Sondergipfel zum griechischen Schuldenstreit Schäuble vermisst "substanzielle Vorschläge"
Die neue Reformliste aus Athen sei eine "gute Grundlage", signalisierte die EU-Kommission - doch wenige Stunden später behauptet Finanzminister Schäuble das glatte Gegenteil: "Wir haben keine substanziellen Vorschläge bekommen." Folgt dem heutigen Gipfel gleich der nächste?
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hat die Hoffnung auf eine rasche Lösung im griechischen Schuldenstreit gedämpft: "Wir haben keine substanziellen Vorschläge bekommen", sagte der CDU-Politiker vor dem für heute Abend anberaumten Sondergipfel der Euro-Staaten.
Auch Kanzlerin Angela Merkel ließ durchblicken, dass sie mit keinem entscheidenden Durchbruch rechnet. Ohne eine "abschließende Empfehlung" der Gläubiger-Gruppe aus EU-Kommission, IWF und EZB bleibe das heutige Treffen ein "Beratungsgipfel", so Merkel. Es seien noch mehrere Tage Zeit, um eine Entscheidung zu treffen. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem sagte nach einem Treffen der Euro-Finanzminister am Nachmittag, man versuche, "später in dieser Woche" zu einer Einigung zu kommen.
Die falschen Signale aus Brüssel
Zuvor hatte die EU-Kommission deutlich optimistischere Signale gesandt. "Wir haben Fortschritte gemacht über die letzten beiden Tage, aber wir haben es noch nicht geschafft", sagte Behördenchef Jean-Claude Juncker bei einem gemeinsamen Auftritt mit Griechenlands Premierminister Alexis Tsipras am Morgen in Brüssel. "Ich weiß nicht, ob wir heute eine Einigung bekommen werden."
Bereits in der Nacht hatte Junckers Kabinettschef Martin Selmayr die jüngsten Reformvorschläge aus Athen als "gute Grundlage" bezeichnet. EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici ging noch einen Schritt weiter und sagte, er gehe davon aus, "dass am Abend eine Entscheidung erreicht wird".
EZB billigt neue Notkredite für Athens Banken
Tsipras war bereits am frühen Morgen in Brüssel gelandet. Dort traf er nicht nur mit Juncker zusammen, sondern später laut Diplomaten auch mit IWF-Chefin Christine Lagarde, EZB-Direktoriumsmitglied Benoit Coeuré und Dijsselbloem. Am Mittag folgte das Treffen der Euro-Finanzminister, bevor der eigentliche Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Eurozone um 19 Uhr beginnen soll.
Anders als befürchtet öffneten die griechischen Banken am Morgen wieder - obwohl in Panik geratene Sparer vergangenen Woche offenbar mehr als sechs Milliarden Euro von ihren Konten abgehoben hatten. Laut den Nachrichtenagenturen AFP und Bloomberg entschied das EZB-Direktorium, die Notkredite für die griechischen Geldhäuser nochmals zu erhöhen. Ohne die Geldspritzen der Notenbank würde den Instituten vermutlich binnen Tagen der Kollaps drohen.
Athener Medien zufolge enthalten die neuen griechischen Vorschläge erstmals substanzielle Zugeständnisse an die Gläubiger. So sei Tsipras bereit, die Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel, Restaurants und Hotels quasi zu verdoppeln. Zudem wolle er die meisten Frührenten abschaffen, die umstrittene Immobiliensteuer aufrechterhalten und eine Art Sondernsteuer für Reiche einführen. Eine Bestätigung für diese Berichte gab es nicht.
Steinmeier: Griechenland muss jetzt liefern
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier mahnte weitere Konzessionen an: "Wir können alle miteinander nur hoffen, dass die Verantwortlichen in Griechenland sehen und einsehen, dass die Regierung dort sich bewegen muss, wenn die Unterstützung von EZB, Europa und IWF weiterhin gewünscht wird", sagte der SPD-Politiker. "Nicht nur für Griechenland, sondern für ganz Europa stehen wir vor entscheidenden Tagen."
Ohne Fortschritte bei dem Krisengipfel am Montag droht Griechenland Ende Juni der Staatsbankrott, was zum Ausscheiden aus der Eurozone führen könnte. Griechenland verhandelt seit Monaten mit seinen internationalen Geldgebern über die Bedingungen zur Auszahlung ausstehender Finanzhilfen von 7,2 Milliarden Euro.