Debatte über Griechenland-Rettung Alle reden vom Schuldenschnitt
Der anstehende EU-Gipfel soll eine dauerhafte Lösung für die Finanzprobleme Griechenlands beschließen. Im Vorfeld dreht sich die Debatte fast nur noch um einen Schuldenerlass und den Beitrag der privaten Gläubiger. Selbst Commerzbank-Chef Blessing unterstützt inzwischen einen Schuldenschnitt.
Vor dem EU-Gipfel am Sonntag mehren sich die Hinweise auf einen Schuldenschnitt für Griechenland. Auf die Banken wächst der Druck, über die bisherigen Zusagen hinaus einen deutlich größeren Beitrag zur Sanierung des hoch verschuldeten Landes zu leisten.
Bei einer Sondersitzung der Unionsfraktion bekräftigte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Angaben von Teilnehmern, dass die bisher vereinbarte Beteiligung des Privatsektors an der Schuldenreduzierung nicht ausreichen dürfte. Die privaten Gläubiger hatten im Juli angekündigt, auslaufende griechische Anleihen gegen neue Papiere mit einer längeren Laufzeit zu tauschen. Daraus ergab sich nach damaliger Rechnung eine Abschreibung der aktuellen Forderungen in Höhe von 21 Prozent. Merkel erklärte nun, dass sich der Zeitpunkt nähere, an dem man feststellen müsse, dass der vereinbarte Abschlag von 21 Prozent nicht mehr die Schuldentragfähigkeit sichere. Der französische Finanzminister François Baroin sagte, die Banken müssten "in einem angemessenen Maße" an einem möglichen Schuldenschnitt für Griechenland beteiligt werden.
Schuldenschnitt von mehr als 50 Prozent im Gespräch
Die bisherigen freiwilligen Zusagen der privaten Gläubiger sind allerdings von einem harten Schuldenschnitt zu unterscheiden, der inzwischen nach Ansicht vieler Beobachter als kaum noch vermeidbar gilt. Dabei müssten alle Gläubiger erzwungenermaßen auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten - und die Regierung in Athen müsste in der Folge deutlich weniger Geld zurückzahlen. Laut jüngsten Äußerungen führender Politiker könnten Griechenland mehr als 50 Prozent aller Schulden erlassen werden. Merkel hatte für den Fall eines Schuldenschnitts in dieser Woche bereits eine "permanente Troika" in Spiel gebracht, die das Land künftig permanent bei der Umsetzung der Spar- und Reformvorgaben überwacht könnte.
Als erster führender Vertreter der europäischen Finanzbranche erklärte nun Commerzbank-Chef Martin Blessing: "Griechenland braucht einen Schuldenschnitt. Es reicht nicht, nur Abschreibungen in den Bankbilanzen vorzunehmen." Die letzte Vereinbarung zwischen Politik und Privatsektor habe das Problem nicht gelöst. "Das geht aus meiner Sicht nicht freiwillig, sondern nur, indem Griechenland selbst seine Zahlungsunfähigkeit erklärt", sagte er der "Bild"-Zeitung. Bereits gestern hatte Jürgen Fitschen, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, eingeräumt, dass Griechenland mit dem im Juli zugestandenen Forderungsverzicht der Banken von 21 Prozent nicht auskommen werde. Eine Rekapitalisierung der griechischen Banken sei im Zuge eines Schuldenschnitts "absolut machbar".
Euro-Finanzminister entscheiden über Milliardenhilfe
Neben der Debatte über den möglichen Schuldenschnitt blickt die Regierung in Athen auch aus anderen Gründen gespannt nach Brüssel. Dort kamen die Finanzminister der Euro-Staaten zusammen, um über die Freigabe der nächsten Kredits in Höhe von acht Milliarden Euro aus dem ersten Rettungspaket zu entscheiden. Die Prüfer der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds hatten die Überweisung empfohlen. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker erklärte, er hoffe, dass sich die Minister auf die Auszahlung der Rate einigten.
In Griechenland kündigten Gewerkschaften für kommende Woche erneut Streiks im öffentlichen Dienst an. Bereits in den vergangenen Tagen hatte mehr als 150.000 Menschen in Athen gegen die Sparmaßnahmen der Regierung protestiert. Bei Ausschreitungen kam ein Mann ums Leben, 200 Menschen wurden verletzt.