mehrheitlich weiter auf eine erste Zinssenkung im September setzen, wurden ihre Zinshoffnungen spürbar getrübt.

Der Leitindex Dow Jones driftete nach der Veröffentlichung weiter nach unten und schloss 0,51 Prozent tiefer bei 39.671 Punkten.

Auch die Technologiewerte gerieten unter Druck, nachdem der Nasdaq 100 noch zu Beginn neue Rekordstände erreicht hatte. Der Technologieindex ging schließlich 0,05 Prozent tiefer bei 18.705 Punkten aus dem Handel.

Daten vom US-Häusermarkt hatten zuvor noch die Zinshoffnungen gestützt. So schwächte sich der Absatz bestehender Eigenheime im April überraschend weiter ab. Er sank um 1,9 Prozent zum Vormonat. Im März waren sie um revidiert 3,7 Prozent gefallen. Deutlich gestiegen sind jedoch die Hauspreise. "Das Erreichen eines Rekordhochs bei den Hauspreisen im April ist eine sehr gute Nachricht für Hausbesitzer", sagte NAR-Chefökonom Lawrence Yun. "Das Tempo des Preisanstiegs dürfte sich jedoch abschwächen, da immer mehr Häuser zur Verfügung stehen."

Im Vorfeld der wichtigen Nachrichten aus Übersee hatte der deutsche Aktienmarkt leichte Verluste verzeichnet. Belastend wirkten auch unerfreuliche Nachrichten zur Autobranche. In China scheint es Überlegungen zu geben, höhere Importzölle für Autos zu verlangen. Der DAX konnte sein Tagesminus im Verlauf aber auf 0,25 Prozent eindämmen und schloss bei 18.680 Punkten.

"Der DAX kann sich nach wie vor auf einem sehr hohen Level halten, wirkt aber zusehends kraftlos", sagte Marktanalyst Frank Sohlleder vom Brokerhaus ActivTrades. "Zu groß ist die Unsicherheit, ob die bereits eingepreisten Zinssenkungen auch wirklich kommen." Bei rund 18.650 Punkten hat der deutsche Leitindex aber zumindest einen kurzfristigen Boden gefunden. In den vergangenen Tagen und auch heute prallte der DAX gleich mehrmals an diesem Niveau nach oben ab.

Update Wirtschaft vom 22.05.2024

Stefan Wolff, HR, Update Wirtschaft, 22.05.2024 09:00 Uhr

Im Juni oder August könnte es in Großbritannien zu einer ersten Zinssenkung kommen. Dafür sprechen die heutigen Inflationsdaten: Die Inflation in Großbritannien lag auf Jahressicht bei 2,3 Prozent, nach 3,2 Prozent im Vormonat, wie das Statistikamt ONS mitteilte. Analysten hatten im Schnitt mit einem deutlicheren Rückgang auf 2,1 Prozent gerechnet.

Zurückhaltung hatte heute auch wegen der nach US-Börsenschluss anstehenden Veröffentlichung der Quartalszahlen des führenden KI-Chipherstellers Nvidia geherrscht. Das um 22:20 Uhr MEZ vorgelegte Zahlenwerk und der Ausblick des Chipherstellers lagen über den Markterwartungen. So lag der Umsatz im ersten Quartal mit 26,0 Milliarden Dollar über den Analystenschätzungen von 24,7 Milliarden. Auch der bereinigte Gewinn pro Aktie war mit 6,12 Dollar höher als erwartet. Nachbörslich legte die Aktie des KI-Spezialisten zunächst um fünf Prozent zu.

Der Euro geriet nach dem Fed-Protokoll etwas unter Druck. Am späten Abend kostete die Gemeinschaftswährung 1,0818 Dollar und damit 0,33 Prozent weniger als am Vorabend. Der Goldpreis tendierte mit 2.379 Dollar pro Feinunze deutlich schwächer.

Die Ölpreise sind weiter auf dem Rückzug. Die Nordseesorte Brent verbilligte sich bis zum späten Abend um ein Prozent auf 81,66 Dollar je Barrel (159 Liter). In den USA sind die Rohöllagerbestände in der vergangenen Woche unerwartet gestiegen. Sie legten laut Energieministerium im Vergleich zur Vorwoche um 1,8 Millionen auf 458,8 Millionen Barrel zu. Analysten hatten im Schnitt mit einem Rückgang von 2,0 Millionen Barrel gerechnet. Die Ölförderung ist weiter auf einem hohen Niveau.

Ein Bericht über mögliche chinesische Zölle auf Autos setzte den Aktien der deutschen Autobauer zu. China sollte seine Einfuhrzölle auf große Benziner auf 25 Prozent von momentan 15 Prozent erhöhen, sagte ein Experte eines regierungsnahen Instituts der Zeitung Global Times. Die Papiere von Mercedes-Benz, BMW, Porsche und Volkswagen präsentierten sich mit Kurseinbußen von teils mehr als vier Prozent schwach.

Gute Nachrichten für Autobauer kamen hingegen vom Branchenverband ACEA: Der europäische Automarkt hat im April ein Plus um 13,7 Prozent verzeichnet, nachdem es im März einen Dämpfer gegeben hatte. Insbesondere Hybridfahrzeuge, die sowohl über einen Elektro- als auch über einen Verbrennungsmotor verfügen, bauten ihren Marktanteil auf 29,1 Prozent aus.

Die Merck KGaA will ihr Laborgeschäft mit der Übernahme des US-Unternehmens Mirus Bio stärken. 600 Millionen Dollar biete der Vorstand dem bisherigen Eigentümer Gamma Biosciences, der zur Investmentfirma KKR gehört, teilte das DAX-Unternehmen am Abend mit. Sofern die Behörden grünes Licht geben, soll der Zukauf des Spezialisten für Transfektionsreagenzien aus Wisconsin im dritten Quartal abgeschlossen werden. Erst Anfang März hatte Finanzchefin Helene von Roeder Pläne für ergänzende Zukäufe bekräftigt. Vor allem die Laborsparte, mit der Merck nach eigenen Angaben am Markt die Nummer drei ist, solle gestärkt werden. Der Pharma- und Spezialchemiekonzern hat dafür Milliarden im Köcher, doch bislang hatte es wenig Konkretes gegeben.

Die Fluglinie Eurowings verspricht sich Impulse von der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. "Wir haben Top-Buchungen für Juni und Juli", sagte Airline-Chef Jens Bischof. Die Lufthansa-Tochter habe gut 70 Zusatzflüge mit über 13.000 Sitzplätzen im Einsatz. Und erst nach der Heim-EM beginne die eigentliche Sommersaison für Eurowings mit dem Ferienstart. "Wir stehen vor einem sehr, sehr erfolgreichen Sommer." Man plane dann mit über 600 Flügen am Tag.

Die US-Großbank Citigroup muss wegen irrtümlicher Aktienverkäufe in Großbritannien eine Millionenstrafe zahlen. Der Fehler eines Aktienhändlers hatte 2022 zum ungewollten Verkauf von Papieren im Wert von 1,3 Milliarden Euro geführt. Die internen Kontrollen der Bank hätten dies nicht verhindert, teilte die britische Finanzmarktaufsicht FCA mit. Insgesamt bezahlt die Citigroup nun gut 72 Millionen Euro an Strafen an die FCA und die Finanzdienstleistungsaufsicht PRA.

Die Biotechfirma Evotec hat zum Jahresauftakt einen Umsatzrückgang um zwei Prozent auf 208,7 Millionen Euro verzeichnet. Das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) sank auf 7,8 Millionen Euro. Im Gesamtjahr peilt die Hamburger Firma ein Umsatzplus im zweistelligen Prozentbereich an. Evotec war im vergangenen Frühjahr einem schweren Cyberangriff zum Opfer gefallen und musste deshalb seine Jahresziele kassieren.

Der Baumarktkonzern Hornbach Holding rechnet nach Rückgängen im vergangenen Geschäftsjahr für 2024/25 nur mit einem leichten Aufwind. Zwar berichtete Hornbach von einem starken Start in die Frühjahrssaison. Im weiteren Jahresverlauf dürfte sich die Umsatzentwicklung wegen des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds jedoch abschwächen. Im abgelaufenen Geschäftsjahr bis Ende Februar ging der Umsatz um 1,6 Prozent zurück. Der Nettogewinn fiel um 20 Prozent.

Microsoft baut die Fähigkeiten seines KI-Assistenten Copilot - der mit der Technik hinter ChatGPT weiterentwickelt wurde - aus. Er soll nicht mehr nur einzelne Nutzer, sondern auch Teams aus mehreren Mitarbeitern unterstützen. Das Programm soll zum Beispiel die Tagesordnung von Treffen im Blick behalten und Protokoll führen, wie Microsoft gestern auf seiner Entwicklerkonferenz "Build" erläuterte. Auch die neue PC-Architektur wird diesem Ziel untergeordnet. So wird sich ein neuer Zusatzchip nur um KI-Anwendungen kümmern. Das soll den Computer schneller machen und die Batterielaufzeit verlängern.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 22. Mai 2024 um 08:10 Uhr.