EU-Richtlinie soll Retouren kostenpflichtig machen Rücksendungen - der Schrecken des Online-Handels
Der Umsatz im Online-Handel boomt. Das geht aus der Bilanz des Deutschen Versandhandels hervor. Aber nicht alle Kunden wollen das, was sie kaufen, auch behalten: zum Beispiel den Hochzeitsanzug, der nach der Feier zurückgeschickt wird. Bislang ist das meist kostenlos. Doch das könnte sich ändern.
Von Jan Ehlert, tagesschau.de
"Schrei vor Glück - oder schick's zurück!" - mit diesem Slogan ging der Online-Schuhhändler Zalando 2008 an den Start. Schaut man heute auf die Homepage des Unternehmens, dann ist der zweite Teil des Werbespruchs jedoch nicht mehr zu finden. Schreien ist weiterhin gewünscht, Zurückschicken offenbar weniger.
Dabei hat sich am Geschäftsmodell von Zalando nichts geändert. Auch weiterhin können Kunden ihre bestellte Ware kostenlos zurücksenden. Nur werden sie nicht mehr offensiv dazu aufgefordert. Mit gutem Grund: Denn die Kunden machten von der Option starken Gebrauch. Die Quote der Produkte, die nicht behalten werden, liege bei etwa 50 Prozent, sagte Zalando-Finanzchef Rubin Ritter im Januar in einem Interview. Auf den Versandkosten bleibt das Unternehmen sitzen.
"Das Retournieren wird von den Kunden einkalkuliert"
Hohe Rücklaufzahlen sind ein Problem, mit dem viele Online-Händler zu kämpfen haben. Laut einer Studie des Forschungsinstituts ibi research an der Universität Regensburg gaben 40 Prozent der befragten Online-Händler an, dass mehr als zehn Prozent aller bestellten Waren zurückgeschickt würden - und zwar nicht nur wegen Unzufriedenheit. "Das Retournieren wird von vier von zehn Kunden beim Kauf bereits einkalkuliert", sagt Georg Wittmann, einer der Initiatoren der Studie. So würden Produkte in mehreren Größen gekauft oder nach einmaligem Gebrauch zurückgeschickt - etwa der Anzug, den man nur für die Hochzeit braucht oder der Fernseher, den man für die Fußball-WM gekauft hat.
Bislang dürfen Online-Händler in Deutschland dafür in den meisten Fällen keine Gebühren verlangen. Bei einem Warenwert über 40 Euro kann der Käufer das Produkt kostenlos zurückschicken. Ausgenommen sind davon nur CDs und Tonträger, die nachweislich geöffnet wurden, Lebensmittel sowie individuell für den Kunden erstellte Produkte. Doch diese sogenannte 40-Euro-Klausel wird schon bald abgeschafft. Am 23. Juni 2011 beschloss die Europäische Union eine neue Verbraucherrechte-Richtlinie, die es Online-Händlern ermöglicht, die Kosten für Rücksendungen an die Kunden weiterzugeben. Im Sommer 2014 soll sie europaweit in Kraft treten - und laut der Regensburger Studie wollen 76 Prozent der Online-Händler künftig von diesem Recht Gebrauch machen.
70 Prozent des Umsatzes wurden über das Internet bestellt, der Rest über Telefon, Fax oder andere Wege. Frauen kaufen laut Studie deutlich mehr Waren im Versandhandel als Männer.
Der größte Umsatzbringer war 2012 Bekleidung mit über zehn Milliarden Euro vor Unterhaltungselektronik und Elektroartikeln mit vier Milliarden Euro.
Versandhandel-Umsatz steigt um mehr als 15 Prozent
Einkaufen ohne kostenlose Rückgabe-Garantie - was bedeutet das für die Umsätze im Internethandel? Bislang boomt die Branche. Im vergangenen Jahr stieg der Umsatz auf 39,3 Milliarden Euro, ein Wachstum von mehr als 15 Prozent. Den größten Anteil hat daran die Bekleidungsbranche - also jener Bereich, in dem besonders viele Produkte zurückgeschickt werden. Dennoch befürchtet Christin Schmidt vom Bundesverband des Deutschen Versandhandels (bvh) keine größeren Auswirkungen durch die EU-Richtlinie. Die größeren Konzerne würden den kostenfreien Rückversand als Service vermutlich beibehalten.
Online-Händler setzen verstärkt auf Printprodukte
Für kleinere Händler könnte es aber schwieriger werden. Für Online-Händler sei es daher in jedem Fall wichtig, die sogenannten Retourenquoten zu senken, sagt Schmidt. Dies könne durch einen besseren Service geschehen, etwa durch 360°-Ansichten von Kleidungsstücken oder Foren, in denen sich Nutzer über die Besonderheiten der Produkte austauschen könnten. Die Zukunft des Handels sieht Schmidt aber nicht nur im Internet. "Wichtig ist es, die Kunden auf möglichst vielen Kanälen zu erreichen", sagt sie. Immer mehr Online-Händler eröffneten daher auch wieder Läden in den Innenstädten. Selbst von ebay gibt es eine Filiale in Berlin. Und auch Print-Produkte würden wieder wichtiger, sagt Schmidt. Zwar nicht der 1000-Seiten-Katalog wie früher, aber in Form von Briefbeilagen und sogenannten Magalogs, einer Mischung aus Magazin und Katalog. Denn je mehr Informationen der Kunde im Vorfeld erhält, desto weniger wird er zurückschicken.