Neue Galeria-Eigentümer 70 der 92 Filialen sollen erhalten bleiben
Nun ist es offiziell: Richard Baker und Bernd Beetz steigen als Investoren bei der insolventen Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof ein. Sie sagen zu, die meisten Filialen zu erhalten. Doch Experten sind skeptisch.
Mit Bernd Beetz als Präsidenten stieg der traditionsreiche Fußballclub SV Waldhof Mannheim 2019 wieder in die dritte Liga auf - und schaffte die Rückkehr in den Profifußball. Jetzt will der in der Schweiz lebende Investor sich auch an der Rettung von Galeria Karstadt Kaufhof versuchen. Gemeinsam mit dem US-amerikanischen Unternehmer Richard Baker.
Dass die beiden nun bei Galeria Karstadt Kaufhof als Investoren einsteigen, ist seit diesem Mittwoch nun offiziell. Bei einer Pressekonferenz sagte Investor Beetz: "Wir glauben an die Zukunft von Galeria und haben nur einen Fokus: das Warenhaus." Weiter betonte der 73-Jährige: "Wir wollen langfristig investieren, entwickeln und wachsen." Die nächsten Wochen seien entscheidend, um die Voraussetzungen für ein solides Geschäftsmodell zu schaffen. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, "können wir Galeria auf einen erfolgreichen Kurs bringen", so Beetz.
"Liebe zum Warenhaus"
Bei den neuen Eigentümern handelt es sich um ein Konsortium aus der US-Investmentgesellschaft NRDC des Unternehmers Richard Baker und der Gesellschaft BB Kapital SA von Beetz. Über sein Verhältnis zu Baker sagte Beetz: "Was uns verbindet, ist die Liebe zum Warenhaus. Es ist Teil der deutschen Lebenskultur."
Die neuen Eigentümer werden voraussichtlich mehr als 70 der 92 Filialen fortführen. Das sagte Galeria-Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus. Damit sei es möglich, eine große Mehrheit der Arbeitsplätze zu erhalten. Die Zahl der Filialen, die erhalten bleiben sollen, ist Teil der Investorenvereinbarung, die am Dienstag notariell beurkundet wurde.
Handelsexperten sind skeptisch
Allerdings: Handelsexperten sind skeptisch, ob der ambitionierte Plan gelingt - und es der angeschlagenen Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof nach dem Investoreneinstieg wie dem SV Waldhof Mannheim ergehen wird. Boris Hedde, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung (IFH Köln), sagt tagesschau.de: "Das sind Gebäude in höchstfrequentierten, attraktiven Lagen. Ich bin überzeugt, dass sie wieder ein Anker für die Innenstädte sein können."
Die Frage sei nur, ob die neuen Investoren einen konsequenten Umbau vorantreiben wollen - und das entsprechende Geld dafür in die Hand nehmen. Denn die Warenhäuser der Zukunft bräuchten ein ganz anderes Konzept: "Wir suchen innerstädtisch keine Waren mehr, sondern Erlebnisse." Die Menschen wollten nicht mehr nur zum Shoppen in die Stadt. "Sie wollen einen Kaffee trinken, sich bilden, arbeiten, vielleicht auch zur Musikschule", sagt Hedde.
Wieviel investieren die neuen Eigner?
Handelsexperte Jörg Funder sieht genau hierin ein Problem: "Man muss man relativ viel Geld investieren, um aus dem bestehenden Warenhäusern Erlebniszentren zu stricken", sagt der Professor für Unternehmensführung im Handel an der Hochschule Worms dem hr. Und er glaube nicht, dass die Investoren großen Summen in die Modernisierung stecken wollen. "Ich rechne damit, dass sie eher ein risikoarmes Modell fahren werden und etwa Flächen auch für andere Verkäufer zur Verfügung stellen."
Baker und dessen National Realty and Development Corp sind eine Private-Equity-Firma und auf Rendite aus. "Ich kann mir vorstellen, dass sie natürlich auch kurzfristige Gewinne machen wollen. Und das geht nur, in dem auch Geld aus dem Bestand herausgezogen wird", sagt Hedde.
Kaufhäuser werfen wenig Gewinn ab
Das Problem: Im Einzelhandel gibt es ohnehin eine kleine Marge - nicht sonderlich attraktiv für Investoren. "Außerdem sind Kaufhäuser, wie sie jetzt aufgebaut sind, kein Wachstumsmarkt - im Gegenteil", sagt der Geschäftsführer des IFH Köln. Auch dort lasse sich also wenig Gewinn abschöpfen.
Es bleibt also eine letzte, kurzfristige Renditeoption: aus dem Bestand abzuschöpfen. Der frühere Karstadt-Investor Nicolas Berggruen habe das schon einmal gemacht - etwa mit höheren Mietkosten für Markennutzung und Filialen sowie kostenintensiveren Sonderleistungen, sagt Hedde.
"Geht nicht um Einzelschicksale"
Auch Jörg Funder betont: "Das sind keine sozialen Investoren. Ich glaube nicht, dass den beiden an Einzelschicksalen und Menschen gelegen ist, sondern dass es hier um Geld und Returns geht und darum, einen Schnitt zu machen."
Er hält es für realistisch, dass von den aktuell mehr als 90 Filialen nach einer Sanierung nur noch eine Handvoll übrig bleiben: "Ich halte 20 Filialen für eine realistische Zahl. Alles, was darüber hinausgeht, ist ein Zugeständnis an den Insolvenzverwalter, damit man den Zuschlag bekommt und die Häuser für eine gewisse Zeit weiter betreibt", sagt er.
Experte geht von weiteren Schließungen aus
Nach einer Übergangszeit sei davon auszugehen, dass die Investoren weitere Filialen dichtmachten und nur die wirklich profitablen Standorte weiterbetrieben, sagte Funder. Aus seiner Sicht könnte es bei den Schließungen vor allem kleinere Städte treffen. "Warum sollte man in einer Mittelstadt mit 100.000 und weniger Einwohnern ein Warenhaus betreiben? Ich glaube, das wird zunehmend schwierig."
Der Gesamtbetriebsrat von Galeria erklärte, den neuen Eigentümern "für eine konstruktive und arbeitsplatzsichernde Zusammenarbeit zur Verfügung" zu stehen. Es sei klar, dass es erneut zu harten Einschnitten kommen werde. "Aber es werden auch tausende von Arbeitsplätzen erhalten bleiben", hieß es in einer Mitteilung.
Städtetag sieht "Chance auf Neustart"
Positiv beurteilte der Deutsche Städtetag die Vereinbarung mit den Investoren: "Viele Städte mit Galeria-Standorten werden heute aufatmen", sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. "Mit der Trennung von der Signa-Gruppe haben diese Häuser eine echte Chance auf einen Neustart."
Für die Städte zähle, dass den verbleibenden Standorten eine Zukunftsperspektive gegeben werde, auf die sie bauen könnten, so Dedy. "Das gilt vor allem für die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Galeria-Filialen. Sie mussten wiederholt und seit Monaten um ihre Jobs bangen." Aber auch für die Menschen vor Ort blieben Kaufhäuser in den Innenstädten Ankerpunkt und Anlaufstelle.
Insolvenzplan bis Ende April
Ver.di-Bundesvorständin Silke Zimmer äußerte die Erwartung der Gewerkschaft, dass der neue Eigentümer in das Unternehmen investiere, die Standorte erhalte und für die Beschäftigten langfristig die Arbeitsplätze sichere. "Der neue Eigentümer sollte gemeinsam mit den Beschäftigten ein modernes Zukunftskonzept entwickeln und auf dem Weg bringen, das die Stärke der Warenhäuser ausspielt: ein breites Sortiment gepaart mit guter Beratung."
Die unterzeichnete Vereinbarung über die Übernahme tritt nur dann in Kraft, wenn das Amtsgericht Essen und die Gläubigerversammlung dem von Denkhaus erstellten Insolvenzplan zustimmen. Wenn sie das nicht tun, kommt der Verkauf nicht zustande. Denkhaus will den Insolvenzplan bis Ende April vorlegen. Die Gläubiger kommen am 28. Mai in der Messe Essen zusammen, um darüber abzustimmen.