Aufholjagd nach schwachem Start Wall Street schafft fast ein Plus
Zunächst sah es nach einer fälligen Reaktion auf die starken Kursgewinne zu Monatsbeginn aus. Doch die Börsenoptimisten haben offenbar noch nicht genug.
In den letzten Handelsstunden gelang dem amerikanischen Aktienmarkt eine bemerkenswerte Kurswende. Nach schwachem Start drehte der Leitindex Dow Jones zwischenzeitlich ins Plus und verbuchte am Ende ein moderates Minus von 0,14 Prozent.
Der Technologieindex Nasdaq 100 notierte zum Handelsschluss nur 0,1 Prozent niedriger. Das kann angesichts des Gewinns der vergangenen zwei Handelstage, an denen beide Indizes bereits rund fünfeinhalb Prozent gewonnen hatten, als Zeichen der Stärke gewertet werden.
Soll mit dem Oktober begonnene Kurserholung aber Bestand haben, müssen sich die Marktteilnehmer wohl neue Argumente für den Kauf von Aktien überlegen. Die aktuellen Konjunkturdaten aus Amerika widersprechen jedenfalls dem jüngsten Narrativ, dass die Notenbanken einen Gang herunterschalten könnten, um die wankende Konjunktur zu stützen.
Zunächst hatten die Beschäftigungszahlen der privaten US-Arbeitsagentur ADP den Markt überrascht. Denn die Privatwirtschaft der USA hat im September mehr Arbeitsplätze geschaffen als erwartet. Im Vergleich zum Vormonat kamen 208.000 Stellen hinzu, wie die ADP mitteilte. Analysten hatten im Schnitt mit 200.000 neuen Arbeitsplätzen gerechnet. Zudem wurde der Anstieg im August deutlich nach oben revidiert. Die Daten deuten also auf einen anhaltend robusten Arbeitsmarkt hin. Umso gespannter sind die Marktteilnehmer nun auf die offiziellen Arbeitsmarktdaten, die am Freitag veröffentlicht werden.
Auch der Einkaufsmanagerindex der US-Dienstleister für September fiel besser aus als gedacht. Der Frühindikator sank nur minimal auf 56,7 Zähler von 56,9 Punkten im August, wie das Institute for Supply Management (ISM) mitteilte. Experten hatten mit einem stärkeren Rückgang gerechnet. Werte über 50 deuten auf eine weitere geschäftliche Expansion hin. Damit werden die jüngsten Fantasien vieler Investoren getrübt, dass die Notenbanken angesichts eines drohenden Konjunkturabschwungs langsamer an der Zinsschraube drehen.
Auch am deutschen Aktienmarkt hielt sich das Minus in Grenzen. Der DAX ging 1,2 Prozent tiefer aus dem Handel. Auch das kann angesichts der hohen Gewinne von 4,6 Prozent an den beiden Vortagen noch als gesunde Kursreaktion gewertet werden.
In den USA wie in Deutschland bleibt der Preisauftrieb derweil eines der wichtigsten Themen für die Finanzmärkte. Die Preise in Deutschland werden nach Erwartung des Münchner ifo-Instituts in den kommenden Monaten nahezu flächendeckend weiter steigen. Laut der monatlichen Unternehmensumfrage des Instituts wollen im Lebensmittelhandel alle Unternehmen durchgängig die Preise erhöhen. Auch Gas und Strom werden sich laut Einschätzung der Münchner Ökonomen weiter verteuern.
Die deutschen Exporte sind im August trotz abgekühlter Weltkonjunktur, steigender Zinsen und Materialengpässen gestiegen. Die Ausfuhren wuchsen vor allem wegen einer stärkeren Nachfrage aus den USA und China um 1,6 Prozent zum Vormonat auf 133,1 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. "Angesichts der schwierigen globalen Lage und des hohen Exportniveaus ist das Ergebnis beachtlich", so Alexander Krüger, Chefvolkswirt bei Hauck Aufhäuser.
Am Morgen hatte der Euro schon fast wieder die Parität zum Dollar erreicht. Nach dem Scheitern an dieser Marke ging es wieder abwärts. Am späten Abend notiert die Gemeinschaftswährung bei 0,9890 Dollar.
Die Ölpreise zogen am Nachmittag wieder an. Das Ölkartell OPEC+ hat sich ungeachtet der Sorgen über eine durch hohe Energiepreise ausgelöste weltweite Rezession auf die stärkste Drosselung der Ölförderung seit der Corona-Pandemie 2020 verständigt. Damit widersetzte sich das Kartell dem Druck der USA und anderer Staaten. Die Drosselungen von zwei Millionen Barrel pro Tag sollen ab November gelten. Mit der Maßnahme reagiert das erweiterte Kartell, zu dem auch Russland gehört, auf die in den vergangenen Monaten gesunkenen Ölpreise. Die USA kritisierten die Förderkürzungen scharf. Mit der Entscheidung verbünde sich das Kartell mit Russland, sagte eine Präsidialamtssprecherin. Das sei ein "Fehler".
Nach einem monatelangen Nervenkrieg will US-Milliardär Elon Musk den Online-Dienst Twitter nun doch kaufen. Sein Anwalt schrieb in einem gestern von der US-Börsenaufsicht SEC veröffentlichten Brief an Twitter, die Übernahme solle zu den im April beschlossenen Bedingungen vollzogen werden. Als Voraussetzung verlangt der Tesla-Chef aber ein Ende des laufenden Rechtsstreits mit Twitter über die Übernahme. Der Kauf soll zu dem ursprünglich von Musk angebotenen Preis von 54,20 Dollar pro Aktie stattfinden. Nach Angaben eines Insiders könnten sich die Parteien möglicherweise noch am Abend einig werden.
Nach zwei Erholungstagen gehörten Autowerte heute wieder zu den Verlierern im DAX. Continental verlor 5,6 Prozent. Auch Mercedes Benz und VW standen unter Druck. Anteilsscheine des Börsenneulings Porsche AG erreichten hingegen mit 89,64 Euro zwischenzeitlich einen neuen Höchststand.
Die Infineon-Aktie konnte dagegen ihr Vortagesplus um 3,1 Prozent ausbauen und sich an die DAX-Spitze setzen. Analyst Malte Schaumann von Warburg Research beließ nach einer Telefonkonferenz mit Fokus auf dem Automobilgeschäft seine Einstufung des Chip-Titels auf "Buy" mit einem Kursziel von 36 Euro.
Schwächster DAX-Titel war Siemens Energy. Das gut vier Milliarden Euro schwere Übernahmeangebot des Konzerns für seine spanische Tochter Siemens Gamesa verzögert sich. Die Genehmigung der spanischen Regulierungsbehörde CNMV stehe noch aus, sagte ein Unternehmenssprecher. Man befinde sich aber in einem konstruktiven Austausch mit der Behörde. Siemens-Energy-Chef Christian Bruch hatte gehofft, das Angebot für die restlichen 33 Prozent an dem Windanlagenbauer noch im September vorlegen zu können. Die Komplettübernahme der defizitären Siemens Gamesa soll Siemens Energy direkteren Zugriff auf die börsennotierte Tochter ermöglichen.
Am Abend schoss die Aktie von Home24 fulminant nach oben. Das Möbelhaus XXXLutz greift nach dem Berliner Online-Möbelhändler. Das Unternehmen biete 7,50 Euro je Aktie in bar, teilte die Wiener XXXLutz-Tochter RAS, über die das Geschäft abgewickelt wird, am Abend mit. RAS hat sich den Angaben zufolge bereits rund 50 Prozent der Anteile an Home24 gesichert. Hinzu kämen weitere zehn Prozent aus einer geplanten Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts für die übrigen Eigner des Online-Möbelhändlers, zu dem auch das Einrichtungshaus Butlers gehört. Die Führungsspitze von Home24 unterstützt das Übernahmeangebot.
Der für Donnerstag geplante ganztägige Streik der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) wird bei der Lufthansa-Tochter Eurowings voraussichtlich jeden zweiten Flug lahmlegen. Das Unternehmen werde jedoch alles tun, um die Auswirkungen der Streikmaßnahmen für Fluggäste so gering wie möglich zu halten, teilte die Fluggesellschaft mit. Betroffen seien ausschließlich Flüge von Eurowings Deutschland, nicht die von Eurowings Europe.
Der Konsumgüterkonzern Henkel hat laut Vorstandschef Carsten Knobel eine hohe Zahl an Kaufinteressenten für sein Russlandgeschäft: "Der Großteil davon kommt aus Russland, es gibt aber auch ein paar internationale Bieter für unsere Geschäfte", so Knobel gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Der DAX-Konzern hatte nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine seinen Rückzug aus Russland angekündigt. Bis Ende des Jahres soll der Verkauf besiegelt sein.
Die Aktie der Online-Arzneimittelversenders Shop Apotheke konnte ihre zwischenzeitlichen Gewinne nicht halten. Der Online-Arzneimittelversender hat im dritten Quartal nach ersten Berechnungen seinen Umsatz um 20 Prozent auf 285 Millionen Euro gesteigert, dabei wuchs der größte Bereich, das Geschäft mit nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten, um 22 Prozent auf 252 Millionen Euro. Die Zahl der Kunden kletterte um 200.000. "Wir blicken auf ein äußerst erfolgreiches Quartal zurück, in dem wir in allen unseren sieben Ländern Marktanteile hinzugewonnen haben", so Firmenchef Stefan Feltens.