Vermögensbildung und Inflation "Anlegen ist die richtige Art des Sparens"
Die hohe Inflation hat bislang auch die Erträge steigender Zinsen aufgezehrt. Doch das könnte sich in diesem Jahr ändern. Was das für Sparer bedeutet, erklärt der Anlage-Experte Christian Kopf im Interview.
tagesschau24: Können sich die Menschen unter dem Begriff Realzins etwas vorstellen?
Kopf: Wir fragen unsere Privatkunden regelmäßig nach Begriffen aus der Finanzwelt. Dieses Jahr haben wir nach dem Realzins gefragt und festgestellt, dass zwei Drittel unserer Kundinnen und Kunden mit dem Begriff etwas anfangen können. 60 Prozent der Befragten gehen sogar tatsächlich davon aus, dass die Inflation den Zinsertrag auffrisst. Damit haben sie auch ein Stück weit Recht, denn genau das ist im vergangenen Jahr passiert. In der Zukunft wird es vermutlich nicht mehr so sein.
tagesschau24: Passen die Menschen ihr Sparverhalten denn an die Inflation an?
Kopf: Viele tun das leider nicht. Es gibt sehr viele Menschen, die ihr Vermögen wegen ihres Sicherheitsbedürfnisses weiterhin als Sichtguthaben auf Banken halten. Das ist an sich ja auch nicht verkehrt, einen Teil des Geldes soll man ja als Notgroschen immer bereithalten. Angesichts der hohen Inflation ist es unseres Erachtens aber unklug, sehr hohe Geldbeträge einfach tot auf dem Konto liegen zu lassen. Und das tun immer noch sehr viele Bankkunden in Deutschland.
Immer noch wenig Zinsen etwa für Tagesgeld
tagesschau24: Sparen auf dem Konto ergibt in Ihren Augen also keinen Sinn. Aber wie spart man in Zeiten hoher Inflation denn richtig?
Kopf: Es ist zwar schon so, dass die Sichteinlagen bei den Banken langsam wieder steigen und die Banken sehr langsam dabei sind, diese höheren Einlagesätze, die die Deutsche Bundesbank ihnen zahlt, an die Kunden durchzureichen. Trotzdem sind die Sichteinlagen, die die Banken bereitstellen, im Vergleich zu dem, was man am Kapitalmarkt verdienen kann, noch immer sehr niedrig verzinst. Deswegen muss man schon sagen: Heute ist das Anlegen die richtige Art des Sparens.
tagesschau24: Sorgen sich die Menschen denn um ihre Ersparnisse?
Kopf: Ja, die Leute machen sich große Sorgen. Zwei Drittel der Befragten in unserer Umfrage haben angegeben, dass sie sich um ihre Ersparnisse Sorgen machen. Das ist der höchste Wert, den wir je ermittelt haben, seit wir diese Umfrage machen. Der Wert ist im Vergleich zum vergangenen Jahr sogar noch gestiegen.
Und man muss ja auch sagen, dass diese Sorge durchaus gerechtfertigt ist, wenn man sich anschaut, was im letzten Jahr passiert ist. Die Inflation war rekordhoch - in Deutschland war es die höchste Rate seit dem Zweiten Weltkrieg. Gleichzeitig kam hinzu, dass die Leute auf ihre Kapitalanlagen Geld verloren haben, was heißt, dass sie am Ende auf beiden Seiten verloren haben. Die Aktienkurse und Anleihenkurse sind gefallen, und dann hatte man gleichzeitig auch noch mit der Inflation zu kämpfen. Da kann man schon verstehen, dass die Leute sich Sorgen machen. Trotzdem sehe ich diese großen Realverluste bei der Kapitalanlage in der Zukunft eigentlich nicht mehr.
tagesschau24: Warum nicht?
Kopf: Wir haben derzeit eine Inflationsrate von 7,4 Prozent in Deutschland, die vor allem wegen der hohen Energiepreise zuletzt so hoch war. Langsam geht die Inflationsrate aber jetzt wieder leicht zurück. Wir rechnen damit, dass die Geldentwertung in den nächsten zwölf Monaten bei ungefähr 3,5 Prozent liegen wird. Wenn Sie in den nächsten zwölf Monaten mit einer Geldanlage mehr als 3,5 Prozent Gewinn erzielen, dann haben Sie einen positiven Realzins. Und das ist unseres Erachtens durchaus möglich.
"Die Geduld des Bauern zahlt sich aus"
tagesschau24: Glauben Sie denn auch, dass an den Aktienmärkten noch Luft nach oben ist? Der DAX ist derzeit immerhin auf einem sehr hohen Niveau.
Kopf: Ich denke, wenn man hier Kapitalanlage betreibt, dann sollte man die Perspektive des Getreidehändlers, der immer billig kaufen und teuer verkaufen will, ein Stück weit hinter sich lassen. Man sollte eher die Perspektive eines Bauern einnehmen, der auf den Kapitalertrag schaut. Wir sind jetzt in einer Situation, in der es sowohl auf der Zinsseite als auch auf der Aktienseite wieder einen richtigen Kapitalertrag gibt. Wir kommen aus einer Periode von mehreren Jahren, in der es entweder Nullzinsen oder zumindest sehr, sehr niedrige Zinsen gab.
Jetzt haben wir eine Situation, in der wir bei Geldmarktfonds drei Prozent Zinsen verdienen können, bei Unternehmensanleihen vier Prozent. Auch beim DAX liegt die Ertragsrendite ungefähr bei acht Prozent, mit internationalen Aktien bei sechs Prozent. Wir haben da also durchaus eine Möglichkeit, Geld zu verdienen, indem wir einfach anlegen und geduldig sind. Diese Idee, dass man immer billig kaufen muss und teuer verkaufen muss, eignet sich meines Erachtens für den Vermögensaufbau nicht. Und wir sind jetzt in der Situation, in der sich die Geduld des Bauern, der einfach sein Geld anlegt und es arbeiten lässt, auszahlt.
Der Kapitalmarkt wird interessanter
tagesschau24: Die Deutschen sind ja dafür bekannt, gerne und auch viel zu sparen. Wie viel sparen sie?
Kopf: Ja, das ist richtig. Die Deutschen sparen im internationalen Vergleich schon ziemlich viel, das haben wir bei unserer Umfrage auch wieder festgestellt. 70 Prozent der Leute, die wir befragt haben, sagen, dass sie regelmäßig sparen - und teilweise sogar relativ hohe Beträge, manchmal über 250 Euro im Monat.
tagesschau24: Die Deutschen sind aber nicht gerade dafür bekannt, ihr Geld gerne risikofreudig anzulegen. Wie sparen sie denn?
Kopf: Die Leute investieren ihr Geld vor allem in Immobilien. 65 Prozent der Ersparnisse fließen in Immobilien und nur ungefähr 30 Prozent in Investmentfonds und Aktien. In den letzten Jahren waren Immobilien auch ein gutes Investment, die Immobilienzinsen waren immerhin sehr niedrig. Wenn man damals eine selbstgenutzte Immobilie oder auch eine fremdgenutzte Immobilie erwerben konnte bei diesen niedrigen Zinssätzen, dann war das schon eine gute Sache.
Inzwischen sieht es aber anders aus. Die Bauzinsen sind deutlich gestiegen und die Immobilienpreise auch. Gleichzeitig werden Aktien und Anleihen wieder attraktiver, weil sie eben auch eine attraktive Rendite aufweisen. Ich denke, dass sich dieser Trend, hauptsächlich in Immobilien zu investieren, in den nächsten Jahren verändern wird, denn die Kreditzinsen für Immobilien sind teurer geworden, und mittlerweile springt auch bei der Anlage am Kapitalmarkt wieder richtig was raus.
tagesschau24: Das sagen Sie allerdings als Leiter des Rentenfonds - und nicht als Immobilenmarkt-Experte.
Kopf: Ja, ich beschäftige mich mit Anleihen von großen, deutschen Industrieunternehmen. Die haben vor einem Jahr, Anfang 2022, am Kapitalmarkt Anleihen mit einer Rendite von gerade mal 0,5 Prozent begeben. Dieselben Unternehmen mit derselben Bonität, mit dem selben Geschäftsmodell, den selben Gewinnen haben heute Anleihen am Markt, die über 4 Prozent abwerfen. Da rechnet es sich jetzt schon wieder richtig, Kapital anzulegen - nicht nur in Immobilien, sondern eben auch in Anleihen und in Aktien.
Die Fragen stellte Anne-Catherine Beck, ARD-Finanzredaktion. Das Interview wurde für die schriftliche Fassung gekürzt und redaktionell bearbeitet.