Parlamentswahl in Griechenland Eine Schicksalswahl - auch für die EU
Syriza-Chef Tsipras will im Falle eines Wahlsiegs den rigiden Sparkurs Griechenlands aufgeben und die internationalen Finanzhilfen neu verhandeln. EU-Kommissionschef Juncker gibt sich trotzdem demonstrativ gelassen. Dabei steht eine Menge auf dem Spiel.
Am liebsten würde er wohl gar nicht antworten, wenn ihn jemand nach Griechenland fragt - das ist EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker anzumerken in diesen Tagen. Aber wo er auch auftritt, zu welchem Thema auch immer er spricht. Irgendwann kommt sie: die "Griechenland-Frage", garantiert.
Juncker bleibt gelassen und spult ab, was er in diesem Fall immer sagt, fast tonlos und ohne erkennbares Mienenspiel: "In die griechische Wahl mischen wir uns nicht ein, nicht in diese Debatten. Wir warten, wie sich die griechischen Wähler entschieden haben".
Juncker mahnt Vertragstreue an
Im selben Atemzug kommt von ihm aber doch noch eine kleine Botschaft an die Griechen, kurz vor der "Schicksalswahl" am Sonntag, an der sich auch der zukünftige EU-Kurs des Landes mitentscheiden dürfte: "Das einzige, was ich sagen kann: Jede neue Regierung muss die Verpflichtungen respektieren, die Griechenland mit internationalen Geldgebern eingegangen ist."
Gemeint ist die EU, gemeint sind auch die EU-Rettungsschirme, der Internationale Währungsfonds, die "Troika", die helfen soll, Griechenland wieder auf den Pfad der finanziellen Stabilität zurückzuführen. Verpflichtungen gibt es viele: vor allem Reformen im Staatsapparat, die in Griechenland unbeliebt sind und als in höchstem Maße unsozial empfunden werden.
Im Euro bleiben - oder nicht?
Am Ende geht es auch um die Frage, ob der Euro in Griechenland noch eine Zukunft hat. In Brüssel gehen die Finanzberater der noch amtierenden griechischen Regierung ein und aus und versprechen: "Wir wollen in der Eurozone bleiben!" Oft gefolgt von einem großen Aber: "Europa muss aber über die griechischen Schulden verhandeln."
Dahinter steht der Wunsch zumindest nach einem Teilerlass der Schulden. Aber was passiert, wenn sich die EU darauf nicht einlässt? EU-Parlamentspräsident Martin Schulz kennt Alexis Tsipras, den Wahlfavoriten in Griechenland und Anführer des linken Wahlbündnisses, das beste Chancen hat, bei der Parlamentswahl am Sonntag als Sieger hervorzugehen: "Manchmal hat er gesagt: Wir zahlen nicht mehr. Dann sagt er wieder: Wir verhandeln. Eine klare Linie ist nicht immer zu erkennen."
Ein möglicher Weg aus der EU
Von künftigen Schuldenverhandlungen könnte am Ende auch die Zukunft des Euro in Griechenland abhängen. Wenn Verhandlungen mit Griechenland über neue Hilfen oder einen Schuldenschnitt ins Leere laufen, könnte Griechenland von sich aus sagen: Wir zahlen unsere Schuldzinsen nicht mehr - der erste Schritt auf dem Weg aus dem Euro und am Ende wohl auch aus der EU, ein Rechtsbruch gegenüber EU-Normen und den Verpflichtungen, die Griechenland gegenüber der Europäischen Zentralbank (EZB) eingegangen ist.
Im Gegenzug könnte Brüssel alle Zahlungen aus EU-Fördertöpfen stornieren. Das wäre eine Katastrophe für die griechische Wirtschaft. Noch schmerzhafter wäre die mögliche Reaktion der EZB: Bisher noch gelten griechische Staatsanleihen als Sicherheit für griechische Banken, die frisches Geld brauchen, um Kredite zu vergeben, die Geldautomaten zu füllen und Einlagen auszuzahlen. Werden diese Anleihen nicht mehr akzeptiert, sitzen die Banken früher oder später ohne Euros auf dem Trockenen.
Folgen weit über Griechenland hinaus
Eine Panik an den Geldmärkten wäre vorprogrammiert. Die Griechen würden ihre Euro-Konten leer räumen, um zu retten, was zu retten ist - falls die Banken noch zahlungsfähig wären. Griechenland hätte kaum eine andere Wahl, als eigenes Geld zu drucken, an die Banken zu verteilen und in die Geldautomaten zu stopfen, um die alltäglichen Geschäfte am Laufen zu halten, auch wenn die EZB diesen "Plan B" kategorisch ausschließt.
Zwar kann offiziell kein Euro-Land aus der Euro-Zone austreten. Aber die Euro-Zone könnte am Ende auch kein Land zwingen, den Euro zu behalten. Eine Katastrophe für Griechenland - aber keine Katastrophe für die Eurozone, glaubt der CDU-Europapolitiker Elmar Brok: "Der Euro ist heute belastbarer als früher. Wir haben die Bankenunion. Wir haben die Struktur des Euros erheblich gestärkt, sodass das nicht mehr die Dominowirkung auf andere Länder hätte."
Milliarden stehen auf dem Spiel ...
Griechische Trauben und Urlaubsfreuden an den Küsten würden wohl billiger mit einer schwachen Drachme. Aber das war es auch schon. Wer zahlt am Ende die Zeche? Zum einen die EZB. Sie bunkert mindestens 30 Milliarden Euro an griechischen Staatsanleihen. Die wären wertlos.
Den größten Schuldenbatzen - insgesamt mehr als 320 Milliarden Euro - müssen die europäischen Rettungsschirme und der Internationale Währungsfonds abschreiben. Sie sind die größten Gläubiger Griechenlands. Der wahre Gläubiger ist aber anderswo zu suchen. Das Geld stammt von den europäischen Steuerzahlern. Ihnen müsste notgedrungen gesagt werden: Das Geld ist weg, obwohl ihnen alle EU-Regierungen versichert hatten, dass es so weit nie kommen würde.
... und die Glaubwürdigkeit der EU
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz glaubt nicht an dieses Szenario, auch nicht mit Alexis Tsipras an der Spitze einer griechischen Regierung, die auf Krawall gebürstet ist: "Ich sehe keinen potentiellen Koalitionspartner, der solche radikalen Vorstellungen mit tragen würde" - ein Trost für die Brüsseler Politiker. Sie hoffen, dass es in Griechenland nicht zum Schlimmsten kommt, auch im eigenen Interesse. Weg wäre nicht nur sehr viel Geld - sondern auch das Vertrauen der europäischen Bürger in die europäische Politik.