Debatte über Brexit Markige Worte vom Schatzkanzler
Sind es nur Drohgebärden oder meint er es ernst? Der britische Finanzminister Hammond erwägt einen kompletten Bruch mit der EU - und das hieße: die Unternehmenssteuern auf der Insel drastisch zu senken. Die Opposition warnt vor einem Handelskrieg.
Philip Hammond ist eigentlich ein freundlicher, ruhiger Mann. Und ein Politiker, der den Weg seines Landes raus aus der EU mit einer gehörigen Portion Skepsis betrachtet. Das, was er aber jetzt der "Welt am Sonntag" gesagt hat, kann man als Drohung des britischen Schatzkanzlers verstehen.
Hammond spricht davon, dass die britische Wirtschaft zumindest kurzfristig Schaden erleiden könnte, wenn das Land ohne eine Übereinkunft über den zukünftigen Zugang zum Binnenmarkt die Europäische Union verlassen müsste. In diesem Fall könnte Großbritannien gezwungen sein, sein Wirtschaftsmodell zu ändern, um Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen. Gemeint ist damit vor allem eine kräftige Senkung der Unternehmenssteuern.
"Seltsames Gebilde vor der Küste Europas"
Was als Appell an den Rest der EU gedacht ist, Kompromissbereitschaft bei den Brexit-Verhandlungen zu zeigen, kam beim Oppositionsführer im britischen Unterhaus nicht gut an. Labour-Chef Jeremy Corbyn warnte in der BBC die Regierung vor einem Handelskrieg mit der EU: "Der Schatzkanzler scheint offenbar der EU drohen zu wollen und zu sagen: Wenn wir nicht genau das bekommen, was wir wollen, dann werden wir zu einer Art seltsamem Gebilde vor der Küste Europas, wo es unter anderem eine sehr niedrige Körperschaftssteuer gibt. Das scheint mir das Rezept für einen Handelskrieg mit Europa zu sein. Das ist wirklich kein vernünftiger Weg."
Die Drohung mit der niedrigsten Körperschaftssteuer aller Industrieländer ist nicht neu. Im vergangenen Herbst konnte man sie bereits aus britischen Regierungskreisen hören. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble reagierte damals ziemlich verschnupft und Schatzkanzler Hammond hatte seinerzeit in seiner Haushaltsrede auf eine solche Ankündigung verzichtet.
May-Rede soll Klarheit bringen
Mehr Klarheit über die britischen Verhandlungsziele soll eine Rede der Premierministerin am Dienstag bringen. Die britischen Zeitungen spekulieren bereits heftig darüber, was Theresa May sagen wird. Der konservative "Sunday Telegraph" schreibt, May sei bereit, das Land aus dem Europäischen Binnenmarkt und der Zollunion zu führen.
Die ebenfalls konservative und Brexit-freundliche "Sunday Times" schreibt, May werde einen "sauberen und harten Brexit" ankündigen. Was die Premierministerin wirklich sagen wird, wird man allerdings erst am Dienstag erfahren.
Oppositionsführer Corbyn warnte die Regierungschefin aber nach der Lektüre der Presseberichte: "Wir würden den Zugang zu dem Markt verlieren, in den die Hälfte unserer Exporte geht. Das scheint mir eine extrem riskante Strategie zu sein. Ich glaube, wir brauchen noch ein bisschen mehr Diskussion und Beratung darüber, dass die enge Zusammenarbeit mit Europa weiter gehen muss, wenn wir aus der EU ausgetreten sind."
Klar ist: Die Premierministerin will den Auftrag der Mehrheit der Briten erfüllen, die Zuwanderung aus den EU-Ländern zu begrenzen. Dieser Auftrag hat für sie Priorität. Dafür ist sie auch bereit, den freien Zugang zum Binnenmarkt zu opfern.