G-20-Gipfel in Toronto Nicht noch eine Wirtschaftskrise wie diese
Beim G-20-Gipfel in Toronto geht es von Samstag an zwei Tage lang um die Zukunft der Weltwirtschaft. Die großen Streitfragen: Wie können die Finanzmärkte an den Kosten der Krise beteiligt werden - und was muss getan werden, um künftige Krisen zu verhindern?
Von Klaus Müßigbrodt, tagesschau.de
Wenn sich am Wochenende die Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G 20) in Toronto treffen, stehen drei große Themen im Mittelpunkt. Erstens: Wie können die Haushaltsdefizite der Staaten am besten bekämpft werden - über schuldenfinanzierte Konjunkturmaßnahmen oder über eine Sanierung der Staatsfinanzen? Zweitens: Wie können die Finanzmärkte an der Kosten der Krise beteiligt werden, die sie mitverursacht haben? Und drittens: Wie kann zugleich das Risiko verringert werden, dass sich eine Krise wie die nach der Pleite der US-Bank Lehman Brothers wiederholt?
Diskussion über die "richtige" Haushaltspolitik
Kurz vor dem Gipfel in Toronto ist eine Diskussion über die richtige Haushaltspolitik entbrannt. US-Präsident Barack Obama forderte die Staats- und Regierungschefs der G 20 in einem Brief auf, nicht die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen und zu früh aus ihren Konjunkturprogrammen auszusteigen. Die Regierung in Washington ist unverändert der Ansicht, dass sich die Haushaltsdefizite in den Industrie- und Schwellenländern nur abtragen lassen, wenn die Staaten gemeinsam das Wachstum ankurbeln - zur Not auch über neue Schulden.
In Berlin und anderen europäischen Hauptstädten sieht man es genau andersherum. Bundeskanzlerin Angela Merkel reagierte auf Obamas Initiative mit dem Hinweis, aufgeblähtes Wachstum sei die Keimzelle für die nächste Krise. Die Bundesregierung hält es für den richtigen Weg, die Staatsdefizite so schnell wie möglich abzubauen. Merkel verteidigte das von der Bundesregierung beschlossene Vorhaben, bis 2014 mehr als 80 Milliarden Euro einzusparen, als notwendig und angemessen.
Auch die EU-Kommission will darauf pochen, dass die Konjunkturmaßnahmen heruntergefahren werden. Kommissionspräsident José Manuel Barroso und EU-Ratspräsident Herman van Rompuy haben sich dafür ausgesprochen, spätestens 2011 mit einer substanziellen Haushaltskonsolidierung zu beginnen.
Kanada versucht zu vermitteln
Die kanadischen Gastgeber versuchen, zwischen den USA und Europa zu vermitteln. Ministerpräsident Stephen Harper schlug in einem Brief vor, die Defizite bis 2013 zu halbieren und den Schuldenstand bis 2016 zu stabilisieren oder abzubauen. Von neuen Konjunkturpaketen ist in seinem Schreiben nicht die Rede. Er fordert die G 20 aber auf, die schon beschlossenen Konjunkturmaßnahmen bis zum Ende umzusetzen.
Eine mögliche Kompromissformel könnte so aussehen: Die G-20-Mitglieder versichern, das in ihrer Macht Stehende zu tun, um zu einem starken, global ausgewogenen und nachhaltigen Wachstum beizutragen. Gleichzeitig wird verabredet, die Sparbemühungen zeitlich und inhaltlich aufeinander abzustimmen, um möglich negative Auswirkungen auf die Konjunktur zu begrenzen.
Die "Gruppe der 20" wurde 1999 ins Leben gerufen, um die Kooperation in Fragen des internationalen Finanzsystems zu verbessern. Zunächst trafen sich die G20-Staaten ausschließlich auf Ebene der Finanzminister, erst 2008 kamen erstmals die Staats- und Regierungschefs zu einem Gipfel zusammen.
Der G20 gehören alle Mitglieder der Gruppe der sieben wichtigsten Industriestaaten (G7) an: USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Kanada. Hinzu kommen Russland und China sowie die großen Schwellenländer Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika; außerdem Argentinien, Australien, Indonesien, Saudi-Arabien, Südkorea, die Türkei und die Europäische Union.
Kontrolle der Finanzmärkte
Bei der Frage, wie die Finanzmärkte besser kontrolliert werden können, liegen die Positionen der wichtigsten G-20-Mitglieder weit auseinander. In der Diskussion über eine internationale Finanztransaktionssteuer zeigt sich vor allem ein Graben zwischen den USA und Großbritannien auf der einen Seite sowie Deutschland und Frankreich auf der anderen. Die Schwellenländer - sie machen immerhin die Hälfte der G 20 aus - wollen mit strengeren Regeln am liebsten nichts zu tun haben; sie halten die Finanzkrise in erster Linie für ein Problem der Nordhalbkugel.
Beim Thema Bankenabgabe verlaufen die Fronten wieder ganz anders: Neben Deutschland und Frankreich sind vor allem die Amerikaner entschlossen, ihre Finanzwirtschaft künftig strenger zu regulieren und eine Bankenabgabe zu verlangen. Dagegen wiederum wehren sich Australien und Kanada, deren Finanzsysteme die Krise nahezu unbeschadet überstanden haben. Sie wollen es sich mit ihren Banken nicht verscherzen.
Die Chancen auf eine Einigung stehen schlecht. Nur in wenigen Punkten (z.B. in der Forderung nach strengeren Eigenkapital-Vorschriften der Banken) scheint eine Einigung in Reichweite zu sein. So rechnet Bundeskanzlerin Merkel mit Beschlüssen denn auch erst beim nächsten G-20-Gipfel im November in Südkorea.