Eine Frau und ein Mann sitzen vor Notizen
interview

Finanzen in Beziehungen "Streit über Geld ist häufig ein Scheidungsgrund"

Stand: 21.05.2023 16:46 Uhr

Für viele Paare sind finanzielle Angelegenheiten die größte Herausforderung in der Beziehung - und Geld häufig ein Tabuthema. Woran das liegt, schildert Finanzexpertin Müller im Interview.

tagesschau.de: Studien zeigen, dass Paare ungern über Geld sprechen. Warum ist das so? 

Claudia Müller: Das Thema Geld führt ganz häufig zu Streit. Das ist allerdings auch kulturell bedingt. In Deutschland reden wir nicht gerne über Geld, weder in der Beziehung, noch zum Beispiel im Freundeskreis oder unter Kollegen. Es ist auch ganz verpönt, nach dem Gehalt zu fragen.

In der Beziehung wäre es aber umso wichtiger, weil wir mit keinem anderen Menschen so eng verbunden sind, sowohl emotional als auch finanziell. Wir teilen uns im Zweifelsfall die Ausgaben für die Wohnung, für den Urlaub, für die Kinder.

Die Finanzexpertin Claudia Müller
Zur Person

Nach ihrem Studium der internationalen VWL und Staatswissenschaften hat Claudia Müller mehrere Jahre bei der Deutschen Bundesbank gearbeitet, wo sie für das Thema nachhaltige Geldanlage zuständig war.
 
Aktuell ist Müller CEO des Female Finance Forum, welches Frauen zu Finanzfragen bildet und ihnen die Möglichkeit gibt, sich auszutauschen, gegenseitig zu unterstützen und von- und miteinander zu lernen.

"Männer reden generell etwas mehr über Geld"

tagesschau.de: Reden Frauen und Männer denn gleichermaßen ungern über Geld, oder gibt es da Unterschiede?

Müller: Das ist ganz interessant: Männer reden generell etwas mehr über Geld, weil es ihnen von der Gesellschaft auch ein Stück weit zugeordnet wird. Bis heute ist der Mann tendenziell dafür zuständig, das Geld nach Hause zu bringen und dann auch zu verwalten. Die Frauen wollen hingegen eher gar nicht darüber reden.

Das Interessante daran ist: Wenn Frauen in ihrer Beziehung dann doch anfangen, das Thema anzusprechen, reagieren Männer völlig erstaunt. Häufig kommt von den Männern die Frage: 'Willst du dich trennen?'. Und das hindert dann natürlich auch dieses Gespräch noch mal mehr, auch vonseiten der Frauen. Beide Seiten sind also dafür verantwortlich.

tagesschau.de: Viele Paare sprechen erst gar nicht über Geld, weil sie Angst haben zu streiten. Kann man denn nicht auch harmonisch über Geld sprechen?

Müller: Wir müssen unbedingt lernen, harmonisch damit umzugehen. Denn noch ist Streit über Geld tatsächlich häufig ein Scheidungsgrund. Hilfreich kann es zum Beispiel sein anzukündigen, dass man über Geld sprechen möchte. Und dann sollte man sich für dieses Gespräch bewusst Zeit nehmen, um die Motivation oder die eigenen Ängste und Sorgen erklären zu können.

Zum Beispiel: 'Ich möchte für den Fall einer Trennung faire Finanzen haben.' Denn ganz ehrlich, das größte Problem sind doch die 30 Prozent aller Paare, die zusammen bleiben, weil sie es sich nicht leisten können, sich zu trennen. Eben deshalb sind solche Finanzgespräche enorm wichtig - und noch wichtiger ist, dass wir den richtigen Moment dafür finden und die Perspektive des anderen verstehen wollen.

Update Wirtschaft vom 05.05.2023

Anne-Catherine Beck, HR, tagesschau24, 05.05.2023 09:05 Uhr

"Eine vollkommen diffuse Angst"

tagesschau.de: Die Trennung ist dabei ja nur ein Szenario. Auch eine Krankheit oder gar der Todesfall des Partners hat finanzielle Konsequenzen. Welche Folgen hat es denn, wenn das Thema Geld ein Tabuthema bleibt?

Müller: 68 Prozent aller Frauen haben Angst vor Altersarmut. Wahrscheinlich müssten nicht alle diese Frauen Angst haben, wenn sie das Thema angehen würden. Denn wenn wir anfangen über Geld zu reden, dann können wir auch etwas tun und unsere Situation verbessern.

Erst dann sehen wir, ob das Monster unter dem Bett, vor dem wir uns fürchten, tatsächlich ein Monster ist oder ob es eigentlich nur ein nettes Haustier ist, das gestreichelt werden will. Wenn wir das Thema aber tabuisieren und gar nicht erst hinschauen, dann bleibt es eben eine vollkommen diffuse Angst.

Paare sollten wissen, was beide verdienen

tagesschau.de: Es gibt ja viele Studien zu dem Thema "Paare und Geld". Eine dieser Studien zeigt, dass viele gar nicht wissen, wie viel die Partner verdienen. Ist das nicht fatal?

Müller: Das gemeinsame Einkommen ist im Prinzip die Grundlage. Wer nicht weiß, wie viel zur Verfügung steht, kann schlecht planen und überhaupt nicht beurteilen, wie viel ausgegeben werden darf und ob man noch im Budget liegt.

Insbesondere jetzt auch bei der hohen Inflation ist das fatal. Durch die steigenden Preise kommen ganz viele Leute in eine Unsicherheit und teilweise einfach auch in finanzielle Engpässe. Dann ist es immens wichtig, zu wissen, wie viel Geld in der Beziehung zur Verfügung steht.

Sobald ich anfange, gemeinsame Ausgaben zu haben - und das fängt schon beim gemeinsamen Urlaub an -, muss ich darüber reden. Ist dieser Urlaub für dich finanziell in Ordnung oder liegt er eigentlich über deinem Budget? Vielleicht würde ich viel lieber auf den Campingplatz gehen und meine Partnerin möchte das Fünf-Sterne-Luxushotel.

Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Aber einer von beiden zahlt drauf. Und darüber müssen wir eben reden.

"Emanzipation beim Thema Geld noch in den Kinderschuhen"

tagesschau.de: Wir sprechen viel über die Emanzipation der Frau, aber in puncto Geld scheint es, als hätten wir uns nicht wirklich weiterentwickelt, oder?

Müller: Ich bin der Meinung, dass die Emanzipation beim Thema Geld tatsächlich noch in den Kinderschuhen steckt.

Ein Grund, weshalb Frauen strukturell weniger Geld verdienen, insgesamt auch weniger Geld haben und sich auch weniger mit Geld beschäftigen: Frauen machen länger Elternzeit und arbeiten anschließend häufiger in Teilzeit.

Es ist bis heute so, dass sich nur ein einstelliger Prozentsatz der jungen Eltern die Elternzeit zu gleichen Teilen aufteilt. In über 90 Prozent der Fälle macht die Frau die längere Elternzeit.

Das ist an sich nicht das Problem. Ein Jahr mehr oder weniger auf 40 Jahre Erwerbstätigkeit, das fällt nicht so stark ins Gewicht. Aber was daraus resultiert, ist definitiv messbar: Die Person, die mehr Elternzeit nimmt, kümmert sich auch im Anschluss mehr um das Kind. Das heißt: viel mehr Fehltage, weil das Kind krank ist, die Schließzeiten von Kita und Schulferien müssen berücksichtigt werden.

Das wirkt sich natürlich auf die Karriere und damit auch auf das Gehalt aus. Denn in Deutschland macht man in Teilzeit immer noch kaum Karriere. Und das führt dazu, dass die Einkommensschere immer weiter auseinander geht.

tagesschau.de: Es ist also ein strukturelles Problem, das die Frauen wohl nicht allein lösen können. Aber ist es denn das einzige Problem?

Müller: Das Problem ist grundlegend: Frauen haben weniger Geld, leben aber länger. Das heißt, mit weniger Geld müssen sie ein längeres Leben finanzieren. Verantwortlich dafür ist auch der Finanzsektor, der bislang ganz stark von Männern für Männer aufgestellt ist und so auch kommuniziert.

Das heißt, er kommuniziert eigentlich an den weiblichen Bedürfnissen vorbei und spricht seine weibliche Kundschaft nicht an. Dabei müsste auch denen klar sein, dass Frauen in finanziellen Angelegenheiten anders angesprochen werden müssen als Männer. Sie haben andere Entscheidungswege.

Einen unkomplizierten Umgang von Kindheit an

tagesschau.de: Umso wichtiger ist es dann wohl, dass Kinder - vor allem Mädchen - schon früh den Umgang mit Geld lernen, oder?

Müller: Das ist ganz wichtig. Wir sollten auch nicht unterschätzen, wie stark Kinder einfach durchs Zuschauen lernen. Es ist also wichtig, dass sie sehen, wie ihre Eltern mit dem Thema Geld umgehen. Ist das ein Stressfaktor? Ist das ein positiver Faktor? Ist es überhaupt nicht existent? Und da können die Eltern wirklich auch eine Vorbildfunktion einnehmen.

Auch das erste Taschengeld ist wichtig - und dass sie eine gewisse Verantwortung dafür übernehmen und überlegen: Wie viel willst du davon kurzfristig sparen? Wofür willst du eigentlich sparen? Was sind deine Ziele und Wünsche?

Um sich Wünsche zu erfüllen, braucht man schließlich Geld. Da können wir wirklich schon sehr früh mit dem Thema anfangen und dafür sorgen, dass unsere Kinder einen gesunden und unkomplizierten Umgang mit dem Thema lernen.

Die Fragen stellte Anne-Catherine Beck, ARD-Finanzredaktion. Das Interview wurde für die schriftliche Fassung gekürzt und redaktionell bearbeitet.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR um 4 am 09. Februar 2021 um 16:00 Uhr.